Experten kippen Prognose für 2012

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Die Experten von Wifo und IHS senken ihre Wachstumsprognosen drastisch. Es fehlt das Geld für weitere Konjunkturpakete. Die Regierung sollte nun die „allerletzte Chance“ für Reformen nutzen.

Wien. Für die österreichische Wirtschaft ist Feuer auf dem Dach. Die Aussichten für 2012 sind ernüchternd: Das Institut für Höhere Studien (IHS) und das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sahen sich am Freitag gezwungen, ihre Wachstumsprognosen für das nächste Jahr zu halbieren. „Momentan ist der gefährlichste Zeitpunkt seit Krisenbeginn“, warnt Wifo-Chef Karl Aiginger.

Wegen der Turbulenzen in der Eurozone halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück. Auch die Exporte, die in Österreich den Aufschwung tragen, schwächen sich ab. Für die Regierung besteht nun akuter Handlungsbedarf. Laut Aiginger gebe es jetzt „vielleicht die allerletzte Chance auf Reformen und Strukturverbesserungen“.

Ängste wegen Griechenland

Konkret erwartet das Wifo für 2012 ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. Noch Anfang Juli sind die Experten von 1,8 Prozent ausgegangen. Etwas optimistischer ist das IHS, das für nächstes Jahr ein Wachstum von 1,3 Prozent prognostiziert. Zum Vergleich: Für heuer wird ein Zuwachs von 2,9 Prozent (Wifo) und 3,0 Prozent (IHS) in Aussicht gestellt. Dies ist aber dem guten Frühjahr zu verdanken. Seit Sommer trübt sich das Wirtschaftsklima deutlich ein.

Die für 2012 publizierten Zahlen sind mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 (minus 3,8 Prozent) die schlechtesten Jahreswerte seit 2004. Laut Aiginger und Felderer könnte es aber noch schlimmer kommen. Derzeit hängt alles davon ab, wie das Griechenland-Problem gelöst wird. In ihren Prognosen gehen Wifo und IHS von einem „geordneten Ausgleich“ Griechenlands aus. Gemeint ist, dass der Athener Regierung rund 50 Prozent der Schulden erlassen werden. „Wir erwarten, dass dieser Schuldenschnitt mithilfe Europas geordnet über die Bühne gehen wird“, sagte Aiginger. Demnach sollen Banken, die besonders viele griechische Staatsanleihen halten, aufgefangen werden. Zudem sei ein Flächenbrand in der Eurozone zu verhindern.

Mehr Arbeitslose

Doch was passiert bei einer unkontrollierten Pleite Griechenlands? Dazu schwiegen die Wirtschaftsforscher. „Das langwierige Ringen der Politik um eine Lösung der Schuldenproblematik von Griechenland gefährdet immer mehr die Stabilität des Bankensystems“, heißt es im Wifo-Bericht.

Der bevorstehende Wirtschaftsabschwung hat unangenehme Folgen: Die Arbeitslosenquote dürfte im nächsten Jahr von 6,7 Prozent auf sieben Prozent klettern (laut nationaler Berechnungsmethode). Die Reallöhne sollen laut Wifo heuer um 0,7 Prozent zurückgehen und im nächsten Jahr um 0,1 Prozent steigen. Gleichzeitig sinken die Steuereinnahmen. Das bremst den Abbau des Defizits.

Anstatt über neue Abgaben wie eine Reichensteuer zu diskutieren, soll es zur Konjunkturbelebung Steuersenkungen geben, fordert IHS-Chef Bernhard Felderer. Zudem müsse die Regierung endlich strukturelle Reformen wie bei den Pensionen und im Spitalswesen in Angriff nehmen. Felderer: „Die Reduzierung des Defizits hat für mich klar Vorrang.“ Doch diese Botschaft ist noch nicht angekommen. Angaben der Statistik Austria zufolge kletterte der öffentliche Schuldenstand im zweiten Quartal 2011 auf 213,2 Milliarden Euro. Dies entspricht 72,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum liegt die Verschuldung um 11,1 Mrd. Euro höher. Die Arbeiterkammer fordert als Reaktion auf die abgesenkte Prognose ein neues Konjunkturpaket. Doch dafür fehlt das Geld. Die Bewältigung der 2008 ausgebrochenen Finanzkrise hat laut Felderer den Staat bis Ende 2010 rund 35 Milliarden Euro gekostet. Davon entfielen zwei Drittel auf geringere Steuereinnahmen und der Rest auf Stabilisierungsmaßnahmen.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2011)

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