Telecom Italia: 10.000 Italiener illegal überwacht

Spionage. Italiens größter Telefonbetreiber soll ein riesiges Spionagenetz betrieben haben: 10.000 Italiener sollen überwacht worden sein, deswegen sind jetzt 18 Personen in Untersuchungshaft und drei in Hausarrest.

ROM. Es ist eine Affäre, die selbst im skandalreichen Italien anderes in den Schatten stellt: Denn die Ermittlungen der Staatsanwälte werfen ein neues Licht auf Marco Tronchetti Provera, den frisch zurückgetretenen Chef der Telecom Italia: Er soll ein riesiges, illegales Spionagenetz aufgezogen haben.

18 Personen sind in Untersuchungshaft, drei in Hausarrest. Zudem wird gegen vier weitere Personen ermittelt. Die Beschuldigungen: Gravierende Verletzungen von Datenschutz und Privatsphäre, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Korruption.

Mit ihren technischen Mitteln, die sie der Polizei auch für legale Ermittlungen zur Verfügung stellte, soll das "Sicherheitsbüro" des italienischen Telefon-Marktführers auch in eigenem Interesse spioniert haben. Überwacht wurden, so die Mailänder Staatsanwaltschaft, an die zehntausend Italiener - Konzernchefs, Bankmanager und Sportfunktionäre, Journalisten, Künstler und Showstars, Konkurrenten, Vertriebsfirmen und Zulieferer, darüber hinaus Personen, die sich für eine Stelle bei der Telecom oder beim Reifenmulti Pirelli bewarben. Denn beide Unternehmen hören auf das Kommando ein und desselben Mannes: auf Marco Tronchetti Provera.

Der Sicherheitschef der Telecom, Giuliano Tavaroli, arbeitete dabei nicht nur Hand in Hand mit einer privaten Detektei aus der Toskana, die angeblich 20 Mio. Euro Honorar wurden über karibische Steuerparadiese und helvetische Tarnkonten von Mailand nach Florenz geschleust.

Politisch weit bedenklicher erscheinen Beobachtern die jahrelangen, engen Kontakte Tavarolis zum Militärgeheimdienst Sismi und zu dessen Vizechef Marco Mancini, der kürzlich wegen einer zunächst ganz andersartig erscheinenden Affäre festgesetzt worden ist: Der Sismi soll der amerikanischen CIA im Februar 2003 geholfen haben, einen radikalen Mailänder Imam ins Ausland zu entführen.

Erst im Juli hat sich der frühere Sicherheitschef der Telecom-Mobilfunktochter TIM von einer Autobahnbrücke in den Tod gestürzt. Auch gegen ihn war als Mitarbeiter Tavarolis ermittelt worden.

Die nunmehr Verhafteten sollen nicht nur Telefonverbindungen angezapft, sondern auch Email-Korrespondenzen, Bankverbindungen und das Privatleben der "Zielobjekte" ausgespäht haben. Neben den drei "Sicherheitschefs" von Telecom/Pirelli gehören zu den Beschuldigten auch Carabinieri sowie Beamte der Staats- und der Finanzpolizei, die gegen Honorar in den jeweils hausinternen Datenbanken geschnüffelt haben sollen.

In ihrem Bericht hält die Mailänder Untersuchungsrichterin fest, das rechtswidrige Spionagenetz habe Informationen in einer Masse gesammelt, "dass sogar Geheimdienste neidisch werden könnten". Der "wirkliche Zweck" dieses Unterfangens sei bisher zwar nicht geklärt. Die "flächendeckenden Überwachungen" indes hätten einer "kleinen Gruppe von Personen ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem sie Druck, Bestimmungsmacht, Drohungen, wenn nicht sogar Erpressung ausüben konnten."

An anderer Stelle schreibt die Richterin: Tavaroli als Sicherheitschef der Telecom sei "nur dem Präsidenten gegenüber" verantwortlich gewesen. Gegenüber Marco Tronchetti Provera also. Dessen Name indes taucht im offiziellen Bericht nicht auf. Aber in der Liste der 25 beschuldigten Personen ist die Nummer 20 geschwärzt.

Im Jahr 1997 hatte sich die Telecom Italia an der Telekom Austria beteiligt. In der Zwischenzeit haben sich die Italiener stufenweise aus Österreich zurückgezogen und im Jänner 2004 ihren letzten knapp 15-prozentigen Anteil an der Telekom Austria verkauft.

Nun sucht die hoch verschuldete Telecom Italia neue Eigentümer: Interesse an einer Beteiligung habe eine Gruppe ausländischer Investoren, sagte der italienische Spitzenmanagers Mario Resca.

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