Welt der Waffennarren: "In Glock we Trust"

Glock Trust
Glock Trust(c) AP (Don Petersen)
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Er gehört zu den 25 reichsten Österreichern. Einst stellte er Granathülsen und Vorhangringe her, dann entwickelte Gaston Glock die erfolgreichste Pistole der Welt. Nur will er nicht darüber reden.

Es war nicht die Woche des Gaston Glock. Nicht wegen des Amoklaufs in Arizona mit einer Waffe aus seiner Fabrik. Waffen töten nicht, Menschen töten, lautet das Sedativ der Waffenproduzenten. Auch nicht so sehr wegen der Geschichte mit dem Koffer voll mit drei Millionen Euro, den Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer angeblich für ihn aus Liechtenstein holte. Selbst nicht wegen der Aufregung über eine ominöse Großbaustelle auf dem Glock Horse Performance Center (GHPC) in Villach, seiner stillen Leidenschaft.

Es war die Kombination aus allem, der perfekte Sturm in der ruhigen Welt des 81-jährigen Kärntners. In dieser einen Woche wurde mehr über Gaston Glock geschrieben, als in den vergangenen fünf Jahren zusammen. Und dabei verhielten sich er, sein Unternehmen und sein Klagenfurter Anwalt wie immer: Weder zum Amoklauf noch zum Bargeld-Koffer gab es eine Stellungnahme, nur zur GHPC-Baustelle kündigte die Geschäftsführerin eine Erklärung an.

Vielleicht ist es die Art des Geschäfts, vielleicht sind es die Folgen des Mordanschlags eines einst engen Freundes, vielleicht ist es einfach nur sein Charakter: Gaston Glock, Gründer und Besitzer der Waffenfabrik Glock, meidet Medien und Öffentlichkeit, wie sie Richard Lugner sucht.

Wo Informationen fehlen, entstehen Mythen. Entsprechend viele ranken sich um den Mann, der einst Vorhangringe und Granathülsen aus Plastik herstellte, bevor er die erfolgreichste Pistole der Welt entwickelte. Angeblich mit links. Buchstäblich. Testschüsse mit den Prototypen habe Gaston nur mit seiner linken Hand abgefeuert – aus Sorge, eine Explosion könnte ihm die Hand zerfetzen. In dem Fall hätte er noch mit der Rechten weiterarbeiten können.

Als er 1982 das 17.Patent anmeldete (daher – angeblich – der Name der ersten Pistole, Glock17) bekam nicht nur das österreichische Bundesheer, das eigentlich den Anlass für die Entwicklung gab, sondern die Welt eine neue Standardwaffe. Die Pistole war in jeder Hinsicht revolutionär: Sie ist handlich, nicht sehr schwer, einfach zu zerlegen, besteht nur aus wenigen Teilen und ist daher leicht zu warten, sie ist äußerst zuverlässig und hat einen enormen Vorteil gegenüber Revolvern, die nur sechs Schuss fassen, bevor man nachladen muss: In ihr Magazin passen 17Patronen.


Lottogewinn USA. Das überzeugte nicht nur die österreichischen Auftraggeber, sondern auch die Armeen in Norwegen und Schweden, die Nato, Polizeieinheiten in Deutschland und schließlich auch die USA – der Lottogewinn schlechthin. Heute macht Glock – angeblich – in den Vereinigten Staaten zwei Drittel seines Umsatzes von mehr als 100Millionen Euro im Jahr.

Die Firma tat alles, um in den USA erfolgreich zu sein. 1995 erzählte Glock dem Magazin „Advertising Age“, man habe sich bewusst auf die Ausstattung von Polizeieinheiten konzentriert: „Wir nahmen an, dass uns das bei Verkäufen im Privatmarkt hilft.“ Den Kommunen bot man ein spezielles Eintauschprogramm an: Ein Sonderpreis für die österreichischen Pistolen, wenn sie dafür die alten Polizeiwaffen zurückgeben. Die konnte die Firma wiederum auf dem Gebrauchtmarkt verkaufen inklusive „Polizistenwaffen“-Zuschlag.

Die Strategie ist aufgegangen. Mittlerweile verwenden fast 70Prozent der amerikanischen Polizisten eine Glock – darunter das FBI, die CIA und viele Sondereinheiten. Zum Hype rund um Glock trugen ausgerechnet auch deren Gegner bei – und Hollywood. 1986 schrieb ein Kolumnist einen kritischen Kommentar über die „Plastikwaffe“ aus Österreich, die bei Kontrollen auf dem Flughafen nicht zu sehen sei und deswegen auf großes Interesse bei Terroristen stoße.

Dass das nicht stimmt – Teile einer Glock sind aus Metall und daher durchaus zu sehen –, war nebensächlich, ebenso wie ein völlig verquerer Satz von Hauptdarsteller Bruce Willis im Film „Stirb Langsam 2“: „Der Typ hat eine Glock7 auf mich gerichtet. Kennst du die? Das ist eine Waffe aus Deutschland völlig aus Keramik und unsichtbar in Röntgenmaschinen.“ Deutschland war falsch, Keramik war falsch, eine Glock7 gibt es nicht – aber es war die beste Werbung, die man sich denken kann. „Auf einmal redeten alle von der Glock“, meinte der Waffenlobbyist Robert Ricker.


