Die „Mutter aller Urteile“ als weihnachtliche Bescherung

Countdown. Für Helmut Elsner könnte die kurz vor Weihnachten anstehende OGH-Entscheidung (23.12.) im Bawag-Verfahren zu einer ganz besonderen Bescherung werden: Er dürfte seiner Freilassung sehr nahe kommen.

[wien]Im Februar 2011 werden es ganze vier Jahre, solange sitzt Helmut Elsner dann wegen Fluchtgefahr in U-Haft. Nicht weniger als 16 Anträge auf Freilassung wurden bisher abgewiesen. Doch die Terminplanung des Obersten Gerichtshofes könnte dem 75-Jährigen zu einem Weihnachtsgeschenk der besonderen Art verhelfen. Reduziert der Oberste Gerichtshof die neuneinhalbjährige Haftstrafe, so könnte die lange U-Haft unverhältnismäßig werden (das heißt: eine vernünftige Relation zur Strafhaft wäre nicht mehr gegeben). Fazit: Die Freilassung stünde unmittelbar bevor.

Wie kommt es nun zu jenem Höchstrichter-Urteil, das in Justizkreisen bereits als die „Mutter aller Urteile“ tituliert wird? Derzeit ist der zuständige aus fünf Richtern bestehende OGH-Senat in der Endphase der Meinungsbildung. Gestützt auf das (der „Presse“ vorliegende) 328 Seiten starke „Croquis“ (eine Art Rechtsgutachten) der Generalprokuratur wird jenes Urteil diskutiert, welches am 23. Dezember im Justizpalast verkündet wird.

Hinter verschlossenen Türen

Dabei maßgeblich ist das seit Monaten laufende Aktenstudium der „Berichterstatterin“. Diese muss den monströsen Bawag-Akt möglichst genau kennen, um dem Senatspräsidenten einen Urteils-Entwurf vorzulegen. Auf dieser Basis wird das Endurteil ausgefertigt.

Im Bawag-Verfahren steht nun zweierlei bevor: Erstens wird zur Entscheidung über sechs erstinstanzlich Verurteilte ein nicht-öffentlicher Gerichtstag anberaumt. Dies geschieht auf Empfehlung der Prokuratur, da diese in besagten sechs Fällen das Ersturteil für so mangelhaft hält, dass sie eine Neuaustragung des Prozesses verlangt. Wann dieser nicht-öffentliche Gerichtstag stattfindet, kann und will der Sprecher des OGH, Kurt Kirchbacher, nicht verraten.

Bei drei Verurteilten, nämlich bei Elsner, Ex-Bawag-Chef Johann Zwettler und Ex-Bawag-Vorstand Peter Nakowitz, kommt den Nichtigkeitsbeschwerden der Verteidiger zumindest „teilweise Berechtigung“ zu. Hier ist die Prokuratur nicht für eine generelle Aufhebung der Urteile, sondern eben für einen öffentlichen Gerichtstag. Da dieser äußerst langwierig verlaufen könnte, hat der OGH gleich zwei Termine kurz vor dem Heiligen Abend, 22. und 23. 12., anberaumt.

Möglich ist, dass der OGH dann die Urteile für Elsner, Zwettler und Nakowitz teilweise bestätigt und einen Rest der Vorwürfe aufhebt. Trotzdem muss es dann für diesen „Rest“ keinen neuen Elsner-Prozess mehr geben, da die Staatsanwaltschaft auf eine neuerliche Verfolgung der Hauptangeklagten verzichten könnte. m.s.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2010)

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