Buwog-Abhörprotokolle als Stolperstein für Bandion?

BuwogAbhoerprotokolle Stolperstein fuer Bandion
BuwogAbhoerprotokolle Stolperstein fuer Bandion(c) Michaela Bruckberger
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Justizministerin Claudia Bandion-Ortner macht die Affäre um den Bundeswohnungsverkauf zur Chefsache. Möglicherweise zu spät, denn die Vergangenheit als Bawag-Richterin könnte sie einholen.

Wien. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner macht nach dem Auftauchen von Telefonprotokollen, die Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und dessen Freunde Walter Meischberger und Ernst Karl Plech schwer belasten, die Buwog-Affäre zur Chefsache. Sie fordert den gesamten Bericht über die Affäre rund um die Buwog-Privatisierung an. Sie wolle sichergehen, „dass hier alles aufgeklärt wird“.

1. Reagiert Bandion-Ortner nicht zu spät?

Mit dieser Aktion komme die Ministerin noch mehr in die Schusslinie, meinen Kritiker. Sie agiere nicht in den großen Wirtschaftskriminalfällen von Buwog über Immofinanz bis zu Hypo und Meinl, sondern reagiere nur, wenn der öffentliche Druck extrem groß sei, heißt es. Über ihren Verbleib als Justizministerin wird schon am Donnerstag entschieden – sollte der Oberste Gerichtshof die Urteile im Fall Bawag aufheben.

2. Die Telefonate erfolgten im Februar. Was passierte seither?

Jedenfalls sehr viel, wie sich die Staatsanwaltschaft Wien verteidigt. Es wurden 53 Einvernahmen von Beschuldigten durchgeführt, rund 100 Zeugen befragt, Hausdurchsuchungen an rund 30 Standorten im In- und Ausland durchgeführt, 40Bankkonten geöffnet und rund 5000 Telefongespräche überwacht. Das sichergestellte Datenmaterial umfasst das gigantische Ausmaß von 22Terabyte. Zum Vergleich: Auf diesem Speicherplatz hätte die Bibliothek des US-Kongresses zweimal Platz. Die Telefonprotokolle seien lediglich ein Teilaspekt der Ermittlungen, die aufgrund neuer Anhaltspunkte ausgeweitet wurden, sagt Thomas Vecsei, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien.

3. Warum wurde keine U-Haftverhängt?

Dafür sind ein dringender Tatverdacht und Haftgründe notwendig. In diesem Fall wäre der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr logisch gewesen. Dass sich die Staatsanwaltschaft dagegen entschieden hat, hat zwei Gründe: Zum einen ist bei Verdunkelungsgefahr – im Gegensatz zu Fluchtgefahr und Tatbegehungsgefahr – die U-Haft gesetzlich auf zwei Monate begrenzt, zu kurz, um die Causa komplett aufzuklären. Zum anderen bekommt ein Untersuchungshäftling sofort volle Akteneinsicht – dieser Vorteil für die Beschuldigten sollte aus kriminaltaktischen Gründen vermieden werden. Möglicherweise hat man auch auf weitere Telefonate gehofft.

4. Warum ist die Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht eingebunden?

Die Buwog-Affäre wurzelt im Jahr 2004/05. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde erst 2009 gegründet und darf rückwirkend keine alten Fälle bearbeiten. Eingebunden ist sie aber in dem Punkt, in dem es um den „Kauf“ von Informationen ging. Ein Staatspolizist namens „Horst“, der laut Meischberger „mehr oder weniger“ der Schwiegersohn des FPÖ-Politikers Reinhart Gaugg sein soll, soll gegen Geld Informationen aus der Staatsanwaltschaft angeboten haben. Außerdem soll er mit Kontakten zu einer Staatsanwältin geprahlt haben. Aus den Protokollen geht hervor, dass Meischberger diesem Angebot nicht abgeneigt war. „Habe einmal Bereitschaft signalisiert, dass ma mit dem in Verhandlung treten könnte“, sagte Meischberger am 2.Februar 2010 zu Plech.

5. Was ist seither in diesem Verfahren geschehen?

Die Ermittlungen wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen unbekannt sind abgeschlossen, sagt Friedrich Koenig, der Sprecher der Korruptionsstaatsanwaltschaft, zur „Presse“. Ob jetzt Anklage erhoben werde, sei allerdings noch offen.

6. Warum hat Meischberger die Telefonate überhaupt geführt?

Der Lobbyist wollte sich auf seine polizeiliche Einvernahme vorbereiten. Dass er über heikle Themen locker am Telefon plauderte, scheint tatsächlich überraschend, hält doch Meischberger in seinem Tagebuch fest, dass er sich vor dem Abhören seiner Telefone fürchtete. Möglicherweise war er der irrigen Ansicht, dass anonyme Wertkartenhandys nicht abgehört werden können. Die Polizei kann sich aber, wenn sie den Aufenthaltsort des Verdächtigen kennt, mittels der erst kürzlich angeschafften „Imsi-Catcher“ in sämtliche Handytelefonate, die in unmittelbarer Umgebung geführt werden, einklinken.

7. Warum wurden die Protokolle erst jetzt veröffentlicht?

Paragraf 7c des Mediengesetzes verbietet Berichte über Tonbandaufzeichnungen, die im Rahmen von Überwachungen in Strafverfahren hergestellt wurden. Wird dies verletzt, können Betroffene eine Entschädigung bis zu 100.000 Euro erstreiten. Mit der Veröffentlichung der Protokolle in einer parlamentarischen Anfrage gilt das nicht mehr: Wahrheitsgetreue Berichterstattung aus dem Parlament ist grundsätzlich straffrei.

8. Wird das Justizministerium über Ermittlungen laufend informiert?

In Fällen, die besonders heikel bzw. öffentlichkeitswirksam sind, ist es üblich, dass die Staatsanwaltschaften sogenannte Vorhabensberichte an das Justizministerium übermitteln. Bei den Tonbandprotokollen ist das nicht erfolgt. Es habe auch keine diesbezüglichen Weisungen gegeben, erklärt Staatsanwältin Michaela Schnell der „Presse“. Das sei ganz bewusst geschehen, um sich nicht dem Vorwurf der politischen Einflussnahme bzw. der „Vertuschung“ auszusetzen.

9. Was macht Bandion-Ortner, wenn sie über Buwog/Bawag stolpert?

Die 44-jährige Juristin, die auf einem ÖVP-Ticket in der Regierung sitzt, wird sicher nicht als einfache Strafrichterin an das Landesgericht Wien zurückkehren. Sie soll sich angeblich für die offene Stelle des Präsidenten des Landesgerichts Krems interessieren. Ihr Kabinettchef, der ehemalige Wiener Staatsanwalt Georg Krakow, hat sich bereits für einen Posten in der Generalprokuratur beworben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)

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