"Nicht höhere Anforderung stellen als an andere Richter"

"Nicht höhere Anforderung stellen als an andere Richter"(c) APA (Roland Schlager)
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Justizministerin Bandion-Ortner gerät in die Kritik. Wilfried Seidl, Sprecher der Generalprokuratur, will aber nicht von einem "Fiasko" sprechen. Auch anderen Richtern seien schon Mängel in ihren Urteilen passiert.

Die Kritik der Generalprokuratur am Bawag-Urteil könnte dem in U-Haft sitzenden Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner eine baldige Freilassung bringen. Diese Hoffnung vertrat seine Ehefrau Ruth Elsner Dienstagabend beim "Runden Tisch" des ORF-Fernsehens. Rechtsanwalt Manfred Ainedter stützte diese Ansicht: Da nun in Folge der Mängelrügen am Urteil möglicherweise die Strafe herabzusetzen sei, werde die Verhältnismäßigkeit der "fragwürdigen U-Haft" erneut ein Thema. "Man kann sich schon Hoffnungen machen, dass er aus der U-Haft entlassen wird", meinte Ainedter.

"Bawag-Urteil war ein Fehlurteil"

Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, erläuterte, dass die Entscheidung über die Haftsache grundsätzlich beim Erstgericht liege. Derzeit sei das Oberlandesgericht (OLG) am Zug, um über Elsners Beschwerde gegen eine Verweigerung des Hausarrests mit elektronischer Überwachung (Fußfessel) zu entscheiden. Das Gericht müsse prüfen, ob sich neue Aspekte für die Verhältnismäßigkeit der U-Haft ergeben haben.

Elsner sitzt seit Februar 2007 in Wien in U-Haft, als einziger der neun Angeklagten im Bawag-Prozess musste bisher nur er hinter Gitter. Ihr Mann habe die Kritik der Prokuratur am Bawag-Urteil mit Freude gehört, schilderte Ruth Elsner. "Der heutige Tag ist für uns eine gewisse Bestätigung, dass das Bawag-Urteil ein Fehlurteil war."

Generalprokuratur will nicht von "Fiasko" sprechen

Dass die Generalprokuratur im von der nunmehrigen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ausgefertigten Bawag-Urteil grobe Mängel festgestellt hat und die teilweise Aufhebung der Urteile sowie bei sechs Angeklagten überhaupt eine neue Verhandlung empfiehlt, wurde von den Diskutanten unterschiedlich bewertet. Wilfried Seidl, Sprecher der Generalprokuratur, will die Mängelrügen nicht als "unüblich" bezeichnen, weil es kein vergleichbares Verfahren in diesem Umfang gebe. "Dass man es grundsätzlich besser machen hätte können, unserer Ansicht nach, liegt auf der Hand."

Von einem "Fiasko" könne man aber nicht sprechen, auch anderen Richtern seien schon Mängel in ihren Urteilen passiert: "Man soll an eine Ministerin nicht höhere Anforderungen stellen als an andere Richter."

Ruth Elsner: Urteil brachte Bandion-Ortner Ministerposten

Ruth Elsner verwies auf den Karrieresprung der Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner zur Justizministerin und von Bawag-Staatsanwalt Georg Krakow zu ihrem Kabinettschef: Es sei ja nicht irgendein Urteil, sondern eines, durch das die Richterin und der Staatsanwalt in die höchsten Ämter des Landes gehoben wurden. "Wo ist das Eingeständnis der Frau Minister, für ihre Fehler auch geradezustehen?"

Sektionschef Pilnacek warf sich für seine Ministerin in die Bresche: Die Generalprokuratur empfehle ja eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils bezüglich 1,4 Milliarden Euro Schadenssumme, der kritisierte Urteilsteil betreffe nur 300 Millionen Schaden (beim Untreue-Vorwurf gegen Elsner, Anm.). Außerdem habe Bandion-Ortner das Bawag-Verfahren ja nicht politisch ausgenutzt, zeigte er sich überzeugt: "Es gibt für mich keinen Anlass zu glauben, dass die Frau Bundesminister von diesem Verfahren irgendwie politisch profitiert hätte." Bei den Kritikern von Bandion-Ortner sieht der Spitzenbeamte einen "Neidkomplex". Man solle bei der Diskussion die Richterin von der Ministerin trennen, "beides zu verquicken tut der Justizpolitik nicht gut".

Bandion-Ortner kam nicht

Anwalt Ainedter vermutet einen "gewissen Zeitdruck" für Bandion-Ortner, der es offenbar angesichts ihrer bevorstehenden Minister-Angelobung nicht gelungen sei, innerhalb eines halben Jahres ein mängelfreies Urteil auszustellen. "Es ist schon ungewöhnlich, dass die Prokuratur in einem so großen Verfahren Aufhebungen empfiehlt", meinte er. "Wenn so erhebliche Mängel im Urteil gerügt werden, hat das Gewicht." In der Regel folge der OGH der Prokuratur. Der ganze Vorgang sei letztlich ein Beweis für das Funktionieren der Justiz.

Sowohl Bandion-Ortner als auch Krakow seien vom ORF zur Diskussion eingeladen worden, wollten aber nicht kommen, erläuterte Moderatorin Ingrid Thurnher.

(APA)

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