Treichl an Aktionäre: „Das tut mir wirklich leid“

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Nach Dividendenausfall und Rekordverlust zürnen Kleinaktionäre der Erste-Bank-Führung. Vor allem der im vergangenen Herbst erfolgte „Bilanzputz“ sorgte für Kritik.

Wien. „Ich bin froh, dass 2011 vorbei ist“, sagte Erste-Bank-Chef Andreas Treichl am Dienstag bei der Hauptversammlung des Instituts. Im Vorjahr hatte Österreichs führende Bank mit 719 Mio. Euro den größten Verlust in der fast 200-jährigen Geschichte erwirtschaftet. Der Kurs der Erste-Bank-Aktie stürzte ab (siehe Grafik). Der Bonus für den Vorstand wurde gestrichen. Und die Aktionäre bekommen keine Dividende ausbezahlt. „Das tut mir wirklich leid. Das bringt Ihnen nichts. Aber Sie wissen es wenigstens“, so Treichl zu den 800 Investoren, die in das Wiener „Austria Center“ gekommen waren.

Vor allem der im vergangenen Herbst erfolgte „Bilanzputz“ sorgte für Kritik. Damals wertete die Bank sogenannte „Kreditausfallversicherungen“ (CDS) ab. Dabei handelt es sich um Wertpapiere, mit denen sich institutionelle Investoren (wie Banken und Versicherungen) bei der Erste Bank gegen eine Pleite von Staaten und anderen Finanzkonzernen absicherten.

Im Gegenzug erhielt das Institut eine Prämie. Die Erste Bank hatte vorübergehend solche CDS von 5,2 Mrd. Euro als „außerbilanzielle Position“ gehalten, in Finanzkreisen spricht man von „Off-Balance-Geschäften“. Durch die Abwertung entstand ein Verlust von 180 Mio. Euro.

„Schwören Sie dem Sündenfall ab“

Der für unangenehme Anfragen bekannte Aktionär Rupert-Heinrich Staller verglich das CDS-Abenteuer der Ersten mit den Spekulationsgeschäften der Bawag in der Karibik und mit der Kommunalkredit. Treichl und das Management hätten den guten Namen des Instituts zu Markte getragen. „Wir Aktionäre wollen an einer Sparkasse beteiligt sein und nicht an einem Hedgefonds.“ Schließlich habe Treichl in der Vergangenheit stets erklärt, dass er sich auf das klassische Kerngeschäft einer Bank – das Spar- und Kreditgeschäft – konzentriere.

Inzwischen hat die Erste Bank fast ihr gesamtes CDS-Portfolio verkauft. Staller verlangte vom Vorstand das Versprechen, nie wieder solche Geschäfte einzugehen: „Schwören Sie dem Sündenfall ab.“

Treichl wies Parallelen mit der Bawag und der Kommunalkredit zurück. Auch Vorwürfe, die umstrittenen CDS-Positionen in der Vergangenheit verheimlicht zu haben, bestreitet er. Seinen Angaben zufolge werde die Bank CDS „nicht mehr als Kreditsurrogate“ (eine bestimmte Finanzierungsform) machen: „Das verspreche ich.“ Es sei aber möglich, dass solche Wertpapiere im Rahmen des normalen Risikomanagements eingesetzt werden.

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Rumänien und Ungarn als Baustellen

Neben den CDS gab es bei der Hauptversammlung Diskussionen über die Probleme in Rumänien und in Ungarn. Ein Aktionär befürchtete, dass sich die Bukarester Tochter „Banca Comerciala Romana“ (BCR) zum „Fass ohne Boden“ entwickeln könnte.

Die Erste Bank hatte Rumäniens Marktführer vor der Finanzkrise im Jahr 2006 für 3,75 Mrd. Euro erworben. Seitdem musste die BCR in mehreren Wellen abgewertet werden. Bei der Hauptversammlung wurde der aktuelle Firmenwert mit 1,1 Mrd. Euro und der Markenwert mit 300 Mio. Euro angegeben. Im ersten Quartal 2012 verbuchte die Rumänien-Tochter einen Verlust von 72,2 Mio. Euro, das Volumen der Problemkredite am gesamten Kreditvolumen kletterte auf 20 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich sind es acht Prozent.

Treichls Angaben zufolge werde alles unternommen, um die BCR auf Vordermann zu bringen. Jüngst wurden Teile des Führungsteams ausgewechselt. Er, so Treichl, sei überzeugt, dass die BCR bald so viel Freude machen werde wie die Töchter in Tschechien und in der Slowakei, die seit Jahren hohe Gewinne erzielen.

Erste hält an Osteuropa-Strategie fest

Eine Baustelle im Konzern ist auch die Ungarn-Tochter. „Was in Ungarn passiert ist, hat meine Vorstellungskraft gesprengt“, so der Bankchef. Neben einer Sondersteuer zwang die Regierung in Budapest die Institute, Fremdwährungskredite zu einem günstigeren Kurs umzutauschen. Für die Verluste daraus müssen die Banken aufkommen. Die Ungarn-Tochter der Ersten wird vermutlich erst 2014 wieder Gewinne abwerfen.

Trotz der Schwierigkeiten hält Treichl an der Osteuropa-Strategie fest. Denn die Länder im Osten des Kontinents werden in den nächsten Jahren ein höheres Wachstum aufweisen als im Westen. Viele Analysten teilen diese Einschätzung. Laut „Bloomberg“ gibt es für die Aktie 20 „Kauf“-Empfehlungen. Sieben Experten empfehlen, das Papier zu halten. Nur einer rät, die Aktie zu verkaufen. Und Treichl denkt schon über weitere Expansionsschritte nach: Langfristig will er auch nach Polen und Bulgarien gehen.

Offen ist noch, wann die Erste Bank die im Zuge der Finanzkrise erhaltene Staatshilfe in Höhe von 1,2 Mrd. Euro zurückzahlen wird. Dafür erhält der Bund acht Prozent Zinsen pro Jahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2012)

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