Topdestination Österreich: Russische Festwochen

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Skiorte in den Alpen sind um das orthodoxe Weihnachten fest in russischer Hand. Erwog man vor wenigen Jahren, die Zahl der Russen zu beschränken, schwärmen Hoteliers heute nur so von ihren Gästen aus dem Osten.

Die Chartermaschinen aus Moskau, St. Petersburg, Odessa oder Dnepropetrovsk landen an den stärksten Anreisetagen Anfang Jänner im Stundentakt in Salzburg oder Innsbruck. Auch München und Verona werden von Russland aus angeflogen, Busse holen die tausenden Wintersportler aus dem Osten ab und verteilen sie auf die Wintersportgebiete in den Alpen.

Die Skiorte in Salzburg und Tirol sind dieser Tage fest in russischer Hand. Rund um das orthodoxe Weihnachtsfest – der Heilige Abend fällt dem Julianischen Kalender, der in vielen orthodoxen Kirchen gebräuchlich ist, nach auf den 6. Jänner – ist die Hochsaison der Russen. In Ischgl kommen in den ersten beiden Wochen des Jahres vier von zehn Urlaubern aus Russland. In der gesamten Saison lag der Anteil der Russen an den Nächtigungen dort zuletzt bei vier Prozent.

Dieser Tage bevölkern 4000 Russen das 1600-Seelen Dorf. Blonde Frauen in wuchtigen Pelzmänteln, russischsprachige Skilehrer und Kellner, russische Speisekarten, russische Feste und Diners – „My govorim po ruski“ („Wir sprechen Russisch“) steht auf Tafeln in manch einer Auslage. Die Skidörfer haben sich längst auf die Gäste aus dem Osten eingestellt.

„Die Vorurteile der vergangenen Jahre sind nicht mehr real“, sagt Andreas Steibl, der Geschäftsführer des Tourismusverbandes Ischgl. Polternde Neureiche, die Hundert-Euro-Scheine in Bündeln auf Bars und Ladentische legen– das war einmal.„Es gibt kein extremes Geldausgeben mehr, auch das gesellschaftliche Verhalten hat sich angepasst“, erzählt Steibl. Kam früher die absolute Oberschicht, gönnt sich mittlerweile auch die obere Mittelschicht einen Skiurlaub in den Alpen.


Österreich als Topdestination. Österreich boomt bei den Russen. Von Jänner bis Ende November 2011 – die Zahlen für den Dezember liegen noch nicht vor– haben 360.000 russische Touristen Urlaub in Österreich gemacht. Das ist ein Plus von 31,6 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. Eine Analyse der russischen Reiseveranstalter-Kataloge und eine Umfrage des „National Geographic Traveler“ habe ergeben, dass Österreich mit Abstand die Nummer eins im Ranking der beliebtesten Wintersport-Destinationen der Russen sei, heißt es von der Österreich Werbung. Nachdem vor wenigen Jahren von ungehobelten, lauten russischen Gruppen die Rede war und Hoteliers in einzelnen Orten, in Kitzbühel zum Beispiel, schon erwägt haben, den Anteil der Russen mit einer Maximalquote von zehn Prozent zu beschränken, schwärmen Hoteliers heute nur so von ihren Gästen aus dem Osten.


„Nicht anders als Deutsche“.
Schließlich waren die ersten Wochen im Jänner bis vor zehn Jahren tote Saison. Mittlerweile sind die Hotels in Saalbach-Hinterglemm dieser Tage dank der Russen „bummvoll“, sagt Hotelier Thomas Wolf. Auch in Zell am See, Kitzbühel oder Sölden sind derzeit so gut wie alle Betten belegt.

Und die Russen gelten als äußerst zahlungskräftig. Mehr als jeder zweite russische Gast nächtigt in einem Vier- oder Fünfsternhotel. Bei den Ausgaben am Urlaubsort liegen Russen im Vergleich zu Touristen aus anderen Nationen im Spitzenfeld. Die Hoteliers haben sich darauf eingestellt. Russischsprachige Internetauftritte, Speisekarten, Skilehrer und Kellner aus Tschechien, Ungarn oder Polen, die Russisch beherrschen. Denn die Gäste aus dem Osten sprechen kaum Fremdsprachen.

