Elsner sieht "Skandal," Freilassung rückt näher

(c) Michaela Bruckberger
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Die Generalprokuratur fordert die Aufhebung von Teilen des Elsner-Schuldspruches und die Neubemessung der Strafe. Elsners Chancen auf Freilassung sind gestiegen, da vieles für eine Reduzierung der Strafe spricht.

"Die Stellungnahme der Generalprokuratur spricht für sich selbst. Damit wird der Prozess endgültig zum Skandal. Wie bekannt ist, war es immer meine Meinung, dass das Urteil so nicht halten kann. Die Zeit der Aufklärung hat begonnen." Diese Stellungnahme überbrachte Jürgen Stephan Mertens, einer der Anwälte von Helmut Elsner (75), nach einem Besuch bei dem seit bald vier Jahren in U-Haft sitzenden früheren Bawag-Chef. Die Generalprokuratur, angesiedelt beim Obersten Gerichtshof als eine Art Hüterin des Rechts, fordert, wie berichtet, die Aufhebung von Teilen des Elsner-Schuldspruches. Und die Neubemessung der Strafe. Vieles spricht dafür, dass diese reduziert wird. Daher sind auch Elsners Chancen auf eine Freilassung gestiegen.

Ankläger setzen – noch – auf Härte

U-Haft muss in Relation zu der zu erwartenden Strafhaft stehen. Erstinstanzlich erhielt Elsner neuneinhalb Jahre Gefängnis. Ob der Oberste Gerichtshof (OGH) der Forderung der Prokuratur folgt, ist offen. Klar ist, dass die Rechtshüterin eine Aufhebung der Verurteilung wegen Bilanzfälschung – und zwar wegen möglicher Verjährung – und ebenfalls eine Aufhebung des Schuldspruches wegen schweren Betruges (Elsner soll sich seine Pensionsabfindung erschlichen haben) wünscht. Ein Großteil der Untreue-Verurteilung soll aufrechtbleiben, ein anderer Teil jedoch beseitigt werden – das Ganze wird am 22. und 23. Dezember vom OGH in öffentlicher Sitzung geprüft.

Auch wenn nun eine Strafreduktion absehbar ist, bleibt die Staatsanwaltschaft Wien noch hart. „Wir werden von uns aus den U-Haft-Antrag nicht zurückziehen“, sagte Leiterin Maria-Luise Nittel am Mittwoch. Denn: „Noch ist aus unserer Sicht keine Unverhältnismäßigkeit gegeben.“ Mertens will nun die Staatsanwaltschaft „zwingen“, sich genauer mit der Frage der zeitlichen Relation zwischen der überlangen U-Haft wegen Fluchtgefahr und der realistischerweise drohenden Haftstrafe zu beschäftigen. Wie? Die Anwälte werden wieder einen Antrag auf Enthaftung einbringen. Und das, obwohl über den letzten Antrag noch nicht einmal abschließend entschieden wurde. Dieser wurde zwar abgeschmettert, liegt nun aber noch beim Oberlandesgericht (OLG). Die Chance, dass der zuständige OLG-Senat eine Kehrtwendung macht, ist aber sehr gering.

Schon bisherige Anträge wurden kompromisslos abgewiesen – aktuell ging es um die Frage, ob Elsner von seinem Haftraum in den elektronisch überwachten Hausarrest (Fußfessel) „übersiedeln“ darf, im Klartext: Ob er endlich in sein umstrittenes City-Penthouse wechseln darf. Der Haftrichter sagte „Nein“. Nun ist eben das OLG am Zug.

Abgesehen davon bestätigt auch ein weiterer Elsner-Anwalt, der Verteidiger-Routinier Karl Bernhauser, dass ein neuer – im Lichte der Weichenstellung der Generalprokuratur gestellter – Antrag auf Freilassung in Kürze eingebracht werde. Geht dieser Vorstoß auch schief, darf Elsner immer noch auf ein Weihnachtsgeschenk hoffen. Wenn der OGH am 23. Dezember die Strafe tatsächlich senkt, will Bernhauser bereits einen weiteren Enthaftungsantrag in der Tasche haben. Mit viel gutem Willen des Haftrichters könnte Elsner dann den Heiligen Abend mit seiner – unermüdlich kämpfenden – Ehefrau Ruth verbringen.

Zur Person

Helmut Elsner (geb. 12. Mai 1935) war bis 2003 Chef der Bawag, die damals im Eigentum des ÖGB stand. Als zentrale Person des Bawag-Skandals, in dessen Verlauf die Bank rund 1,7 Milliarden Euro durch Wertpapiergeschäfte verlor, wurde er 2008 zu zweieinhalb sowie neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt (zweiteres Urteil nicht rechtskräftig). Seit bald vier Jahren sitzt der herzkranke Elsner in Untersuchungshaft. Er hofft, nun bald in den elektronisch überwachten Hausarrest „übersiedeln“ zu dürfen oder ganz frei zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2010)

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