Telekom: Das Schweigen der ÖIAG

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Strategie. Die Staatsholding ÖIAG signalisiert angesichts der Fülle von Problemen keine klare Vorgangsweise. Fehlt dem Großaktionär der Telekom Austria das Konzept, oder ist er lediglich öffentlichkeitsscheu?

Wien. „Wenn Sie in einer Branche mit zweistelligen Zuwachsraten agieren und da auch noch Platzhirsch sind, können Sie nichts falsch machen.“ Diese Aussage von Boris Nemsic, dem ehemaligen Boss der Telekom Austria (TA) gilt schon lange nicht mehr. Der Konzern, mit 4,5 Mrd. Euro Umsatz und 16.500 Mitarbeitern eines der Schwergewichte der heimischen Industrie und der Wiener Börse, wurde gleich von mehreren „Erdbeben“ zum Schwanken gebracht.

► Die Affäre um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen von der Telekom an Politiker und Parteien ist der vermutlich größte Korruptionsskandal der zweiten Republik.
► Der neue Großaktionär Ronny Pecik kauft täglich Aktien zu und will möglicherweise die Macht im Konzern übernehmen.
► Wertberichtigungen für die weißrussische Tochter Velcom rissen den Konzern 2011 in tiefrote Zahlen – von bis zu 250 Mio. Euro Verlust ist die Rede.
► Seit bekannt ist, dass 200.000 Mails aus der Telekom dem Magazin „News“ zugespielt wurden, vergrößert sich das Imageproblem: Großkunden sollen mit der Kündigung ihrer Verträge drohen, weil sie ihre Daten bei der Telekom nicht mehr als sicher erachten.
► Die Aktie, die nur durch Peciks Einstieg etwas Schub bekam, verliert wieder an Wert.

Diese Menge an negativen Nachrichten wäre Grund genug, um den größten Telekom-Aktionär, die Staatsholding ÖIAG, in die Gänge zu bringen. Zumal die Problemfelder seit Monaten bekannt sind. Aber Markus Beyrer, Chef der Staatsholding und Telekom-Aufsichtsratsvorsitzender, schweigt. „Ich wüsste nicht, was er (Beyrer, Anm.) mehr sagen soll als Telekom-Chef Hannes Ametsreiter vor dem U-Ausschuss gesagt hat“, lautet das knappe Statement von ÖIAG-Sprecher Bernhard Nagiller. Nachsatz: Beyrer müsse eigentlich gar nichts sagen.

Ametsreiter ist am Donnerstag im Parlament schwer unter Beschuss geraten, weil er von Absprachen mit der Bundeswettbewerbsbehörde (siehe unten stehender Bericht) gewusst haben soll. Das geht aus einigen der aufgetauchten Mails hervor. Ametsreiter hatte zudem auf die laufende Untersuchung der Korruptionsaffäre durch den Wirtschaftsprüfer BDO Deutschland hingewiesen und erklärt, er lasse untersuchen, wie die Mails herausgeschleust wurden. Ob er sie dem U-Ausschuss zur Verfügung stelle, ließ Ametsreiter mit dem Hinweis auf die Einschätzung von Juristen offen.

Konträre Zurufe aus der Politik

Hinter Beyrers Fehlen von klaren Worten in der Öffentlichkeit orten Kritiker einen Mangel an Strategie und Handlungsfähigkeit. Der in der ÖVP verankerte Beyrer – er war wirtschaftspolitischer Berater im Kabinett des damaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP) – tue sich in der aktuellen Regierungskoalition schwer, heißt es. Nicht nur ÖVP und SPÖ hätten verschiedene Standpunkte zur Privatisierung, auch innerhalb der Parteien klafften die Meinungen auseinander. Dementsprechend konträr seien die Zurufe.

Auf die Telekom wirkt sich das negativ aus. So etwa wurde die Verlängerung des Ende März auslaufenden Vertrags von TA-Finanzvorstand Hans Tschuden um fünf Jahre zwar vom Aufsichtsrat schon im August 2011 beschlossen, die Unterschrift Beyrers fehlt aber noch immer. Jetzt wurde praktisch in letzter Sekunde ein Kompromiss fixiert. Er soll auf Druck von Pecik zustande gekommen sein, der Tschuden gerne ausgetauscht hätte. Tschuden erhält einen Dreijahresvertrag mit einer Klausel, wonach er im Fall eines vorzeitigen Ausscheidens keine Abfertigung erhält.

Besuch bei Carlos Slim?

Auch zu Pecik selbst lässt die ÖIAG alles offen. Beyrer soll kürzlich dem reichsten Mann der Welt, Carlos Slim, getroffen haben. Ob er bei dem Besitzer der Telekomfirma América Móvil den Verkauf der ÖIAG-Anteile oder Slims Interesse an Peciks Aktienpaket sondiert hat, ist offen.

Auch Fondsmanager soll Beyrer kürzlich in London getroffen haben, möglicherweise, um sie für die ÖIAG einzustimmen. Dahinterstecken dürfte, dass die ÖIAG die Telenor, Peciks Favorit für einen Weiterverkauf seiner Anteile, nicht goutiert.

Die Gefahr, dass Pecik schnell wieder aussteigt, ist aber ohnedies gering. Er soll bis zu 14 Euro je Aktie erwarten, derzeit kostet sie 8,70 Euro.

Auf einen Blick

Die Telekom kämpft an vielen Fronten – von der Korruptionsaffäre über den neuen Großaktionär Ronny Pecik bis zu roten Zahlen. Der Hauptaktionär ÖIAG hüllt sich aber in Schweigen. Kritiker legen dies als Mangel an Strategie und Handlungsfähigkeit aus.

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