Viktor Orbán treibt Österreichs Banken auf die Barrikaden

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Ungarn beteiligt sich an den Kosten für Fremdwährungskredite. Die Banken blasen dennoch zum Rückzug. Die Reaktion der Kreditinstitute lässt auf wenig Vertrauen in die Rechtssicherheit des Landes schließen.

Wien. Ungarn mutiert unter Viktor Orbán zur Achillesferse der österreichischen Banken. Im Vorjahr überraschte der rechtspopulistische Regierungschef die ausländischen Institute mit einer 700 Millionen Euro schweren Sondersteuer. Im September legte Orbán nach und verpflichtete die Banken, alle Fremdwährungskredite zu einem Kurs in Forint zu konvertieren, der für die Konsumenten deutlich günstiger ist als der Marktkurs. Die Kosten dafür sollten die Kreditgeber tragen, in vielen Fällen die Töchter heimischer Banken. Die Institute reagierten erbost ob der „Teilenteignung“ durch ein EU-Mitgliedsland.

Ganz so schlimm wie angekündigt kam es dann nicht. Erstens haben vergleichsweise wenige Ungarn von ihrem neuen Konvertierungsrecht Gebrauch gemacht. Bei der Raiffeisen Bank International (RBI) waren es Mitte November etwa acht Prozent ihrer Kreditnehmer, erwartet wurden 30Prozent. Zweitens einigte sich die ungarische Regierung mit den Banken vor wenigen Tagen auf einen Kompromiss: Zwei Drittel der anfallenden Kosten sollen demnach die Institute tragen. Das entspricht über die kommenden fünf Jahre rund 600 Milliarden Forint (1,97 Milliarden Euro). Ein Drittel (300 Milliarden Forint) trägt der ungarische Staat. Fremdwährungskredite, die mehr als 90 Tage überfällig sind, sollen in Forint konvertiert und ein Viertel der ausständigen Summe abgeschrieben werden.

Banken stutzen Töchter in Ungarn zurecht

Die heimischen Banken reagierten zwar erleichtert über den Kompromiss. Immerhin soll die Banken-Sondersteuer bis 2015 im Gegenzug auf ein „in der EU übliches Maß“ reduziert werden, sodass sich die Steuererleichterungen und Zusatzkosten die Waage halten könnten, betont ein Sprecher der RBI. Ganz glücklich sind die Unternehmen mit der Lösung aber nicht.

Vielmehr hätten die Bankbosse die Einigung mit Zähneknirschen zur Kenntnis genommen, heißt es in der Branche. Nach all den Eingriffen der Regierung Orbán in privatrechtliche Verträge sei niemand wirklich sicher, ob diese Abmachung tatsächlich halte. Die Reaktion der Kreditinstitute lässt auf wenig Vertrauen in die Rechtssicherheit des Landes schließen. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl kündigte an, 400 bis 450 seiner 3000 Mitarbeiter in Ungarn abbauen zu wollen. Zusätzlich will er 43, also rund ein Viertel, aller Filialen schließen. Eine Konsequenz aus „unorthodoxen wirtschaftspolitischen Maßnahmen“, teilte das Unternehmen in einer Aussendung mit. Raiffeisen schießt ihrer Ungarn-Tochter zwar 350 Millionen Euro nach, um den heurigen Verlust von 320 Millionen auszugleichen, streicht gleichzeitig aber auch jede zehnte Stelle und Filiale im Land. Die UniCredit-Tochter Bank Austria legte die bis 2015 geplante Verdoppelung ihrer Filialen in Ungarn auf Eis.

Auch die rechtlichen Schritte gegen das Gesetz werden aufrechterhalten, sagte ein UniCredit-Sprecher. Ungarns Banken klagen vor dem Verfassungsgerichtshof. Die internationalen Mütter haben Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission eingereicht. „Langfristig werden wir recht bekommen“, sagt ein Raiffeisen-Sprecher. „Vielleicht erst dann, wenn die handelnden Personen nicht mehr im Amt sind.“

Banken waren früher „zu aggressiv“

Hinter vorgehaltener Hand bewerten Österreichs Banken auch ihre eigene Rolle kritisch. „Zu aggressiv“ habe man die Fremdwährungskredite in Osteuropa an den Mann gebracht. Angelockt von den niedrigen Zinsen nahmen hunderttausende Ungarn Darlehen in einer ausländischen Währung auf. In Summe schulden die Ungarn den Banken 6,5 Billionen Forint in Fremdwährungen. Mehr als zwölf Prozent der Schuldner haben Probleme mit der Tilgung.

Auf einen Blick

Österreichs Banken fahren ihr Engagement in Ungarn stark zurück. Raiffeisen Bank International und Erste Bank kürzen Jobs und Filialen. Die UniCredit-Tochter Bank Austria stoppt ihre geplante Expansion im Land.

Damit reagieren die Unternehmen auf neue Gesetze der Regierung Orbán, die manche Institute als „Teilenteignung“ werten. Orbán verpflichtete die Banken, alle ungarischen Fremdwährungskredite zu von der Regierung willkürlich angesetzten Wechselkursen zu konvertieren und die Kosten zu tragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2011)

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