Aber auch der Ruf der Russen hat sich innerhalb weniger Jahre gewandelt. „Die Geschichten von riesigen Partys und Gelagen, das ist alles ein Blödsinn“, sagt Wolf. Seine Familie betreibt in Hinterglemm fünf Hotels. In einem davon, dem Fünfsternhaus Alpine Palace, kommt in den Tagen um das russische Weihnachtsfest etwa jeder dritte Gast aus Russland. Wolf spricht von „ganz normalen Urlaubern, nicht anders als Deutsche oder Holländer“. Von wilden russischen Nächten, Wodka-Gelagen und Champagner en masse will niemand mehr etwas wissen.


Familienurlaub statt Wodka-Gelage.
Heute machen die Russen Familienurlaub. Selbst in der Party-Hochburg Ischgl. „Gas geben ist nichts für Russen“, sagt Steibl. Die Russen kommen einmal zum Après-Ski, schauen sich das Spektakel kurz an, gehen dann aber lieber in den Ort, flanieren und kaufen ein. Während Deutsche, Österreicher und Niederländer die Ischgler Nächte in den Dorfdiscos verbringen, gehen die Russen fein essen oder ziehen sich in die Wellnessoasen zurück.

Auch dort haben sich die Hoteliers auf die russischen Gepflogenheiten eingestellt. Zum Beispiel ziehen sich russische Gäste nicht gerne aus, bevor sie sich in eine Sauna setzen, erzählt Hotelier Wolf. Er hat daher in seinem Wellnesshotel eine Sauna für Gäste in Badekleidung reservieren.

Während die Russen in Salzburg und Tirol dieser Tage nicht zu übersehen sind, ist der Ansturm am Arlberg schon wieder vorbei. Kam dort um die Weihnachtsfeiertage in manchem Hotel mehr als jeder zweite Gast aus Russland oder der Ukraine, sind nun wieder die Österreicher, Deutschen oder Holländer in der Überzahl.

Obwohl auch in Tirol und Salzburg der überwiegende Teil der Russen im Laufe der kommenden Woche abreisen wird – der Ansturm der Russen auf Österreich dürfe weitergehen. Vor einem Jahr, in der Wintersaison 2010/11, wurde mit rund 220.000 Ankünften von Gästen aus Russland (plus 35,2 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor) und 1,022 Millionen Nächtigungen (plus 26,3 Prozent) das beste Ergebnis bisher verzeichnet. In den vergangenen Jahren lagen die Wachstumsraten in der Wintersaison stets bei 20 bis 40 Prozent. Heuer dürfte abermals ein Zuwachs verbucht werden.

Auch, weil eine der größten Hürden, die Visumpflicht, abgebaut wurde. In 13 russischen Großstädten wurden neue Visa-Vergabestellen eröffnet. Außerdem können nun Privatpersonen Visa beantragen, zuvor hat das meist ein Reiseveranstalter übernommen, russische Gäste waren auf diese Agenturen angewiesen.

Im Auto aus Russland. Mittlerweile organisieren viele Russen ihren Urlaub selbst. Statt wie noch vor zehn Jahren im Privatjet, nehmen immer mehr Familien die Anreise im Auto auf sich. „Für uns ist das eine interessante Entwicklung. Wer allein für die Anreise zwei Tage braucht, der bleibt mindestens 14 Tage“, sagt Steibl. Ein Lichtblick für viele Hoteliers. Während Urlauber aus Österreich und den nahen Nachbarländern immer kürzer bleiben, stabilisieren Russen das Geschäft. „Vor ein paar Jahren, als der erste große Ansturm kam, haben wir gedacht, das sei ein kurzfristiger Boom, die Russen würden ein oder zwei Mal kommen, dann würde der Markt wieder weg brechen“, erzählt Steibl. Nun zählen russische Familien zu den Stammkunden.


Ein Feuerwerk für die Russen. Auch das orthodoxe Weihnachtsfest wird in vielen Dörfern schon zur Tradition. In Zell am See feiert man Weihnachtsfeiern mit russischer Musik, Ischgl veranstaltet ein Feuerwerk zur Feier der Russen, zahlreiche Hotels bieten Galadiners.

„Bei manchen Russen ist das aber nicht erwünscht, sie wollen nur normal Urlaub machen“, berichtet Hotelier Wolf aus Salzburg. Schon in wenigen Tagen aber sind die russischen Festwochen ohnehin vorbei, bald verlassen die Massen an Russen die Alpendörfer für diese Saison. Am Salzburger Flughafen wird schon morgen, Montag, wieder beinahe jede Stunde eine Maschine gen Russland abheben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2012)

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