Schuldenerlass als Solidaritätsbeitrag

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Die stabilen EU-Länder sollen den Sorgenkindern einen Teil ihrer Schulden erlassen, fordert Wifo-Chef Karl Aiginger. Der Rettungsschirm müsse vergrößert werden. Auch Banken, müssten ihren Beitrag leisten.

Wien/Hie. Rettungsschirme und Sparpakete hin oder her – die Gläubiger der europäischen Krisenländer um Griechenland und Irland werden sich damit abfinden müssen, dass sie nur einen Teil ihres Geldes zurückbekommen. Das glaubt zumindest Karl Aiginger, Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo): „Es ist nicht möglich, einen Schuldenberg in dieser Höhe nur durch Sparen abzubauen“, sagte er gestern, Montag, im Klub der Wirtschaftspublizisten. „Ohne eine Schuldenreduzierung für Länder mit mehr als 100 Prozent Verschuldung geht es langfristig nicht.“ Die Voraussetzung müsse allerdings sein, dass sie sich bereits auf einem ernstzunehmenden Sparkurs befinden.

Die öffentliche Hand sollte den Erlass aber nicht alleine schultern: Auch private Gläubiger, wie etwa Banken, müssten ihren Beitrag leisten. Und: Die Kosten für diese „Solidaritätsleistungen“ dürften nicht auf die Konsumenten abgewälzt werden, zum Beispiel durch Steuererhöhungen. Stattdessen spricht sich Aiginger für eine Finanztransaktionssteuer aus.

Europa darf kein Denkmal werden

Aber mit dem Schuldenerlass ist es noch nicht getan. Auch der Euro-Rettungsschirm müsse vergrößert werden, fordert Aiginger. Derzeit hält die EU über den Rettungsfonds EFSF 440 Mrd. Euro bereit, mit der Beteiligung des Internationalen Währungsfonds sind es 750 Mrd. Euro. Alleine der Wackelkandidat Spanien hat aber 500 Mrd. Euro Schulden. „Der Rettungsschirm muss so weit aufgespannt werden, dass im Zweifelsfall auch Spanien und Italien darunter passen“, so Aiginger. Ab 2013 sollte der Rettungsfonds dauerhaft zur Verfügung stehen. „Und es wäre sinnvoll, den Schirm nicht immer zu spät aufzuspannen“, sagt Aiginger.

Das ist aber nicht seine einzige Kritik an der Wirtschaftspolitik der EU-Länder: „Europa ist definitiv nicht auf dem richtigen Kurs. Es gibt weder ein ausreichendes Wachstum noch sieht man die richtigen Akzente, um es zu stärken.“ Obwohl Europa die Krise nicht verursacht habe, sei der wirtschaftliche Einbruch größer, und das Wachstum werde auch in der Folge schwächer bleiben als in den USA. „Europa läuft Gefahr, in Asien als altehrwürdiges Kulturdenkmal betrachtet zu werden.“

Österreich steht nach Aigingers Bilanz im europäischen Vergleich gut da – hat aber nachgelassen. Die heimische Wirtschaft sei in den vergangenen zehn Jahren um kumulierte 16,5Prozent gewachsen. Das sei zwar weniger als in den 1990er-Jahren mit 28Prozent – „aber für ein Land, das sich schon im Spitzenfeld befindet, ist das eine beachtliche Leistung“. Die Schelte kam an anderer Stelle: „Die Enttäuschung des Jahrzehnts waren die Investitionen.“ Die lägen im Zehnjahresvergleich unter dem Niveau von 2000 – und zwar um mehr als zwei Prozent. Der Wifo-Chef rechnet damit, dass die heimische Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren um rund zwei Prozent pro Jahr wachsen wird. Das wären hochgerechnet 22 bis 23Prozent.

Stifter für Soziales zur Kasse bitten

Kritik übte er auch an der österreichischen Bildungspolitik: In der Schule habe der Leitsatz „Politik raus, Autonomie rein“ zu gelten. Für die Unis fordert er, dass die Ressourcen besser genützt werden: „Die Unis sind vier Monate im Jahr leer, und ich will gar nicht davon reden, wie es dort zwischen 17 und 20 Uhr aussieht.“ Außerdem seien Studiengebühren von rund 500 Euro pro Semester notwendig.

Was die Forschungsquote betrifft, liege Österreich weit über dem EU-Schnitt: Österreich habe die Quote von 1,9Prozent im Jahr 2000 bis heute auf 2,8Prozent gesteigert. Bis 2020 sollen es 3,76 Prozent sein. Um die Finanzierung von Forschungsmitteln sicherzustellen, appellierte er an die heimischen Stifter: „Ein Bill Gates denkt an gar nichts anderes, als einen Teil seines Vermögens der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Nun bitte ich die hundert reichsten Österreicher, auch einen Teil ihres Geldes zu geben.“ Ein Prozent des Stiftungsvermögens solle für soziale Zwecke aufgewendet werden. Zunächst freiwillig – und nur, wenn das gar nicht ginge, müsse man über eine gesetzliche Verpflichtung nachdenken.

Auf einen Blick

Öffentliche und private Gläubiger sollten auf einen Teil der Forderungen verzichten – anders könnten die hoch verschuldeten EU-Länder um Griechenland und Irland ihre Haushalte nicht ins Reine bringen, sagt Wifo-Chef Karl Aiginger.

Zur Kasse bitten will der Wifo-Chef auch Stifter: Sie sollten ein Prozent ihres Vermögens für soziale Zwecke zur Verfügung stellen. Im Zweifelsfall kann er sich auch ein Gesetz dazu vorstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2011)

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