Rothschild: "Global gesehen bin ich ziemlich entspannt"

Rothschild Global gesehen ziemlich
Rothschild Global gesehen ziemlichAP (2004)
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Edouard de Rothschild ist mehr als nur ein Springreiter. Als Sprössling der berühmtesten Bankiersfamilie überhaupt gehört er zur globalen Elite. Krise, Politik und der »Schluckauf« beim Euro bereiten ihm keine Sorgen.

Gratulation zu Ihrem Ritt. Sie waren heute fehlerfrei, oder?

Edouard de Rothschild: Ja, meine Pferde sind sehr gut.

Haben Sie noch vor, heuer zu den Olympischen Spielen zu fahren?

Nicht dieses Jahr, ich habe mich nicht qualifiziert. Nächstes Jahr ist Europameisterschaft. Die Olympischen Spiele sind ein Ziel – aber nicht das einzige. Das Ziel ist eigentlich, die Pferde zu genießen, sie glücklich zu machen, von ihnen zu lernen und mit ihnen zu leben. Die Turniere sind natürlich auch eine Herausforderung. Aber ich hatte schon so viele Herausforderungen in meinem Leben.

Lassen sich das Reiten und Ihre früheren Herausforderungen denn vergleichen?

Sie sind sehr verschieden. Ich lerne jeden Tag und jedes Jahr dazu.

Sie haben 2003 mit 45Jahren den Banken den Rücken gekehrt. Warum?

Ich habe das viele Jahre lang gemacht. Seit ich meine Karriere 1981 in Amerika begonnen habe. Ich glaube, dass es im Leben Phasen gibt. Und die Pferde habe ich immer geliebt. Es ist die Leidenschaft, die ich mit meinem Vater teile. Bis letzten Dezember war ich auch Vorsitzender der Rennorganisation France Galop, da konnte ich meine Managementfähigkeiten fantastisch einbringen. Das Bankwesen war faszinierend, ich habe es enorm genossen – aber alles hat seine Zeit.

Sie kommen aus einer Bankiersdynastie. Wollten Sie denn überhaupt Banker werden?

Ja. Die Rothschild-Bank wurde von der sozialistischen Regierung 1981 verstaatlicht. Die Bank war zu diesem Zeitpunkt am Boden. Die Leute sagten, niemand sonst hätte den Preis gezahlt, den die Regierung zahlte. Ich habe dann eine komplett andere Art von Bank aufgezogen, zwischen Investment und Beratung. Es war eine Möglichkeit, die Rothschild-Flagge wieder an die Spitze zu bringen, und ich glaube, ich habe dafür so viel getan, wie ich konnte. Jetzt ist Rothschild wieder in einem sehr guten Zustand.

Haben Sie Angst, dass Sie eines Tages erneut eine Verstaatlichung Ihrer Bank miterleben müssen?

Ich glaube nicht, weil es eine private Institution ist, die vor allem beraterisch tätig ist. Ihre Assets sind die Mitarbeiter, das kann man mit dem Kreditgeschäft von früher nicht vergleichen.

In welche Richtung wird sich der Banksektor in den nächsten Jahren bewegen?

Viele Leute sind qualifizierter, darüber zu sprechen, als ich. Die Situation entwickelt sich gerade erst. Ich glaube, die Krise ist noch nicht vorüber. Je schneller das geht, desto besser, denn dann kann man auf einer neuen Basis, mit einer neuen Ausrichtung neu anfangen. Ich glaube, es ist alles gut. Die Welt und die Wirtschaft machen Zyklen durch.

Wie könnte das Währungssystem am Ende der Krise aussehen?

Davon habe ich keine Vorstellung. Und ich bin wirklich nicht qualifizierter als andere, darüber zu sprechen. Es ist nicht so, dass ich nicht gern darüber spreche, aber ich spekuliere nicht. Ich bin kein Währungsexperte. Ich verfolge, was passiert, als ein Bürger dieser Welt. Mich interessiert, was global und international passiert – und auf der anderen Seite widme ich meine Zeit den Pferden, meinem Sport, meiner Familie und meinen Kindern.

Besorgt Sie die Wirtschaftslage nicht?

Nein, ich mache mir keine Sorgen. Ich mache mir selten Sorgen. Es bringt nichts, sich Sorgen zu machen. Man kann versuchen, vorauszusehen, was kommt, und ein paar gute Entscheidungen treffen – ein bisschen proaktiv zu sein. Aber es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

Sie verstehen sich als Weltbürger. Wo haben Sie denn Ihren Lebensmittelpunkt?

Ich habe meine Basis in Europa. Ich bin französischer und israelischer Staatsbürger. Aber ich wohne in Frankreich und zahle dort meine Steuern.

François Hollande fordert 75Prozent Reichensteuer. Sorgt Sie das?

Über solche Dinge denke ich nie aus der persönlichen Perspektive nach. Ich habe eine globale Sicht. Alle Länder sind miteinander verbunden. Da bleibt wenig Raum für die Manöver von Herrn X. und Herrn Y. oder Frau Z.

Sorgen Sie sich um den Euro als Währung?

Nein. Ich sehe das aus einem globalen und langfristigen Blickwinkel heraus und daher bin ich ziemlich entspannt.

Was macht Sie so entspannt?

Erstens bringt es nichts, Zeit und Energie zu vergeuden, indem man sich über Dinge sorgt, die man nicht ändern kann. Auch der französische Präsident hat nur beschränkte Macht, weil er mit dem Rest der Welt sehr verbunden ist. Und einzelne Menschen, egal wer, können nicht viel verändern. Wenn mich die Pferde vielleicht etwas gelehrt haben, dann ist es, mir keine Sorgen zu machen. Ich habe mir definitiv mehr Sorgen gemacht, bevor ich angefangen habe, mit den Pferden zu arbeiten.

