Bawag-Verfahren: Flöttl möglicherweise straffrei

Anwaelte kuesst nicht Spekulant
Anwaelte kuesst nicht Spekulant(c) Michaela Bruckberger
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Investmentbanker Wolfgang Flöttl hat nun Chancen, ganz ohne Strafe aus dem Bawag-Verfahren auszusteigen. Die Generalprokuratur ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der gesamte Flöttl-Schuldspruch aufzuheben sei.

Starverteidiger Herbert Eichenseder hat nichts dagegen, dass einer seiner bekanntesten Klienten im fernen Ausland wohnt. „Wolfgang Flöttl ist in New York, wäre er hier, hätte er mich geküsst“, erklärte der Anwalt bereits am Dienstag – und das mit dem Ausdruck einer gewissen Erleichterung. Flöttls Hochstimmung hielt natürlich auch am Mittwoch, dem Tag zwei nach dem spektakulären Rechtsgutachten der Generalprokuratur in Sachen Bawag-Prozess an. Und sie kommt nicht von ungefähr: Der im Big Apple, in der Park Avenue, beheimatete 55-jährige Investmentbanker und Hochrisiko-Spekulant hat nun wirklich gewisse Chancen, ganz ohne Strafe aus dem Bawag-Verfahren auszusteigen.

Die Generalprokuratur ist, wie berichtet, bei Prüfung der von Eichenseder in Flöttls Namen eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu einem spektakulären Ergebnis gekommen: Der gesamte Flöttl-Schuldspruch – zweieinhalb Jahre Haft wegen Untreue, zwei Drittel der Strafe auf Bewährung – sei aufzuheben. Eine Neuaustragung des Prozesses sei vom Obersten Gerichtshof in nicht-öffentlicher Sitzung anzuordnen. Eichenseder bestätigt: „Die Generalprokuratur hat gesagt, das Urteil sei zu ,kassieren‘.“

Dämpfer auch für Ex-Ankläger Krakow

Und: Hinsichtlich jener Teile, in denen schon in der ersten Instanz, unter dem Vorsitz der damaligen Richterin und nunmehrigen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, Freisprüche ergingen, stimme das Ersturteil. So solle es eben nur in jenen zwei Punkten, in denen eine Verurteilung erfolgte (angeklagte Schadenssumme nach Spekulationsgeschäften mit Bawag-Geldern: 588 Millionen Euro), laut Prokuratur heißen: Zurück an den Start. Wann steht noch nicht fest. „Aber ich bin guter Hoffnung“, sagt Eichenseder. Das kann er auch sein, da sein damaliger Widerpart im Prozess, Oberstaatsanwalt Georg Krakow, der gegenwärtige Chef des Kabinetts im Justizministerium, mit seinen Rechtsmitteln erfolglos bleiben dürfte. Krakow hatte in jenen Teilbereichen, in denen der einstige „Haus- und Hofspekulant“ der Bawag als schuldlos erkannt worden war, eine Bestrafung verlangt. Die Generalprokuratur sagt nun aber, dies sei verfehlt – womit nicht nur Bandion-Ortner sondern auch der frühere Ankläger einen herben Dämpfer einstecken muss. Natürlich nur, soferne der Oberste Gerichtshof den Forderungen der Prokuratur nachkommt. Diese sagt, der staatsanwaltlichen Nichtigkeitsbeschwerde komme „Berechtigung nicht zu“. Von einer „Scheinbegründung“ im Umfang der vom Freispruch umfassten Punkte könne keine Rede sein.

Nun rechnet sich Eichenseder gute Chancen aus, in einem neuen Prozess einen glatten Freispruch zu erkämpfen: „Im Ersturteil wurden keine Feststellungen zur Wissentlichkeit getroffen – man hätte Flöttl nur verurteilen dürfen, wenn man sagt: Der wusste, dass die Bank Gaunereien macht, indem sie ihm das Geld anvertraut.“ Oder es kommt gar nicht mehr zu einem zweiten Prozess – dann nämlich wenn die Staatsanwaltschaft nach einer Aufhebung des Ersturteils einen Rückzieher macht – und auf die weitere Verfolgung verzichtet. In dem Fall muss Eichenseder jedenfalls mit Küssen seines Mandanten rechnen.

Zur Person

Wolfgang Flöttl (geb. 1. Oktober 1955) war einer der Angeklagten im Bawag-Prozess. Der Investmentbanker soll Geld der damals noch gewerkschaftseigenen Bank bei Hochrisikogeschäften verspekuliert haben. In erster Instanz wurde er zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Untreue – zwei Drittel davon auf Bewährung – verurteilt. Mit der Empfehlung der Generalprokuratur an den OGH, den Prozess neu auszutragen, könnte der in New York lebende Flöttl nun einen glatten Freispruch erkämpfen und damit gänzlich straffrei aussteigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2010)

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