Finanzkrise: Ratingagentur sieht Banken in Gefahr

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Symbolbild(c) REUTERS (BRENDAN MCDERMID)
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Österreichs Institute verfügen im internationalen Vergleich über eine zu dünne Kapitaldecke, betont die US-Ratingagentur Standard & Poor's. Das sei bei einem neuerlichern Crash ein Risiko für die Staatsfinanzen.

Wien. Es ist ein ernüchterndes Urteil, das die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) dem heimischen Finanzsektor ausstellt: „Die österreichischen Banken sind schwach kapitalisiert“, sagt Alois Strasser, der bei der Ratingagentur für Österreich zuständige Analyst, im Interview mit der „Presse“.

Die heimischen Institute seien bei internationalen Vergleichen schon in der Vergangenheit immer am „unteren Ende gelegen“. Und auch die jüngsten Bemühungen, die Kapitaldecke zu stärken, würden daran wenig ändern. Der österreichische Finanzsektor zähle künftig bestenfalls zum „unteren Mittelfeld“, wenn es darum geht, etwaige Finanzschocks zu bewältigen, meint Strasser.

Der gebürtige Oberösterreicher ist Teil jenes Teams, das Österreich im Jänner die beste Kreditwürdigkeit – das Triple A – entzogen hat. Als Hauptgründe für die Herabstufung führte S&P damals neben der hohen Staatsverschuldung von 72 Prozent der Wirtschaftsleistung die Krise in der Eurozone sowie die hohen Risken für die heimischen Banken an. Standard & Poor's gilt unter den drei großen Agenturen als die „strengste“. Die Konkurrenten Moody's und Fitch bestätigten kürzlich das Triple A für Österreich.

Die Risken der Banken seien schlussendlich auch Risken für den Staat, sagt Strasser weiter. So führte S&P einen eigenen Stresstest für die Finanzinstitute durch. Die Annahme: ein neuerlicher Crash, von der Größenordnung noch etwas dramatischer als jener von 2008/2009 (eine Rezession von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung, ein Einbruch des Aktienmarktes um 60 Prozent und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 15 Prozent).

Das Ergebnis: Das vorhandene Eigenkapital der Banken würde „vollständig vernichtet“. Der Staat müsste rund 70 Milliarden Euro – fast ein Viertel des BIPs – in die Hand nehmen, um die Banken aufzufangen, also zu verstaatlichen. Dieses Szenario sei zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht vollkommen von der Hand zu weisen, so Strasser.

Banken investierten in Osteuropa

Eine Kapitallücke bei den heimischen Instituten sieht auch die Europäische Bankenaufsicht. Laut ihrer Vorschrift müssen alle europäischen Großbanken bis Ende Juni 2012 die Kernkapitalquote auf neun Prozent erhöhen, um für künftige Krisen gewappnet zu sein. Nach Berechnungen der EBA von Ende 2011 fehlen der Raiffeisen Zentralbank dazu noch 2,126 Mrd. Euro Euro. Bei der Erste Bank sind es 743 Millionen.

Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) wiederum hat vor wenigen Tagen ebenfalls erklärt, dass die heimischen Finanzinstitute im internationalen Umfeld unterkapitalisiert seien. Dennoch geht die Zentralbank davon aus, dass die Banken die verschärften Kapitalvorschriften erfüllen werden, wie der zuständige OeNB-Vorstand Andreas Ittner betont hat. Der Grund, warum Österreichs Großbanken schlechter als die Konkurrenz dastehen, hängt mit der Osteuropa-Expansion zusammen. Während andere Institute in der Vergangenheit mit den Gewinnen ihr Eigenkapital gestärkt haben, gaben die Österreicher das Geld für Zukäufe in Osteuropa aus.

Doch im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise stiegen in Osteuropa die Kreditausfälle. Die Banken mussten dafür Vorsorgen in Milliardenhöhe bilden. Gleichzeitig waren sie gezwungen, die zuvor teuer zugekauften Beteiligungen in Osteuropa abzuwerten. Mit Ausnahme der Bank Austria haben alle österreichischen Großbanken Hilfe vom Staat in Anspruch genommen.

Das Problem ist, dass die Banken derzeit nicht nur die strengeren Vorgaben der Aufsicht erfüllen, sondern mittelfristig auch die Staatshilfe zurückzahlen müssen. Die Raiffeisen-Gruppe hat vom Bund 1,75 Milliarden Euro erhalten, die Erste Bank 1,2 Milliarden Euro. Beide Institute haben noch keinen Plan für die Rückzahlung der Hilfsgelder vorgelegt. Die Raiffeisen Bank International deutete an, sich Geld von der Börse holen zu wollen. Doch dies ist angesichts des niedrigen Aktienkurses derzeit schwer möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2012)

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