Aber auch aus einer globalen Perspektive entwickelt sich das Projekt Euro nicht gerade nach Plan, oder?

Nein, da gibt es Schluckauf. Ups and Downs und dieses und jenes. Unterm Strich haben wir aber ein paar sehr verantwortungsbewusste Leute, die die Welt führen. Natürlich kann es Überraschungen geben und Dinge, die man nicht voraussieht. Aber ganz generell war die Balance ganz vernünftig. Schauen Sie, es hat eine große Bankenkrise gegeben. Sie wurde ganz gut gemanagt. Nicolas Sarkozy hat dabei seine Sache gut gemacht, und ich bin sicher, jeder andere vernünftige Mensch hätte dasselbe gemacht. Man hat keine Wahl. Es gibt nur einen Weg.

Wer hat keine Wahl?

Niemand hat eine. Jede Regierung, jeder Präsident, jeder Premierminister – sie alle haben die Verantwortung, auf die eine oder andere Art erfolgreich zu sein. Schneller oder langsamer, aber sie haben keine Wahl.

Sie sind auch Eigentümer der als links geltenden Zeitung „Libération“. Warum?

Das ist eine Frage, die mir schon oft gestellt wurde. Als Investmentbanker war ich ziemlich im Mediensektor involviert. Und als ich die Bank verließ, dachte ich mir, intellektuell wäre es eine Herausforderung, noch etwas anderes als die Pferde zu haben. Ich habe mir viele Möglichkeiten angeschaut. Auch die, in Frankreich eine neue Zeitung zu gründen. Aber es wäre nicht zukunftsfähig gewesen, es hätte nichts gebracht. Also haben wir uns andere Optionen angeschaut. „Libération“ war zu diesem Zeitpunkt für einen Investor zu haben, und wir haben sie genommen. Es ist eine große Herausforderung. Wissen Sie, ich bin niemand, der sagt, ich sei links oder rechts oder dies oder das. Ich glaube an die Qualität von Menschen. Die Frage, ob „Libération“ eine linke Zeitung ist, hat das Investment nicht beeinflusst. Ich denke, dass die Diversität der französischen Zeitungen etwas sehr Wichtiges ist. Es war also keine Investition, um Geld zu verdienen, sondern um zu helfen, den Sektor zu retten. Inzwischen hat „Libération“ ein sehr gutes Management.

Wie sieht für Sie die Zeitung der Zukunft aus?

Zeitungen machen eine große Veränderung durch, das Internet wird wichtiger. Wir leben in einer sich verändernden, sich entwickelnden Welt. Die Herausforderung ist es, sich an die Veränderungen anzupassen. Man muss dort sein, wo die Leser sind.

Woher bekommen Sie Ihre Nachrichten?

Ich lese in der Früh die Zeitungen. Dann reite ich. Und ich habe einige Leute, mit denen ich spreche.

Sie haben sich 2003 ursprünglich ja nur ein Sabbatical genommen. Warum wollten Sie nach einem Jahr nicht zurück in die Bank?

Ich hatte, als ich das Sabbatical begann, schon im Hinterkopf, dass das eine Option wäre. Aber warum Türen zuschlagen, bevor man erlebt hat, was dahinter liegt? Aber ich habe dann dieses neue Leben wirklich genossen, das ich zwischen den Pferden und der Zeitung aufteile. Und meiner Familie. Es ist eine großartige Möglichkeit, ein abwechslungsreiches Leben zu führen.

Was würden Sie gerne noch tun?

Ich würde gerne ein großartiger Vater sein und meinen Kindern ermöglichen, glücklich zu sein und großartige Bürger dieser Welt werden. Ich gebe keine Statements dazu ab, was sie tun oder nicht tun sollten. Ich will nur, dass sie ein interessantes Leben haben.

Machen Sie sich auch um deren Zukunft keine Gedanken? Über das, was an Wirtschafts- oder Umweltproblemen auf sie zukommen könnte?

Nun, sie starten immerhin auf einer guten Basis, viele Menschen haben diese Möglichkeit nicht. Wenn ich ihnen etwas beibringen kann, dann Mut, Willensstärke und echtes Wollen. Und was immer sie auswählen und tun, ich hoffe, dass sie eine Balance finden. Sie müssen ja nicht die Nummer eins sein.

Edouard de Rothschild

Stammt aus dem französischen Zweig der Bankiersfamilie Rothschild, er ist ein Urururenkel des Dynastiegründers Mayer Amschel Rothschild. Er wurde 1957 als Sohn von Guy de Rothschild in Neuilly-sur-Seine bei Paris geboren, auch seine Mutter entstammt der Familie. Edouard de Rothschild studierte in Paris und New York und arbeitete als Investmentbanker, ehe er 1987 mit seinem Halbbruder und einem Cousin die Rothschild & Cie. Banque gründete.

2003 nahm er sich ein Sabbatical-Jahr, danach zog er sich aus dem operativen Geschäft zurück. 2005 wurde er Hauptanteilseigner der von Jean-Paul Sartre gegründeten Tageszeitung „Libération“. Er sitzt im Aufsichtsrat verschiedener Unternehmen, darunter des familieneigenen Weinguts Château Lafite, und hat vier Kinder.

Seine Leidenschaft sind die Pferde. Er ist Springreiter, betreibt eine Reitanlage in Ferrière und züchtet Rennpferde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2012)

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