Elsner: "Bawag-Geld nach Österreich zurückgeflossen"

BAWAG-BERUFUNG: ELSNER BEIM OGH
BAWAG-BERUFUNG: ELSNER BEIM OGH(c) APA/GEORG HOCHMUTH (Georg Hochmuth)
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"Presse"-Interview. Ex-Bawag-General Helmut Elsner beklagt, dass im Rahmen des Bawag-Verfahrens „etwas vertuscht werden soll“. Er bezweifelt die angegebenen Spekulationsverluste und spricht von „Geldwäsche“.

Die Presse: Herr Elsner, Sie wurden aus medizinischen Gründen aus der Haft entlassen, wie geht es Ihnen? Rechnen Sie damit, wieder inhaftiert zu werden?

Helmut Elsner: Das Ergebnis der letzten Untersuchungen - insbesondere der Tuberkuloseverdacht - schockierte meine Familie und mich. Mein allgemein schwacher Gesundheitszustand hat das Immunsystem geschwächt, und die Ansteckung mit Tuberkulose in der Justizanstalt Josefstadt ist das Ergebnis. Durch die Enthaftung und den seither reduzierten Stress ist aber hoffentlich das unmittelbare Todesrisiko ausgeschaltet worden. Ein erneute Inhaftierung könnte den lebensbedrohlichen Zustand laut ärztlicher Meinung aber wieder herstellen.

Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Leben aus - offenbar nutzen Sie Ihre Freiheit, um die Akten des Bawag-Verfahrens zu studieren? Was bereiten Sie vor?

Der typische Alltag ist durch das Bawag-Verfahren und meine Krankheit dominiert. In der Haft hatte ich kaum Gelegenheit, das Beweismaterial zu studieren, teils aus gesundheitlichen Gründen, teils weil die Kommunikationsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Mit meinen Anwälten und Sachverständigen legte ich den Behörden seit meiner Enthaftung Dokumente vor, die eindeutig belegen, dass Wolfgang Flöttl (Investmentbanker, der für die Bawag arbeitete, für ihn gilt die Unschuldsvermutung, Anm.) die Bawag betrogen hat. Das bedeutet auch, dass dem Gericht im ersten Prozess falsche Unterlagen vorgelegt wurden. Das ist ein klassischer Fall von Prozessbetrug. Im Übrigen hätte die Staatsanwaltschaft Wien dem Verbleib der Gelder selbst nachgehen müssen. Deswegen regten wir eine von Amts wegen wahrzunehmende Wiederaufnahme des Verfahrens an, diese Anregung wurde lediglich mit dem Kommentar „Des is nix Neues" quittiert. Da nach wie vor keine Behörde Nachforschungen nach dem Verbleib des Flöttl von der Bawag anvertrauten Geldes anstellt, entsteht schon der Eindruck, dass etwas vertuscht werden soll.

Was soll vertuscht werden?

Der Verbleib der Gelder. Es wird uns auch von Dritten immer wieder zugetragen, dass namhafte Summen des gestohlenen Geldes in dunkle Kanäle nach Österreich im Zusammenhang mit Geldwäsche zurückgeflossen sind.

Wie beurteilen Sie die von der Bawag P. S. K. gegen Sie eingebrachte Subsidiaranklage, mit der ein zusätzlicher Schuldspruch wegen Untreue und schweren Betruges erwirkt werden soll?

Die Einbringung der Subsidiaranklage ist klarer Rechtsmissbrauch, da bereits verjährte und rechtskräftig beendete Sachverhalte aufrechterhalten werden. Die Bawag setzt sich somit über die höchstrichterliche Rechtsprechung hinweg. Die Untreuetatbestände werden getrennt vom Betrugstatbestand verhandelt, obwohl der OGH entschied, dass eine Trennung unzulässig ist. Richter Christian Böhm spielt mit und hat die Verhandlung auch so angesetzt. Man will meine Anwälte in Teilen des Prozesses nur im Zuschauerraum teilhaben lassen! Dadurch sollen unangenehme Fragen an Flöttl verhindert werden. Diese Farce überbietet noch den blamablen ersten Bawag-Prozess.

