Wenn zwei Unternehmen mit unterschiedlichen Kollektivverträgen fusionieren, kann einer von beiden „geschluckt“ werden. Viele Menschen arbeiten ganz ohne KV.
Wien/Jaz. Es ist eine Frage, die viele Österreicher beschäftigen dürfte, nachdem die AUA ihren Kollektivvertrag einseitig aufgekündigt hat: Dürfen die das denn? „Ja“, sagt dazu Thomas Angermair, Arbeitsrechtsexperte von Dorda Brugger Jordis. Auch ein Kollektivvertrag kann von einer der beiden Vertragsparteien aufgekündigt werden. Allerdings geschieht das fast nie, weil Kollektivverträge in der Regel für eine ganze Branche gelten. Bei der AUA handelt es sich aber um einen Unternehmenskollektivvertrag.
„Die Frage ist jedoch, was danach kommt“, sagt Angermair weiter. Gibt es keinen Nachfolge-KV, gelten für die bereits im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter die Regeln des gekündigten KV nämlich weiter. Bei neu eintretenden Mitarbeitern müssten die entsprechenden Regelungen über Gehalt oder Arbeitszeit jedoch individuell vereinbart werden.
Tyrolean müsste AUA schlucken
Anders sieht es aus, wenn wie im vorliegenden Fall zwei Unternehmen verschmolzen werden sollen – etwa die AUA mit ihrer Tochter Austrian Arrows (der ehemaligen Tyrolean). Dann kann ein KV vom anderen quasi „geschluckt“ werden. „Der Kollektivvertrag der aufnehmenden Gesellschaft gilt dann auch bei der aufgenommenen Gesellschaft“, so Angermair.
Das heißt, die AUA müsste von der eigenen Tochter übernommen werden. „Gelöst könnte das werden, indem die jetzige AUA zu einer Holding umstrukturiert wird, die ihr operatives Geschäft an die eigene Tochter übergibt.“ Ansonsten würde auch die Tyrolean-Geschäftsführung plötzlich über dem AUA-Vorstand stehen.
Ein solches „Schlucken“ eines KV durch einen anderen ist aber nur möglich, wenn beide Firmen den gleichen Geschäftszweck haben. Denn von diesem hängt die KV-Zugehörigkeit ab. „Daher haben Konkurrenten, die sich gegenseitig kaufen, in der Regel den gleichen KV“, so Angermair.
Es gibt aber auch Österreicher, die ganz ohne KV arbeiten. So gibt es in den meisten Bereichen, die „kein klassisches Gewerbe“ repräsentieren – etwa Kulturbetriebe –, nur individuelle oder betriebliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)