Bawag-Affäre: Wo ist das Geld geblieben?

Wolfgang Floettl, Helmut Elsner
Wolfgang Floettl, Helmut Elsner(c) AP (Lilli Strauss)
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Spurensuche. Anwälte des verurteilten Ex-Bawag-Chefs Elsner wollen Ermittlungen gegen Wolfgang Flöttl in Gang bringen – per Anzeigen in den USA, Großbritannien, auf den Bermuda- und den Kaimaninseln.

Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner ist seit Kurzem rechtskräftig zu insgesamt zehn Jahren Haft wegen Untreue verurteilt. Nun kämpft er mit schwererem Geschütz um seine Rehabilitierung. Eine Strafanzeige liegt schon vor: gegen Staatsanwalt Georg Krakow (er war Staatsanwalt im Bawag-Verfahren) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (sie war Richterin im Bawag-Prozess). Diese Anzeige soll nun per Nachtrag ausgeweitet werden, wie Elsner-Anwalt Michael Kramer zur „Presse“ sagte.

Elsner will die Angelegenheit aber auch internationalisieren, indem er über seine Anwälte Anzeigen wegen „Beteiligung in Zusammenhang mit Geldwäsche“ gegen unbekannt in New York, London, auf den Bermuda- und den Kaimaninseln einbringt. Das eigentliche Ziel der Aktion ist der in den USA lebende Investmentbanker Wolfgang Flöttl. Er war die Zentralfigur bei den „Karibik-Geschäften“, die der Ex-Gewerkschaftsbank hohe Verluste bescherten. Seine erstinstanzliche Verurteilung war vom Obersten Gerichtshof (OGH) vor Kurzem aufgehoben worden. Elsners Anwälte fürchten nun, dass es in Österreich kein Verfahren mehr geben werde, in dem Flöttl als Beklagter auftreten müsse.

Womit die zentrale Frage der Bawag-Affäre nicht mehr geklärt werden könnte. Nämlich: „Wo ist das angeblich verspekulierte Geld?“ Anwalt Kramer hofft, mit internationalen Anzeigen Behörden in den USA oder auf den Bermudainseln zu Ermittlungen zu bewegen. Im Laufe des Bawag-Prozesses in Österreich war diese Frage nicht geklärt worden.

Wie berichtet, hat Flöttl in den Neunzigerjahren in drei Wellen Geld von der Bawag erhalten, um es zu investieren. Die letzte Welle dieser „Karibik-Geschäfte“ endete mit einem Totalverlust. Das Gericht bezifferte den Schaden mit 1,2 Milliarden Euro.

Brisantes Fax vom Ministerium

Elsner bezweifelt diesen Totalverlust – und wirft dem Gericht vor, sich nicht für den Verbleib des Geldes interessiert zu haben. Vielmehr seien alle Versuche, Licht in das Dunkel zu bringen, abgeblockt worden. So habe man den Antrag, einen sogenannten „forensic account“ zu erstellen (mit dem der Fluss der Bawag-Millionen nachvollziehbar gewesen wäre), ebenso abgeschmettert wie den Antrag, die Flöttl-Konten öffnen zu lassen. Letzteres unter anderem mit der Begründung, dass Elsner die zu öffnenden Konten nicht genannt habe.

Merkwürdig in diesem Zusammenhang auch ein der „Presse“ vorliegendes Fax, das das Bundeskriminalamt (BKA) 2006 der Wiener Staatsanwaltschaft sandte. Dort wird auf eine Verdachtsmeldung der FIU Bermuda (Financial Intelligence Unit, eine Art Finanzpolizei) Bezug genommen, derzufolge Flöttl versuche, 21 Mio. Euro aus den Bermudas abzuziehen. Damals war der Bawag-Karibik-Skandal gerade am Aufkochen. Das BKA „ersucht“ die Staatsanwaltschaft, „diese Information vorerst von der Akteneinsicht auszunehmen“.

Mit der Frage, wo sich das Geld tatsächlich befindet, hat sich auch der Oberste Gerichtshof (OGH) bei seiner jüngsten Revision der Bawag-Urteile nicht befasst. Für den Vorwurf der Untreue, für den Elsner schlussendlich verurteilt wurde, sei der Fluss des Geldes irrelevant, hieß es in der Urteilsbegründung. Und die erstinstanzliche Verurteilung Elsners wegen Betrugs war vom OGH aufgehoben worden.

Unwahrscheinlicher Totalverlust

Gänzlich gekippt hatte der OGH, wie berichtet, das erstinstanzliche Urteil gegen Flöttl (zweieinhalb Jahre teilbedingt wegen Beteiligung an Untreue). Eine neuerliche Anklage gilt als höchst unwahrscheinlich. Die Flöttl-Causa ist in Österreich damit praktisch vom Tisch. Und damit bleibt auch die Frage im Dunkeln, wo die Flöttl anvertrauten Bawag-Milliarden geblieben sind. Flöttl, bis dahin äußerst erfolgreicher Investor, hatte beim Prozess argumentiert, mit Spekulationen auf den japanischen Yen Totalverlust erlitten zu haben. Das gilt freilich als ziemlich unwahrscheinlich.

Der Gutachter Oliver Lintner hat (im Auftrag von Elsner-Anwälten) in einer im Vorjahr vorgelegten Expertise die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlusts mit Yen-Spekulationen im Jahr 2000 mit 0,000015 Prozent errechnet. Sein Fazit: Das sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen“.

Flöttl hatte sich beim Prozess so aus der Affäre gezogen: Seine Spekulationen seien nicht mehr nachzuvollziehen, weil die Daten bei einem Computerabsturz vernichtet worden seien. Das Gericht akzeptierte das offenbar. Finanzexperten halten es aber für völlig undenkbar: Finanztransaktionen sind nirgends auf der Welt auf nur einer einzigen Computerfestplatte gespeichert.

Wo also ist das Geld? Und warum interessiert sich niemand dafür – nicht einmal der frühere Eigentümer ÖGB, den die Bawag-Beinahepleite selbst in eine Existenzkrise gestürzt hatte?

Kramer hofft, dass sich nach dem „Tatortprinzip“ nun Behörden in den USA (wo Flöttl lebt) und auf den Bermudainseln dafür interessieren werden. Elsner selbst ließ ausrichten, er habe nicht vor, „als alleiniger Sündenbock im Gefängnis zu sterben“. Und er werde um die Klärung dieser Frage weiter kämpfen. Elsners Anwälte wollen übrigens demnächst einen Enthaftungsantrag stellen: Elsners Gesundheitszustand habe sich zuletzt „sehr verschlechtert“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2011)

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