Constantia, Buwog, Telekom: Wo es begann

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Artikel vom 4. 9.Der Skandal in derTelekom Austria um Politikerbestechung ist der bisherige Höhepunkt einer langen Reihe von Wirtschaftsdelikten. Die Spurensuche.

Es war einmal eine kleine, aber sehr feine Bank. Ihr Ruf war untadelig, allein der Umstand, dass Michael Prinz von und zu Liechtenstein im Aufsichtsrat dieser Constantia Privatbank saß, bürgte der noblen, betuchten Klientel als Garant für Seriosität. Die Besitzerin dieses Kleinods der österreichischen Privatbankenlandschaft war Christine de Castelbajac, die Tochter des legendären Industriellen Herbert Turnauer.

Dann, im Jahr 2008, wurde gemunkelt, dass sich in der CPB, wie die Bank kurz genannt wurde, Unglaubliches abgespielt hätte und noch abspiele. Bankchef Karl Petrikovics, der in Personalunion die Immofinanz und Immoeast managte, soll heimlich höchst riskante Aktiendeals mit Immoeast- und Immofinanz-Papieren getätigt und so den Kurs nach oben manipuliert haben. Das alles sei schon 2007 und davor passiert, aber Petrikovics habe alles vertuscht und sogar die Finanzmarktaufsicht getäuscht. Als die Finanzkrise die Kurse killte und die Bank inklusive ihrer Immogesellschaften mitriss, war Österreich, das sich gerade den Mund über die Meinl-Affäre zerriss, um einen Megawirtschaftsskandal reicher.

Kommissar Zufall. Die Justiz setzte sich in Bewegung – sie wusste jedoch nicht, dass sie mit ihren Ermittlungen eine Lawine auslösen würde: Denn all die Malversationen, die im Zuge der Telekom-Affäre Tagesgespräch wurden, kamen sukzessive durch die Untersuchungen der Immofinanz-Affäre ans Tageslicht. Manchmal spielte dabei auch Kommissar Zufall eine Rolle, manchmal wussten die Ermittler anfangs gar nicht, welches Kleinod ihnen ihn Form einer Rechnung, einer Überweisung oder einer Gesprächsnotiz bei Razzien und Lauschangriffen in die Hände gefallen war.

Es war im Sommer 2009. Christian Thornton, der inzwischen so wie Petrikovics und weitere Manager der CPB angeklagt ist (es gilt die Unschuldsvermutung), sitzt bei einem Verhör. Thornton plaudert aus dem Nähkästchen. Im Auftrag von Petrikovics habe er 9,61Millionen Euro an eine Firma des PR-Unternehmers Peter Hochegger auf Zypern gezahlt. Astropolis habe die Firma geheißen, wenn er sich recht erinnere. Das sei das Erfolgshonorar für Hocheggers Tätigkeit im Rahmen des Verkaufs der 58.000Bundeswohnungen im Jahr 2004 an die Immofinanz gewesen. Dafür seien fiktive Rechnungen von einer CPB-Tochter ausgestellt worden – für Leistungen, die nie erbracht worden seien.

Die Kripo-Männer staunten nicht schlecht – und die Causa Buwog war geboren. Zumal sich bald herausstellte, dass nicht Hochegger allein die Millionen kassiert hatte. Sein Spezi Walter Meischberger bekam einen erklecklichen Teil. Und weil „Meischi“ zum engsten Kreis des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser zählt und der Buwog-Deal zudem unter Grassers Ägide abgewickelt worden war, kam die Politik, konkret die Ära der schwarz-blau/orangen Regierung, erstmals ins Spiel.

