Am Mittwoch startet der zweite Bawag-Prozess. Thema sind erneut die Karibik-Deals der Bank. "Die Presse" beantwortet die zentralen Fragen zum Verfahren. Vorerst sind bis Ende Juni 20 Verhandlungstage anberaumt.
Wien. Er gilt als der bisher größte Wirtschaftsprozess der österreichischen Justizgeschichte: der Bawag-Prozess. Da aber der Oberste Gerichtshof (OGH) weite Teile der im Sommer 2008 ergangenen neun Untreue-Schuldsprüche aufgehoben hat, kommt es ab Mittwoch zu einem Neustart. Vorerst sind bis Ende Juni 20 Verhandlungstage anberaumt. „Die Presse“ beantwortet die zentralen Fragen zum Verfahren.
1 Wie sehen die wesentlichen Eckpunkte des neuen Bawag-Prozesses aus?
Sieben Personen sind wegen Untreue bzw. Beteiligung an der Untreue angeklagt. Das größte Interesse gilt dem Investmentbanker Wolfgang Flöttl (56). Der in New York lebende Sohn des früheren Bawag-Chefs Walter Flöttl (1924–2009) war derjenige, der in den 1990er-Jahren große Teile des ihm von der Bawag anvertrauten Milliardenbetrags verloren hatte. Doch schon im Ersturteil war Flöttl in wichtigen Anklagepunkten freigesprochen worden. Übrig geblieben war ein Schuldspruch wegen „nur“ etwa 97 Millionen Euro Schadenssumme, Strafe: zweieinhalb Jahre teilbedingte Haft. Dieses Urteil hob der OGH auf. Deshalb muss das Gericht neu entscheiden. Zudem stehen vier Ex-Bawag-Vorstände, der Ex-Bawag-Aufsichtsratschef und ein Bankenprüfer (siehe Grafik) erneut vor Gericht. Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner ist nur mehr eine Randfigur. Seine Strafe (zehn Jahre Haft, die Höchststrafe für Untreue) ist längst rechtskräftig. Der 76-Jährige muss nun auf Betreiben der Bawag tageweise vor Gericht erscheinen.
2 Welche Bedeutung hat das Bawag-Verfahren für die österreichische Justiz?
Nach Ausfertigung der erstinstanzlichen Schuldsprüche landete Richterin Claudia Bandion-Ortner per ÖVP-Ticket in der Bundesregierung. Die „Bawag-Richterin“ musste aber nach wenig überzeugender Performance nach nur zwei Jahren und drei Monaten ihren Platz als Justizministerin für die (derzeitige) Ressortchefin Beatrix Karl freimachen. Indes rüstete die Justiz auf: Eine neue, auf Korruption und Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft mit Sitz in Wien nahm im Jänner 2009 ihren Dienst auf. Ein Ausbau dieser Behörde folgte. Mit September 2011 nahm die „Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption“ (WKStA) ihren Dienst auf. Auch das Gutachterwesen änderte sich: Bei Wirtschaftsstrafverfahren arbeitet man in der WKStA nun mit Experten (Finanzbeamten, Buchprüfern etc.) zusammen, um das Einholen teurer, externer Gutachten zu vermeiden.
3 Laut OGH-Urteil für Helmut Elsner betrug der Schaden 1,2 Milliarden Euro. Wo ist das Geld?
Wolfgang Flöttl ist mit der Bawag-Milliarde Finanzwetten auf den Yen eingegangen – und hat verloren. Die Frage ist: Gegen wen? Denn Geld verschwindet bei Finanzgeschäften nicht, es wechselt nur den Besitzer. Gerüchte, wonach ein Teil des Geldes nach Österreich zurückgeflossen sei, wurden nie bestätigt. Flöttl sagt, die Unterlagen seien – blöde Geschichte – bei einem Computercrash in seiner „Ross Capital“ ins elektronische Nirwana verschwunden. Und jetzt weg. Auch wenn Experten darüber nur wissend schmunzeln (Finanzunternehmen legen immer Back-ups an) – gerichtlich wurde dies zur Kenntnis genommen. Zumindest bisher.
4 Wie hat sich die ehemalige Gewerkschaftsbank Bawag seit dem Skandal entwickelt?
Die Bawag wurde 2007 für 3,2 Milliarden Euro vom US-Finanzinvestor Cerberus übernommen. Das Geschäft wurde zurückgefahren, hunderte Mitarbeiter wurden abgebaut. Um die Finanzkrise zu bewältigen, erhielt die frühere Gewerkschaftsbank 550 Millionen Euro Staatshilfe. Rückzahlung: frühestens 2014. Wie es mit der Bawag weitergeht, ist unklar. Cerberus wollte die Wiener Tochter ursprünglich mit Profit verkaufen. Doch im Zuge der Finanzkrise sind die Preise für Banken stark gefallen. Nach Auffliegen des Karibik-Skandals war die Bawag jahrelang ein Sanierungsfall. Im Vorjahr hat sie einen Gewinn von 122,5 Mio. Euro erwirtschaftet.
Der frühere Bawag-Aufsichtsratspräsident verteidigte sein Stillschweigen über große Flöttl-Verluste gegenüber dem Aufsichtsrat. Heute fühlt er sich getäuscht.
Obgleich der Richter den Ruf hat, lange zu verhandeln, ging es am Donnerstag sehr schnell: Drei Jahre Haft für den ehemaligen Generalsekretär Peter Nakowitz, davon wurden zwei Drittel auf Bewährung ausgesetzt.
Erstes Urteil im zweiten Bawag-Prozess: Der ehemalige Generalsekretär und Elsners "rechte Hand" Peter Nakowitz wurde zu einer zusätzlichen Haftstrafe von drei Jahren verurteilt.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.