Kippen Richter die Grundsteuer?

(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
  • Drucken

Ein Stifter klagt gegen die Steuerbemessung nach Einheitswerten auf Immobilien. Es geht um die Frage der Verfassungskonformität. Bekommt der Kläger recht, droht eine gewaltige Erhöhung der Grundsteuer.

Wien. Mit einer hochbrisanten Sache müssen sich derzeit die Richter im Verfassungsgerichtshof herumschlagen: In der gestern, Montag, angelaufenen Herbst-Session befassen sie sich mit der Beschwerde eines Stifters gegen die 2,5 Prozent hohe Eingangssteuer, die bei der Errichtung einer Stiftung abzuführen ist. Zudem steht eine Beschwerde gegen eine Vorschreibung über die Grunderwerbssteuer auf dem Programm.

In beiden Fällen geht es um die Frage, ob die Vorschreibung von Steuern auf Basis sogenannter Einheitswerte auf Immobilien (die zuletzt 1973 bzw. 1988 festgesetzt wurden) verfassungskonform ist.

Geben die 14 Verfassungsrichter und -richterinnen den Beschwerdeführern recht, treten sie eine Lawine los: Dann steht nämlich das System der sogenannten Einheitswerte für privates und betriebliches Immobilienvermögen zur Disposition. Und daran hängt einiges: Die Einheitswerte bilden nicht nur die Basis für die Grundsteuer (die den Gemeinden im Jahr 570Millionen Euro einbringt), nach ihnen werden auch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge fast aller landwirtschaftlichen Betriebe berechnet. Fällt diese Basis, dann steht dem Finanzministerium größerer steuerlicher Umbaubedarf ins Haus.

Dort sieht man die Sache aber noch recht locker: Unter jungen Anwälten sei es in den vergangenen Jahren zum „Sport“ geworden, das Einheitswertsystem zu beeinspruchen, heißt es. Und: Der Verfassungsgerichtshof habe bereits 2008 die Verfassungsmäßigkeit der Einheitswerte festgestellt.

Damals haben die Höchstrichter befunden, dass das System der Einheitswerte zwar problematisch sei (weshalb beispielsweise auch die Vermögens- und Erbschaftssteuer gekippt worden sind), aber deshalb nicht per se verfassungswidrig sein müsse. Es gehe ausschließlich um die Art der steuerlichen Folgen. Seien diese nicht gravierend genug, dann rechtfertige die „Verwaltungsökonomie“ die entstandenen „Unschärfen“.

„Kläger will Steuererhöhung“

Darauf baut jetzt das Finanzministerium: Bei der Beschwerde gegen die Stiftungssteuer geht es darum, dass die Einbringung von Vermögen in die Stiftung unterschiedlich besteuert wird: Bei Barvermögen oder Wertpapieren wird die 2,5-prozentige Eingangssteuer vom tatsächlichen Wert berechnet, bei Immobilien kommt aber nur das Dreifache des (wesentlich niedrigeren Einheitswertes) zum Einsatz.

„Der Beschwerdeführer“, so sagte ein Sprecher des Finanzministeriums, „verlangt in Wirklichkeit also eine Steuererhöhung.“ Und das seien möglicherweise nicht jene „gravierenden steuerlichen Folgen“, die das Verfassungsgericht verlangt.

Allerdings: So eindeutig ist die Sache auch wieder nicht. Der klagende Stifter bezieht sich ja nicht auf die Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte an sich, sondern auf deren „steuerliche Folgen“. Und die, das hat der VfGH schon vor zwei Jahren festgehalten, könnten im Einzelfall durchaus „Verfassungswidrigkeit ergeben“.

Die drohenden Steuererhöhung wäre übrigens gewaltig: Der Verkehrswert von nicht agrarischen Immobilien liegt derzeit beim Sieben- bis Zehnfachen der 1973 festgesetzten und seither in mehreren Schritten um 35 Prozent erhöhten Einheitswerte. Bei agrarischen Immobilien liegt dieser (dort zuletzt 1988 fixierte) Einheitswert noch deutlich darunter.

Bisherige Reformansätze, sind immer an den Auswirkungen gescheitert: In der Praxis würde es auf eine Steuererhöhung hinauslaufen. Betroffen wären aber nicht nur vermögende Grundbesitzer, sondern praktisch alle. Auch Mieter, an die die Grundsteuer über Betriebskosten durchgereicht wird. Eine Annäherung an die (in Wien besonders hohen) Verkehrswerte träfe also auch Mieter in Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen schwer.

Ohne „Nachhilfe“ durch die Verfassungsrichter wird das nicht geschehen: „Es fehlt dazu bei allen Parteien der politische Wille“, heißt es im Ministerium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.