Schon lange ist die Buwog kein Nebenschauplatz der Immofinanz-Affäre, sondern einer der größten Korruptionsskandale der Zweiten Republik. Das sichergestellte Datenmaterial umfasst zig Terabyte. 5000 Telefonate wurden abgehört, hunderte Zeugen befragt, Razzien durchgeführt. Bei Meischbergers Eingeständnis: „Da bin ich jetzt supernackt“, als ihm Grasser am Telefon Tipps gab, wie er Zahlungen vom Baukonzern Porr erklären könne, dürften sogar die abgebrühten Ermittler laut gelacht haben. Die Telefonprotokolle als Kabarettschlager: Zumindest da erhielt der alles andere denn lustige Fall eine amüsante Note.

Je tiefer die Ermittler bohrten, desto mehr Hinweise auf ein dichtes Gefüge von „Geschäften zwischen Freunden“ fanden sie. Die Spuren führten zum Baukonzern Porr, zum Immobilientycoon Ernst Karl Plech, zu Konten und Stiftungen in Liechtenstein und der Schweiz. Andere Projekte – wie die Auswahl der Investmentbank Lehman für den Buwog-Deal, aber auch die Übersiedlung des Finanzministeriums und der Innenstadtgerichte aus dem ersten in den dritten Wiener Gemeindebezirk, der Terminal Tower in Linz oder das Haus Nordbergstraße der Telekom Austria – erschienen plötzlich in einem anderen Licht und interessierten die Justiz. Zumal bei allen diesen Deals ein enger Kreis handelnder Personen auftauchte: Grasser, Hochegger, Meischberger, Plech. Auch für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Und dann fanden die Ermittler im Herbst 2010 bei einer Razzia bei Hochegger, bei der es um die Buwog ging, eine Rechnung, die offenbar nichts mit der Buwog zu tun hatte. Die Rechnung über 170.000Euro stellte die Firma Euro Invest an die Valora von Hochegger. Offiziell ging es um eine Studie über Investitionsmöglichkeiten in erneuerbare Energien. Irgendwie glaubte das die Kripo nicht. Schließlich war es nicht die erste dubiose Rechnung.

Das zahnlose Börsegesetz. Daraufhin passierte nicht viel. Außer, dass die Finanzmarktaufsicht einen fast vergessenen Bericht der Staatsanwaltschaft übermittelte. Darin ging es um jenen dubiosen Telekom-Kurssprung am 26. Februar 2004, der – durch eine einzige Aktienorder von Euro-Invest-Manager Johann Wanovits ausgelöst – 100 Managern der Telekom Boni verschafft hatte. Kursmanipulation? Sicher, war die FMA überzeugt. Aber da das Börsegesetz damals zahnlos war und erst später verschärft wurde, hatte die FMA keine Handhabe.

In der Staatsanwaltschaft begannen sich die Räder zu drehen. Hochegger? Euro Invest? Da war doch was. Nämlich Gerüchte und Medienberichte, wonach der Lobbyist zu allen Parteien und vielen Unternehmen blendende Kontakte unterhielt und allein von der Telekom Austria viele Millionen kassiert und weitergereicht haben soll. Honorare wurden nicht nur offiziell an die Agentur Hochegger.com gezahlt, sondern auch an seine Firma Valora, die als Verteiler fungierte.

Parallel zur Justiz interessierte sich die Telekom selbst dafür: Ihr Chef Hannes Ametsreiter setzte Anfang 2011 die interne Revision an. Was sie fand und die Justiz bei Razzien und Einvernahmen zu hören und sehen bekam, stellte alles bisher Vermutete in den Schatten: Die Telekom steht im Zentrum eines Wirtschaftskriminalfalls noch nie gesehenen Ausmaßes, der Immofinanz, Buwog und auch Bawag übertrifft. Vor allem deshalb, weil es tiefe Verflechtungen in die Politik gibt.

(K)ein Einzelfall? Obwohl sich die Ermittlungen noch an der Oberfläche bewegen, steht fest: Ein paar Manager, Berater und Politiker haben die Telekom als Selbstbedienungsladen abgezockt. Ob das ein, wenn auch immens großer, Einzelfall war, wird sich zeigen. Denn Hochegger hat auch für andere Konzerne gearbeitet.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2011)

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