Bawag-Gelder: Gutachter bestreitet Totalverlust

BawagGelder Gutachter bestreitet Totalverlust
BawagGelder Gutachter bestreitet Totalverlust(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Sind die von Wolfgang Flöttl veranlagten Bawag-Spekulationsgelder wirklich zur Gänze verloren? Für einen von der Elsner-Verteidigung bestellten Gutachter ist dieses Szenario extrem unwahrscheinlich.

Wien. Wo ist das Geld? Diese Frage war schon während des Bawag-Prozess in den Jahren 2007 und 2008 allgegenwärtig. Der damals gerichtlich bestellte Gutachter Fritz Kleiner hatte die Angaben des angeklagten Spekulanten Wolfgang Flöttl, wonach ein „Totalverlust“ eingetreten sei, als nachvollziehbar eingestuft. Genau dieser Totalverlust wird nun aber bestritten. Der Gutachter Oliver Lintner meint, dass die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlusts für das Jahr 2000 bei exakt 0,000015 Prozent gelegen ist.

Zur Erklärung: Flöttl nahm Mitte der 1990er-Jahre seine Spekulationsgeschäfte für die Bawag wieder auf. Allerdings ohne Erfolg: Bis zur dritten und letzten großen Verlusttranche im Jahr 2000 wuchs der Schaden für die Bank stetig an. Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner, Flöttls Auftraggeber, wird laut dem – bis heute nicht rechtskräftigen – Urteil für einen Untreue-Schaden von 1,72 Milliarden Euro verantwortlich gemacht.

Flöttl war von der Anklage als Beitragstäter für einen Untreueschaden von 588 Millionen Euro verantwortlich gemacht worden, im Urteil wurde der strafrechtlich relevante Anteil auf 96,6 Millionen Euro reduziert. Die letzten großen Verluste soll Flöttl eben im Jahr 2000 eingefahren haben. Damals zeichnete er Bonds (Anleihen) im Gesamtvolumen von (umgerechnet) mehr als 400 Millionen Euro.

Das am Donnerstag von Ruth Elsner präsentierte Gutachten bezieht sich nun auf diese Bonds („Uni-Bonds“, benannt nach berühmten Universitäten). Lintner schreibt darin unter Bezugnahme auf das Jahr 2000: „Ein Totalverlust [...] der ,Uni-Bonds‘ ist angesichts der Offering Memoranda, der Wertbestätigungen und der Risikokennzahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.“

Financier des Gutachtens? „Privatsache!“

Lintner ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Börsen- und Bankwesen. Er führt eine Wertpapierfirma und ist seit 1992 auf Finanzmärkten tätig. Sein Gutachten – genau genommen handelt es sich um ein erstes Teilgutachten – wurde von Jürgen Stephan Mertens, einem der Anwälte von Elsner, in Auftrag gegeben. Auf die „Presse“-Frage, wer die Expertise finanziert habe, antwortete Ruth Elsner: „Das ist Privatsache.“

Totalverlust oder nicht? Der seinerzeitige Gerichtsgutachter Kleiner hatte im Prozess erklärt: „Flöttl hat das (von der Bawag zur Verfügung gestellte, Anm.) Kapital nicht missbräuchlich verwendet, und er hat alle Transaktionen korrekt abgerechnet.“ Apropos abrechnen: Dass letztlich die Handelsdaten vieler Flöttl-Deals durch ein Computerproblem verloren gegangen seien, hält Gutachter Lintner für „irrelevant“. Es müsse bei derartigen elektronisch getätigten Geschäften einen „unabhängigen Administrator“ geben, der alles gespeichert habe.

Aber zurück zum Prozess: Dort bestätigte Gerichtsgutachter Kleiner zwar die Verluste, dennoch bekam Flöttl massive Kritik ab. Flöttl sei ein extremes Risiko eingegangen. Auch habe er seine Strategie, auf einen steigenden Dollar im Vergleich zu einem fallenden Yen zu setzen, zwei Jahre lang unbeeinflussbar stur durchgezogen. Dabei habe er offenbar jede Übersicht verloren.

Welche Konsequenzen sollen nun gezogen werden? Hier wagt sich Ruth Elsner so weit hinaus wie nie zuvor: „Ich fordere, dass Flöttl (er lebt in New York, Anm.) wegen Fluchtgefahr verhaftet wird, und dass Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und Kabinettschef Georg Krakow wegen Verdunklungsgefahr verhaftet werden.“ Bandion-Ortner, einst Bawag-Richterin, und Krakow, früher der zuständige Staatsanwalt, hätten es pflichtwidrig unterlassen, dem Verbleib der Gelder nachzugehen. Hätten sie dies erforscht, wäre möglicherweise herausgekommen, dass gar keine Untreue vorliege.

In dieser Form lässt sich dies wohl nicht sagen. Denn auch die Generalprokuratur hat in ihrer Rolle als „Hüterin“ des Rechts in einer langen Stellungnahme zu den Rechtsmitteln gegen die Urteile (Elsner erhielt neuneinhalb Jahre Haft, Flöttl zweieinhalb Jahre teilbedingt) festgehalten: Eine Verurteilung wegen Untreue setze keineswegs voraus, dass das Gericht den Verbleib der Gelder dokumentiert. Am 23.Dezember wird der Oberste Gerichtshof über die Rechtsmittel von Elsner und Co. entscheiden.

Auf einen Blick

Ruth Elsner, kämpferisch wie nie zuvor: Mit der Faust auf den Tisch schlagend forderte sie am Donnerstag vor einer ausgewählten Journalistenrunde die Verhaftung von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Und zwar „wegen Verdunklungsgefahr“. Die frühere Bawag-Richterin habe es unterlassen, der Spur der verlorenen Bawag-Gelder zu folgen. Seitens des Justizressorts gibt es dazu keine Stellungnahme. Laut Generalprokuratur ist es nicht erforderlich, dass vor einer Untreue-Verurteilung der genaue Verbleib der Untreue-Gelder dokumentiert wird. [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2010)

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