Die Alternativenergie-Anbieter fordern ein Verbot. Dass Österreich von Gasimporten unabhängig werde, sei eine Milchmädchenrechnung.
Umweltschützer und Alternativenergie-Anbieter verstärken ihre Kampagne gegen die geplante Erschließung von Schiefergas-Vorkommen in Österreich und haben nun in einem offenen Brief an die Regierung ein generelles Verbot der Schiefergasförderung in Österreich gefordert. Namentlich das Schiefergasprojekt der OMV im Weinviertel müsse sofort gestoppt werden, fordern der Umweltdachverband, der Biomasse-Verband, IG Windkraft, Photovoltaic Austria, Austria Solar und Kleinwasserkraft Österreich.
Die Kernargumente der Schiefergas-Gegner: Die Förderung von Schiefergas sei zu teuer, würde den Umstieg auf umweltfreundliche Energiequellen verzögern und habe negative Folgen für Umwelt und Gesundheit der Menschen.
30 Jahre Gas-Unabhängigkeit "Milchmädchenrechnung"
Für den deutschen Physiker Werner Zittel vom Ludwig-Bölkow-Institut ist das stärkste Argument gegen die Schiefergasförderung, dass sie "im günstigsten Fall für einige Jahre etwa zehn Prozent" zur Erdgasversorgung Österreichs beitragen könnte. Die Darstellung, dass mit den geschätzten Schiefergasvorkommen im Weinviertel Österreich für etwa 30 Jahre von Gasimporten unabhängig wäre, "ist eine Milchmädchenrechnung", sagte Zittel am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Denn nur ein sehr kleiner Teil des vorhandenen Gases könne tatsächlich gefördert werden.
Grundsätzlich sei das geförderte Gas das gleiche wie bei konventioneller Förderung, nur die Methode ("Hydraulic Dracturing", "Fracking") sei eine andere, erklärte Zittel. Ein wesentlicher Unterschied sei auch, dass die Ausbeute viel geringer sei als bei konventionellen Gasvorkommen: Die Förderrate gehe um fünf bis sechs Prozent pro Monat zurück, im ersten Jahr bereits um 80 Prozent. "Damit sind Sie in der Zwickmühle: Wenn sie die Gasförderung ausweiten wollen, dann müssen Sie sehr, sehr schnell immer neue Bohrungen setzen."
"Akt der Verzweiflung"
Was die Gasfirmen mit der Schiefergasförderung täten, sei "ein Akt der Verzweiflung", so Zittel. Ein möglicher Grund sei, dass die Firmen durch übertriebene Angaben der förderbaren Gasvorkommen die Bewertung ihrer Assets in die Höhe treiben wollten, mutmaßt der Physiker. "Ich denke, die Schiefergas-Erschließung ist ein Hype." Er habe etwa 2005 begonnen und werde noch ein paar Jahre andauern, "aber der Beitrag zur Energieversorgung wird relativ bescheiden bleiben".
Das von der OMV in Aussicht gestellte "Clean Fracking" sieht der Experte skeptisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das alles mit biologisch abbaubaren Materialien machen kann." Und selbst wenn man die Fließeigenschaften des Wasser mit Maisstärke statt mit giftigen Chemikalien verändere, bleibe dennoch ein sehr hoher Wasserverbrauch und eine Verunreinigung dieses Wassers mit Schwermetallen und Radioaktivität aus den angebohrten Gesteinsschichten selbst.
"Fracking"
Beim "Fracking"-Verfahren wird mit Chemikalien versetztes Wasser in Bohrkanäle gepumpt. Umweltschützer befürchten, dass diese Chemikalien das Grundwasser verunreinigen könnten.
Fracking verursacht angeblich Erdbeben
Für den texanischen Lokalpolitiker und Umweltschützer Calvin Tillman, ehemals Bürgermeister der Kleinstadt Dish, sind die Umweltschäden nicht nur ein Risiko, sondern bereits Gewissheit. Das nächtliche Nasenbluten seiner Kinder sei darauf zurückzuführen gewesen, laut einer Bürgerbefragung wahrscheinlich auch Kopfschmerzen, womöglich auch Krebs und Leukämie. Auch verursache das Fracking, also das hydraulische Aufbrechen dichter Gesteinsschichten, Erdbeben, warnte Tillman. Der Physiker Zittel gibt die Stärke dieser Erdbeben mit 1 bis 3 an. Solche Erdbeben - weltweit ereignen sich täglich etwa 9000 davon - sind in der Regel nicht spürbar.
Für bulgarische Umweltaktivisten waren die beschriebenen Risiken gravierend genug für eine großangelegte Protestaktion mit zahlreichen Demonstrationen und Unterschriftenaktionen, die schließlich auch Erfolg hatten. Nach einer sechsmonatigen Anti-Schiefergas-Kampagne sei in Bulgarien die "Hydraulic-Fracturing"-Methode im Jänner verboten worden, berichtete Borislav Sandov von der "Climate Action Coalition Bulgaria". Die drohende Verunreinigung eines für den gesamten Balkan wichtigen Grundwasserbeckens sei damit abgewendet worden.
OMV plant Erkundungsbohrungen
Die OMV plant bis 2013 zwei Erkundungsbohrungen bei Poysdorf. Man werde dies Schiefergasvorkommen aber nur dann erschließen, wenn eine umweltverträgliche Förderung gewährleistet sei, versicherte das Unternehmen mehrmals.
Beim "Aufbrechen" des Schiefergesteins werde man gänzlich ohne Chemie und auch ohne Biozide auskommen, sagten Ende Jänner OMV-Deep-Gas-Abteilungsleiter Hermann Spörker und Herbert Hofstätter von der Montan-Uni, an dessen Institut das umweltschonende Verfahren maßgeblich mitentwickelt wurde. "Wir setzen nur Wasser, Sand und Maisstärke ein." Das Grundwasser sei nicht in Gefahr, diese Schichten lägen viel höher und seien ausreichend geschützt, hieß es. Das zum Aufbrechen des Gesteins eingebrachte Wasser werde mit UV-Licht keimfrei gemacht. Rückgeholtes Wasser und gefördertes Gas würden über Pipelines beziehungsweise in geschlossenen Kreisläufen abtransportiert.
(APA)