Bandion-Ortners Bawag-Urteile wackeln

Urteil Helmut Elsner, Gerichtsurteil  Foto: Clemens Fabry
Urteil Helmut Elsner, Gerichtsurteil Foto: Clemens Fabry(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Langzeit-U-Häftling Helmut Elsner darf wieder hoffen. Die Generalprokuratur spricht sich für eine teilweise Aufhebung der Urteile aus. In den meisten Fällen schließt sich der Oberste Gerichtshof der Generalprokurator an.

Die von der derzeitigen Justizministerin und seinerzeitigen Prozessleiterin Claudia Bandion-Ortner Mitte 2008 verkündetene Urteile im Bawag-Verfahren "halten" möglicherweise nicht. Dies legt die nun vorliegende Ansicht der Generalprokuratur nahe. Demnach kommt den von allen neun Verurteilten des Bawag-Verfahrens eingebrachten Rechtsmitteln zumindest teilweise Berechtigung zu. Damit werden Neuaustragungen bestimmter Teile des Verfahrens vor einem neuen Schöffensenat erwartet.

Aufhebung von sechs Urteilen empfohlen

Auch der seit Februar 2007 wegen Fluchtgefahr in U-Haft sitzende Hauptangeklagte - bzw Hauptverurteilte Helmut Elsner (der mittlerweile 75-Jährige erhielt wegen Untreue im Bezug auf Bawag-Spekulationsgelder, wegen schweren Betruges und Bilanzfälschung neuneinhalb Jahre Haft) darf auf eine Reduktion seiner Strafe hoffen.    

Wörtlich sagt die oberste Anklagebehörde Österreichs in einem äußerst umfangreichen Schriftsatz: "Nach Ansicht der Generalprokuratur kommt den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Helmut Elsner, Dkfm. Johann Zwettler und Mag. Peter Nakowitz über die in einem gemäß § 285c Abs 2 StPO anzuordnenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden wäre, für den sich der Oberste Gerichtshof die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis vorbehalten wolle, teilweise Berechtigung zu." Im Bezug auf sechs weitere Verurteilte empfiehlt die Generalprokuratur gar die völlige Aufhebung der Urteile.

OGH folgt in 90 Prozent der Fälle  

Für Bandion-Ortner ist diese Ausgangslage nicht gerade optimal: Erstens spricht nun vieles dafür, dass ihre richterliche Einschätzung durch den OGH zumindest in bezug auf bestimmte Teile des Verfahrensgegenstandes ins Wanken gebracht wird. Und zweitens muss sie während ihrer aktiven Zeit als Justizministerin möglicherweise eine teilweise Neuaustragung jenes Verfahrens erleben, mit dem sie österreichweit bekannt wurde.

Wie der Sprecher der Generalprokuratur betonte, ist der OGH an die Rechtsansicht der Prokuratur zwar nicht gebunden. In den meisten Fällen folgt der Oberste Gerichtshof aber der Empfehlung. "Was die Generalprokuratur da meint, ist zwar noch nichts Endgültiges, aber in 90 Prozent der Fälle schließt sich der Oberste Gerichtshof den Stellungnahmen der Generalprokuratur an", zitiert das "Wirtschaftsblatt" einen Wiener Rechtsexperten.

Unklare Lage bei Betrug und Bilanzfälschung

"Es sind vor allem Mängel an den Feststellungen, die uns veranlasst haben, bei allen Angeklagten die Aufhebung des Strafausspruchs zu empfehlen", erläuterte der Sprecher der Generalprokuratur, Wilfried Seidl. Während bei Elsner die Urteilsfeststellungen zum Untreue-Komplex großteils nachvollziehbar sind, sieht das beim Betrugsfaktum - Elsner soll sich bei der Bawag eine Pensionsabfindung von 6,8 Millionen Euro erschlichen haben - und der diesem ebenfalls angelasteten Bilanzfälschung anders aus. "Wir sind der Meinung, dass bei Elsner das Urteil jedenfalls in diesen beiden Punkten aufzuheben wäre", sagte Behördensprecher Seidl.

Auf die Strafhöhe hätte das allerdings vermutlich keine großen Auswirkungen: Für die Generalprokuratur steht außer Frage, dass Elsner bei einem vom Erstgericht angenommenen Schaden von 1,72 Milliarden Euro, jedenfalls für den Verlust von 1,4 Milliarden Euro verantwortlich ist. Von insgesamt 18 Untreue-Fakten sind laut Prokuratur 14 "wasserdicht". Nur vier wären aufzuheben. Die Generalprokuratur bestätigt auch den inkriminierten Tatzeitraum 1995 bis 2000 und damit die Verluste in der ersten Spekulationsphase, das "Nachschießen" und schließlich die Uni-Bonds-Verluste.

Seperate Verhandlung nötig?

Sollte der Oberste Gerichtshof der Generalprokuratur folgen, würde somit bei Elsner die Untreue weitgehend bestätigt werden. Die Staatsanwaltschaft müsste dann entscheiden, ob es angesichts der vergleichsweise geringen Schadenssumme noch notwendig ist, die in Zweifel stehenden Randbereiche separat neu zu verhandeln. Theoretisch könnte darauf aus verfahrensökonomischen Gründen verzichtet werden. Ähnliches gilt für Zwettler - bei einem ihm vom Erstgericht zugeschriebenen Schaden von 967 Millionen Euro sind laut Generalprokuratur 635 Millionen "wasserdicht" - und Nakowitz. In jedem Fall wären für alle drei die Strafen neu festzusetzen.

Anders liegt der Sachverhalt bei den restlichen Bawag-Vorständen. Gegen die müsste - vorausgesetzt, der OGH teilt die Ansicht der Prokuratur - zur Gänze neu verhandelt werden. Ein neuerliches "Mammutverfahren" wäre dabei aber nicht zwangsläufig zu erwarten - die Ex-Vorstände Christian Büttner, Josef Schwarzecker und Hubert Kreuch waren nur in eine kurze Phase eingebunden.

Bandion-Ortner zeigt sich gelassen

In einer ersten Reaktion auf die kritische Stellungnahme der Generalprokuratur hat sich Bawag-Richterin und VP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ungerührt gezeigt. "Ich sehe dem gelassen entgegen, der OGH muss das entscheiden", sagte die damalige Vorsitzende des Schöffensenats im Mittagsjournal des ORF-Radio. Bei einem derart großen Verfahren könne man nicht erwarten, dass alle Teile des Urteils halten, meinte die Ministerin. "Wenn Teile aufgehoben werden, dann ist es eben so".

"Jeder Richter will, dass seine Urteile halten", gestand sie ein. Immerhin seien auch "sehr wichtige Teile" des Urteils von der Generalprokuratur nicht beanstandet worden, verteidigte sie die Urteile. "Man kann nicht erwarten, dass in so einem riesigen Verfahren keine Fehler passieren", so die Ministerin. "Wichtig ist, dass in wesentlichen Teilen das Urteil hält".

Elsner seit 2007 in U-Haft

Elsner sitzt seit seiner Überstellung von Frankreich nach Österreich am 13. Februar 2007 in U-Haft. Seine Mitangeklagten befinden sich alle auf freiem Fuß. Alle Urteile sind nicht rechtskräftig, es gilt die Unschuldsvermutung.

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