Amokläufe mit Glock.
Das tun die Menschen seither in regelmäßigen Abständen – nach Amokläufen. Seung-Hui Cho, der 2007 an der Universität von Virginia 32Menschen tötete, verwendete eine Glock19. Als Steve Kazmierczak in Illinois Amok lief, tat er das mit einer Glock17. 21Menschen wurden angeschossen, fünf starben. Und als Jared Loughner vor einer Woche 33Kugeln in eine Menschenmenge in Tucson im US-Bundesstaat Arizona feuerte, hielt er eine Glock19 in der Hand mit einem speziellen Magazin, das 33Patronen fasst.

In der perversen Welt der Waffennarren sind solche Vorfälle ein Grund, ins Waffengeschäft zu gehen. „Wir verkaufen ungefähr das Doppelte unseres normalen Volumens“, erklärte Greg Wolff, Besitzer zweier Waffengeschäfte in der Nähe von Phönix (Arizona), der Nachrichtenagentur „Bloomberg“. Vor allem von der Glock19, die er um 499Dollar anbietet. Der Grund für den Ansturm: „Wenn so etwas passiert, dann sind die Menschen besorgt, dass die Waffe verboten werden könnte.“

Aus gutem Grund. Bis 2004 waren Magazine in den Vereinigten Staaten auf zehn Patronen beschränkt, dann ließ der damalige US-Präsident George Bush das Verbot auslaufen. Zwar verkauft Glock selbst keine 33-Schuss-Magazine an Privatpersonen, auf dem Markt gibt es aber etliche Nachbauten. Ob Glock zu den Firmen gehörte, die 2004 Lobbying für das Auslaufen der Beschränkungen betrieben haben, ist nicht bekannt. Der Anwalt von Gaston Glock hat mehrere Fragen, die ihm schriftlich für diesen Artikel übermittelt wurden, unbeantwortet gelassen.

Das bemerkenswerte am Erfolg der Glock ist, dass sie aus Österreich stammt. „Smith & Wesson“ – „die Waffe, die den Westen eroberte“, wie man in den USA sagt – oder „Beretta“, die einst ein Monopol auf Faustfeuerwaffen hatten, konnten der Glock trotz ihrer jahrzehntelangen Erfahrung nichts entgegensetzen. Als „Smith & Wesson“ 1994 mit einer adäquaten Antwort kam (der Pistole Sigma), deckte sie Glock mit einer Patentklage ein und gewann.

In den USA sorgt der Name Glock dafür, dass man Österreich nicht nur wegen „Sound of Music“ und Arnold Schwarzenegger kennt. Die Waffe hat eine leidenschaftliche Fangemeinde. Es gibt ein knappes Dutzend Internetforen, in denen man über seine Glock diskutieren kann; wenn man sich eine neue Pistole kauft, nennt man das „Glockmas“ (in Anspielung auf Christmas), manche feiern gar den Geburtstag von Gaston Glock (19.Juli) und das US-Staatsmotto „In God We Trust“ haben die Fans abgewandelt in „In Glock We Trust“.

Doch mit dem Erfolg geht der Kärntner Unternehmer fast schizophren um. Als Rapper in den USA begannen, in ihren Liedern von Glocks zu singen, schaltete die Firma einen Anwalt ein: Zwölf Schallplattenfirmen ließ man laut „Business Week” in einem Schreiben wissen, dass man sich gegen die Verwendung des Firmennamens in Liedern verwahre. Dahinter sei die Sorge gestanden, dass der Name Glock zu einem Synonym für eine Pistole wird. Etwas, das andere Firmen mit allen Mitteln anstreben und nur wenige erreichen (Tixo für Klebeband etwa oder Aspirin für Kopfschmerztabletten).

Der Erfolg hat Gaston Glock zu einem misstrauischen Menschen gemacht. Vermutlich trugen auch wesentlich die Erlebnisse mit seinem einstigen Geschäftspartner Charles Ewert dazu bei, der von sich sagt, er sei „wie der älteste Sohn“ Glocks gewesen. Bis zum 27.Juli 1999. An dem Tag wurde Gaston Glock von einem Maskierten mit einem Plastikhammer (es sollte wie eine Sturzverletzung aussehen) in einer Garage in Luxemburg attackiert. Zwei Mal konnte der Mann Glock auf den Kopf schlagen, bevor der damals 73-Jährige zurückschlug. Am Ende lag der Angreifer ohnmächtig auf dem Boden, Glock verlor einen Liter Blut und musste tagelang im Spital behandelt werden.

Die Tat hatte Ewert („Panama Charly“) in Auftrag gegeben, als Glock auf Unregelmäßigkeiten in seiner Geschäftsführung aufmerksam wurde. Sein früherer Freund soll ihn um Dutzende Millionen Euro betrogen haben. Das förderte nicht gerade das Vertrauen des Kärntners in die Menschen. Zu seinen wenigen Freunden zählte er den verstorbenen Papst Johannes PaulII. und für einige Zeit auch Jörg Haider, bevor er mit ihm brach.

Am liebsten, schrieb das Magazin „Forbes“ im Jahr 2003, dem Glock eines seiner wenigen Interviews gewährte, am liebsten halte er sich in einem Kellerzimmer auf, in dem er sein ganzes Haus kontrollieren könne, „bis hin zur Temperatur der Fliesen im Badezimmer“. Dass er mit einer Cessna Citation reise, erklärte der Millionär dem Magazin so: „In der Luft gibt es weniger verrückte Menschen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2011)

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