Wie ist der aktuelle Stand in Ihrem Bemühen, die verschwundenen Bawag-Gelder aufzuspüren?

Ich hatte schon während des ersten Bawag-Prozesses den Verdacht, dass Flöttl die Bank betrogen hatte, konnte mir aber damals die Sache noch nicht erklären, weil die Verluste von Arthur Andersen (US-Prüfgesellschaft, die zwei Gutachten zu den Verlusten schrieb, Anm.) bestätigt wurden. Heute ist klar: Die Andersen-Prüfung war Teil des Betrugs an der Bank. Die Kontoauszüge der Flöttl-Firmen belegen, dass es sich um Diebstahl und Betrug handelt, die Bank war das Opfer. Flöttl hat dann im Prozess falsche Urkunden vorgelegt, um seine Verbrechen zu decken.

Wie sehen Sie Flöttls Rolle?

Von der Bank wurde nicht Geld verspekuliert. Die diesen Geschäften zugrunde liegenden Verträge wurden seinerzeit vom Finanzministerium geprüft und genehmigt. Flöttl hat sich über diese Verträge hinweggesetzt und die Bank betrogen. Wenn auch im zweiten Prozess die Unterlagen zu den Geschäften nicht vorgelegt werden, wird die Justiz das angekratzte Vertrauen, von dem heute oft gesprochen wird, endgültig verlieren. Die Justiz hat die Möglichkeit, den Verbleib der Gelder viel einfacher aufzuklären als ich als Privatperson.

Wie beurteilen Sie rückblickend die Aktivitäten des früheren Bawag-Chefs Ewald Nowotny, unter Nowotny - er ist heute Nationalbank-Gouverneur - wurde die Bawag an den US-Hedgefonds Cerberus verkauft? Und wie sehen Sie den Vergleich der Bawag mit den Refco-Gläubigern?

Es handelt sich offenbar um einen Kriminalfall Ewald Nowotny, Stephan Koren (Ex-Bawag-Vize-General, Anm.) und andere. Die Anwälte der Refco-Gläubiger haben das in einer eidesstattlichen Erklärung so beschrieben: „Kein vernünftiger Mensch konnte die Handlungsweise der Bawag damals erwarten, noch erhoffen, dass sich eine derartige Konstellation in der Zukunft noch einmal ergeben wird." Nowotny, Koren, Rudolf Hundstorfer (SP-Sozialminister, Anm.) und andere haben sich in die Annalen der US-Justizgeschichte eingetragen, allerdings in eher peinlicher Weise. Man hat der Bawag ein Eigentor geschossen, dem Gegner gratuliert und sich selbst mit dem Treffer gebrüstet.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Performance der österreichischen Banken vor dem Hintergrund der Finanz-/Eurokrise? Haben Sie noch Kontakte zu „Ihrer" Bawag, verfolgen Sie deren Entwicklung?

Ich befinde mich seit 2003 in Pension und maße mir kein Urteil zur Performance anderer österreichischer Banken an. Über die Entwicklung der Bawag seit der Übernahme durch Cerberus bin ich entsetzt, die Bank ist von einer seinerzeit systemrelevanten Großbank zu einer nunmehr relativ unbedeutenden Retailbank geschrumpft. Die Bilanzsumme reduzierte sich seit 2003 von nahezu sechzig Milliarden Euro auf nunmehr unter vierzig Milliarden Euro. Das Familiensilber wurde verscherbelt, Cerberus hat offensichtlich die Bank als Müllhalde für seine toxischen Wertpapiere verwendet.

Auf einen Blick

Helmut Elsner ist wegen Untreue rechtskräftig zu 10 Jahren Haft verurteilt. Vor Neustart des Bawag-Prozesses (25. April) greift er den Investmentbanker Wolfgang Flöttl an. Dessen Verurteilung wurde vom OGH aufgehoben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Elsner erneuert auch Vorwürfe gegen Ewald Nowotny und Stephan Koren, denen jedoch nichts nachgewiesen werden konnte. Das Interview wurde per Mail geführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2012)

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