Der Kampf gegen das Finanz-Nichtwissen beginnt früh

Kampf gegen FinanzNichtwissen beginnt
Kampf gegen FinanzNichtwissen beginnt(c) AP (Jörg Sarbach)
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Schüler haben kaum Ahnung von Wirtschaft. Eine zunehmende Anzahl von Initiativen will nun das Finanz-Wissen aufpolieren. Eine Bestandsaufnahme.

Um das Wirtschaftswissen der Österreicher ist es nicht gut bestellt: Das Wissen um grundlegende Dinge der Wirtschaft ist mangelhaft. Ein Blick in das Archiv belegt das: "Wirtschaft klagt: Junge können nicht rechnen", "Schüler haben kaum Ahnung von Wirtschaft" und "Österreichs Studenten: Bildungslücke Wirtschaft" lauteten die Schlagzeilen. Untermauert wird die Diagnose durch Studien des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW), die sowohl Schülern als auch Studenten diagnostiziert, wenig Ahnung von Wirtschaft zu haben. Dies ist für DiePresse.com Anlass, um einen Blick auf Initiativen und Projekte zu werfen, die diesen wenig ermutigenden Status Quo zu bekämpfen versuchen.

Vorige Woche wurde dazu bereits das Projekt des Finanzexperten Gerhard Weibold vorgestellt: finanzportal.at. Auf dem Portal wurden im Zuge eines Online-Finanztests bereits mehr als acht Millionen Fragen zu den Themen Anlage, Finanzierung und Versicherung beantwortet. Darüber hinaus gibt es aber eine zunehmende Anzahl von Initiativen, die das Wirtschafts- und Finanzwissen vor allem der Jung-Österreicher aufpolieren wollen. Eine Bestandsaufnahme.

Volksschüler, der Konsum und Sparefroh

Das Unterrichtsministerium setzt bei der Wirtschaftsbildung früh an. Volksschüler sollen mit dem Spiel "Ich kauf mir was" "durch die Welt des Konsums geleitet" werden. Sie sollen lernen, "richtige Kaufentscheidungen" zu treffen. Die Unterrichts-Materialien "Konsum und Lebensstil" für die Sekundarstufe I (5. bis 8. Schuljahr) drehen sich um Themen wie persönliches Kaufverhalten, Handy, Abfallvermeidung, Marken sowie Kinderarbeit. Sie können von Lehrern beim "Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule" bestellt werden.

Auch die "Erste"-Bank, die jährlich das Wirtschaftswissen der Österreicher untersucht, versucht mit Hilfe ihres Maskottchens "Sparefroh" Kinder für Themen rund ums Sparen zu interessieren. Das Sparefroh-Magazin gibt unter anderem Tipps für das Taschengeld, das Sparefroh-TV erklärt kindgerecht die Geschichte des Geldes und wie es zu Kaufentscheidungen kommt. Auf der Sparefroh-Homepage kann man sich Ausmalbögen oder einen Taschengeldplaner herunterladen.

Exportschlager Unternehmerführerschein

Als Exportschlager hat sich der Unternehmerführerschein der Wirtschaftskammer erwiesen. In Österreich wird der Führerschein auf freiwilliger Basis - im Rahmen von Geografie- und Wirtschaftskunde - ab der achten Schulstufe angeboten. Der Führerschein wird in vier Modulen absolviert. Absolventen ersparen sich damit die für bewilligungspflichtige Gewerbe vorgeschriebene Unternehmerprüfung.

2006 wurde das Projekt von dem Dachverband der Europäischen Wirtschaftskammern als Best-Practice-Beispiel für "Entrepreneurship Education" anerkannt. Der Führerschein wurde für Deutschland, Frankreich, Albanien, das Kosovo, Mali und Äthiopien übersetzt bzw. an die nationalen Gesetze angepasst. In den Niederlanden, Belgien, Polen, Tschechien, der Türkei, Griechenland und Serbien laufen Pilotprojekte an.

VWL-Planspiel

Das VWL-Planspiel "Eco-Mania" bietet laut Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl "einen spielerischen und aktivierenden Zugang zu dem äußerst komplexen Thema Volkswirtschaft". Bei dem Spiel werden die Schüler in drei Gruppen aufgeteilt: Regierung, Unternehmen und Haushalte. Die Interessen dieser Gruppen müssen unter einen Hut gebracht werden. Lohn- und Pensionsverhandlungen erweisen sich dabei manchmal als ziemlich zäh - wie im wirklichen Leben.

"Die Schüler sollen die Gelegenheit bekommen, sich auf andere Art und Weise mit Wirtschaft auseinander zu setzen", sagte im Februar HAK-Lehrerin Döris Zöser, die gemeinsam mit Kollegen das Projekt in ihrer Schule umgesetzt hat, im Gespräch mit der "Presse".

"Börse für mich"

Der jüngste Versuch, den Wissensstand von Schülern in Fragen Börse aufzupäppeln, ist erst wenige Wochen alt. Die Wiener Börse startete zu Schulbeginn eine Webseite für Schüler: www.boerse4me.at. Das Motto: "Weil ich mehr über die Börse wissen will".

Auf der Webseite werden einerseits Berufsbilder im Börseumfeld vorgestellt. Andererseits wird Wissen über die Börse in Quiz-Form sowie mit Hilfe eines E-Learning-Programms vermittelt. Die Wiener Börse hat auch das Unterrichtspaket "Der österreichische Kapitalmarkt" zusammengestellt. Dieses können Lehrer über die Webseite der Wiener Börse bestellen.

Gut Finanz-Ding braucht Weile

Das Finanzkrise und die Lehman-Pleite im Jahr 2008 haben jedenfalls viel verändert. Die Menschen interessieren sich wieder mehr dafür, wie die Wirtschaft und die Finanzmärkte im Speziellen funktionieren. "VWL ist wieder höchst beliebt", sagte etwa die deutsche Ökonomin Irene Rath in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Die Krise also als Chance für ein besseres Finanzwissen? Bisher hat der Turbo jedenfalls nicht gezündet. Das Wirtschaftswissen der Österreicher hat sich - wenn überhaupt - nur geringfügig verbessert, wie die aktuellen Studien zeigen.

Alexander Zeh, Experte vom Meinungsforschungsinstitut Gfk, ist angesichts der vielen Initiativen überhaupt skeptisch. Er zweifelt daran, dass sich am Wissensstand der Österreich so bald etwas verbessern wird - obwohl 70 Prozent gern noch besser über Finanzthemen Bescheid wissen würden. Ein Problem bei der Wissensvermittlung könnte allerdings sein, wie die Österreicher ihre Informationen über Finanzthemen beziehen. Laut einer aktuelle Gfk-Studie tun dies die Österreicher zu 58 Prozent über ihre Bankberater. Jeder Zweite bezieht seine Informationen aus der Familie und dem Freundeskreis. Medien, Internet sowie vor allem Schule und Universität spielen eine wesentlich geringere Rolle.

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