Bawag-Urteil als Maßstab für Postenvergabe?

BawagUrteil Massstab fuer Postenvergabe
BawagUrteil Massstab fuer Postenvergabe(c) Michaela Bruckberger
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Gerichtsinterna. Die Besetzung eines Vizepräsidenten-Postens beim Obersten Gerichtshof steht an: Ein Bewerber ist Richter im Bawag-Verfahren. Die Justizministerin – früher Bawag-Richterin – entscheidet.

[WIEN] Während Helmut Elsner seinen Kampf um die Freilassung aus der U-Haft weiterführt, kommt es hinter den Kulissen zu einer eigentümlichen Konstellation: Der Präsident jenes Senats, der am 23. Dezesmber in zweiter Instanz über das Bawag-Urteil entscheidet, will Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes (OGH) werden. Daher bewirbt sich Senatspräsident Thomas Philipp bei Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Diese hat aber seinerzeit als Richterin im Bawag-Verfahren das erstinstanzliche Urteil selber geschrieben.

Und es ist anzunehmen, dass dieses Urteil (insgesamt wurden neun Personen schuldig gesprochen) bei den OGH-Gerichtstagen am 22. und am 23. Dezember ziemlich „zerpflückt“ wird. Dennoch hat Bandion-Ortner über den beruflichen Werdegang eben dieses Senatspräsidenten zu entscheiden, der sich nun gerade mit dem Bawag-Urteil beschäftigt.

Prokuratur zerpflückt Urteil

Die beim OGH eingerichtete Generalprokuratur (gleichsam die als „Hüterin“ des Rechts eingerichtete oberste Anklagebehörde) fordert eine teilweise Aufhebung des von Bandion-Ortner ausgefertigten Urteils. Hält sich der OGH, eben der fünfköpfige Senat von Präsident Philipp, an die Ansicht der Generalprokuratur (konkret an jene des Ersten Generalanwalts Erich Weiß), so müssten bei gleich sechs der neun Verurteilten die Schuldsprüche zur Gänze aufgehoben werden. Und es müsste dementsprechend eine neue Verhandlung ausgeschrieben werden.

Im Fall Helmut Elsner müsste die Verurteilung in zwei Bereichen (schwerer Betrug, Bilanzfälschung) aufgehoben werden. Bei der Untreue, also dem mutmaßlichen „Verspielen“ von Bawag-Spekulationsgeldern, ist die Generalprokuratur mit der Einschätzung der damaligen Prozessvorsitzenden Bandion-Ortner in 14 von 18 Punkten einverstanden.

Doch sollte sich laut Prokuratur die Schadenssumme von 1,7 auf 1,4 Milliarden Euro reduzieren. Dies wiederum müsse, so heißt es, zu einer „Aufhebung des Strafausspruchs“ führen. Der 75 Jahre alte frühere Bawag-Generaldirektor hat demnach intakte Chancen, dass seine erstinstanzliche Strafe von neuneinhalb Jahren Gefängnis gesenkt wird.

Folgt nun der zuständige OGH-Senat den Forderungen der Prokuratur – und davon gehen die meisten Anwälte der Verurteilten aus –, so muss also jener ranghohe Richter mit seiner Bewerbung vor die Ministerin treten, deren Bawag-Urteil er gleichsam „auseinander“ nimmt. Unter den Gesichtspunkten absoluter Objektivität ist dies wohl eine für beide Seiten bedenkliche Situation. Wenngleich der Senatspräsident selber – ganz den OGH-Usancen entsprechend – nicht derjenige ist, der die Entscheidung für den 23.  Dezember aufbereitet. Dies ist Aufgabe einer zuvor ausgewählten sogenannten Berichterstatterin.

Neubesetzung nach Todesfall


OGH-Sprecher Kurt Kirchbacher sagt auf Fragen der „Presse“ zu der Problematik: „Da eine Bewerbung zum Vizepräsidenten des OGH nicht unsere Angelegenheit, sondern in erster Linie Angelegenheit des Justizministeriums ist, geben wir dazu keine Stellungnahme ab.“ Das Prozedere: Wer Vizepräsident (oder Präsident) des OGH werden will – grundsätzlich gibt es am OGH einen Präsidenten bzw. eine Präsidentin und zwei Vizepräsidenten –, bewirbt sich beim Justizministerium. Dieses trifft dann eine Auswahl und erstattet einen Vorschlag an den Bundespräsidenten, der das letzte Wort hat.

Derzeit wird der im Wiener Justizpalast angesiedelte OGH von Präsidentin Irmgard Griss geführt. Vizepräsident ist Ronald Rohrer. Die zweite Vizepräsidenten-Stelle, die nun nachbesetzt wird, wurde aufgrund eines tragischen Autounfalls vakant. OGH-Vizepräsident Josef Gerstenecker ist am 13. Juni des heurigen Jahres 2010 mit dem Auto tödlich verunglückt.

Justizressort: Hearing ungewiss

Im Justizministerium wies man nun darauf hin, dass es mehrere Bewerber gebe. Die Postenbesetzung erfolge auf Grundlage der geltenden Regelung. Ob es ein Hearing der einzelnen Bewerber geben werde oder ob man allein aufgrund dienstlicher Beurteilungen zu einem Ergebnis komme, stehe noch nicht fest. Wenn es ein Hearing geben sollte, sei noch festzulegen, ob dieses vor oder nach Verkündung des OGH-Entscheids stattfindet.

("Die Presse" Printausgabe vom 12. 11. 2010)

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