IWF: Höfliche Rüffel für Österreich

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Die Prüfer warnen die Banken vor einer neuen unvorsichtigen Expansion im Osten. Den Staat drängen sie zum Sparen. Die Bereiche Pensionen, das Gesundheitswesen und Förderungen, hebt der IWF hierbei hervor.

Wien/Gau. Die rasante Expansion von Österreichs Banken in Osteuropa: Was hierzulande stets ein Thema für Jubelgesänge war, stößt jenseits des Atlantiks traditionell auf ziemliche Skepsis. Das führte in der Krise zu groben Verstimmungen zwischen den heimischen Eliten und amerikanischen Beobachtern, von Nobelpreisträger Krugman bis zum Internationalen Währungsfonds (IWF). Und die bleiben skeptisch, auch wenn sich die Konjunktur erholt und die Zahl der notleidenden Kredite zurückgeht.

Das zeigte sich deutlich bei der gestrigen Präsentation des IWF-Länderberichts zu Österreich. Notenbankgouverneur Ewald Nowotny hob zum gewohnten Selbstlob an: Eine „volle Erfolgsstory“ hätten Österreichs Banken im Osten geschrieben. Da wollte IWF-Delegationsleiterin Enrica Detragiache nicht einstimmen: Mehr als einen „eingeschränkten Erfolg“ könne sie nicht sehen. Denn dass die Banken das Kreditvolumen vor der Krise „explodieren“ ließen, „war unvorsichtig“. Umso mehr, als ein großer Teil der Gelder nicht in produktive Investments, sondern an zu viel konsumierende Haushalte ging. Und diese Kredite wurden viel zu oft in Fremdwährungen wie Franken oder Euro vergeben – ein hohes Risiko für die Schuldner, das in der Krise schlagend wurde.

Daraus seien Lehren zu ziehen, mahnte die Prüferin. Dass nun das Geschäft im Osten wieder anläuft, dürfe die Banken nicht zu einer neuen unvorsichtigen Expansion oder zu höheren Dividenden verleiten. Stattdessen sollten sie ihre Kapitaldecke stärken, um für Basel III gerüstet zu sein. Auch der Regierung las die Delegationsleiterin freundlich, aber bestimmt die Leviten: Der mehrjährige Plan zur Budgetkonsolidierung reiche nicht aus. Es sei zwar schön, dass die Defizite wieder unter die Maastricht-Grenze gedrückt werden. Aber die Staatsverschuldung bleibt weit über dem Vorkrisenniveau: Auch noch 2015 soll sie über 70 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen.

Mehr sparen: 0,5 Prozent des BIPs

Das sei zu hoch, und deshalb fordert der IWF mehr Einsparungen als geplant. Die konkrete Empfehlung: Jahr für Jahr zumindest ein zusätzliches halbes Prozent des BIPs, ab 2012 und so lange, bis das strukturelle (also konjunkturunabhängige) Defizit beseitigt ist. Das dürfe kein Problem sein, zumal sich Österreichs Wirtschaft im Aufschwung besser schlägt als erhofft– also auch mehr Steuern abliefert.

Drei Bereiche für Einsparungen hebt der IWF hervor: Pensionen, das Gesundheitswesen und Förderungen. Dass die Österreicher de facto früher in Pension gehen als die Bewohner fast aller anderen OECD-Länder, sei „nicht mehr leistbar“ – und zudem kontraproduktiv: „Früher, im Strukturwandel, wurden Frühpensionierungen genutzt, um Kündigungen zu vermeiden“, heißt es im Bericht. „Heute, mit niedriger Arbeitslosigkeit und einer alternden Bevölkerung, macht der Arbeitskräftemangel größere Sorgen.“

Deshalb müssten alle Wege zu einem ungerechtfertigt frühen Ruhestand rasch geschlossen werden, namentlich die Hackler- und Invaliditätspension. Zudem seien die Abschläge für einen früheren Pensionsantritt zu niedrig und damit „nicht fair“.

Auch beim Förderwesen sieht der IWF vieles im Argen: zu viele Subventionen in zu vielen Bereichen, von denen niemand sagen könne, was damit eigentlich volkswirtschaftlich erreicht werden soll. Die Förderungen „sind ziellos“, womit man sich in der Folge auch die Kontrolle ihrer Wirkung erspart. Ihre Nase rümpft Detragiache besonders über die „sehr stark subventionierten“ ÖBB: In anderen Ländern, „die auch gut funktionierende Eisenbahnen haben“, brauche man das nicht.

Rating in Gefahr? Sag niemals nie

Einen Fokus legten die Prüfer heuer auf die Beschäftigungsquote schlecht ausgebildeter Arbeitskräfte, bei der Österreich „nicht so gut liegt“. Die hohen Lohnnebenkosten machen den Einsatz dieser Menschen unproduktiv und halten sie vom Arbeitsmarkt fern.

Trotz dieses Sündenregisters: Um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen macht sich der IWF keine Sorgen. Nimmt man beides zusammen, ist das „AAA“-Rating dann in Gefahr? „Jedes Land ist in Gefahr, wenn es nicht rechtzeitig agiert. Es gibt keinen Grund, akut Alarm zu schlagen, aber noch weniger Grund, jetzt nicht zu handeln.“

Auf einen Blick

Der IWF verfasst jedes Jahr einen Länderbericht zu Österreich. Das Prüferteam recherchiert im Finanzministerium und bei der Nationalbank. Heuer warnt der Fonds die Banken davor, eine neue Kreditblase in Osteuropa zu schaffen. Die Regierung soll ab 2012 jedes Jahr 0,5 Prozent des BIPs zusätzlich einsparen, bis das strukturelle Defizit beseitigt ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2011)

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