Treichl: „Wer soll das noch verstehen?“

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Trotz Eurokrise haben Österreichs Banken heuer schon über eine Milliarde Euro verdient. Dies hängt weniger mit dem operativen Geschäft, sondern vielmehr mit Sondereffekten zusammen

Wien. Österreichs Finanzkonzerne scheinen sich überraschend schnell vom Krisenjahr 2011 erholt zu haben: Trotz der Turbulenzen in der Eurozone vermeldet heuer eine Bank nach der anderen kräftige Ergebnissteigerungen. Doch sieht man sich die Bilanzen genau an, zeigt sich, dass die Zuwächse vor allem auf Sondereffekte – wie dem Rückkauf eigener Anleihen – zurückzuführen sind. Das klassische Spar- und Kreditgeschäft hat sich bei Weitem nicht so gut entwickelt. Nicht alle Banker sind über diese Gewinnsteigerung glücklich. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl meinte dazu vor Kurzem: „Wir kaufen unsere eigenen Papiere zurück und machen damit Gewinne. Ist die Welt nicht wunderbar? Aber wer soll das noch verstehen?“

Rückgang der Anleihenkurse

Im Vorjahr sah die Ertragslage nicht allzu rosig aus: Damals verbuchten die Kreditinstitute in Österreich ein konsolidiertes Jahresergebnis von zusammen 710 Mio. Euro. Das ist laut Nationalbank-Berechnungen ein Rückgang von 84 Prozent gegenüber 2010. Denn viele Institute waren gezwungen, Töchter in Osteuropa abzuwerten.

Heuer zeigt sich eine andere Entwicklung. Die drei größten Banken des Landes (Erste Group, Bank Austria und Raiffeisen Bank International) erzielten im ersten Quartal 2012 in Summe einen Nettogewinn von 1,28 Mrd. Euro. Doch davon ist nicht alles nachhaltig. Diverse Sondereffekte verhalfen den Banken zu einem Vorsteuergewinn von 644 Mio. Euro.

Zu den „Klassikern“ gehört der Rückkauf von eigenen Anleihen, sogenannten „Hybridpapieren“. Dabei handelt es sich um Wertpapiere, die lange vor der Finanzkrise ausgegeben wurden und meist eine unbegrenzte Laufzeit haben.

Die Investoren erhalten dafür eine jährliche Verzinsung, diese liegt aktuell bei etwas mehr als drei Prozent. Laut den neuen Vorschriften der Aufsicht (Basel III) dürften solche Papiere nicht mehr zur Gänze dem Eigenkapital zugerechnet werden.

Im Zuge der Finanzkrise sind nicht nur die Aktienkurse der Banken gesunken, sondern auch die Hybridpapiere verloren an Wert – zeitweise um mehr als 50 Prozent. Die Institute kaufen nun die Anleihen zum günstigen Kurs zurück. Den Differenzbetrag können sie in der Bilanz als Gewinn verbuchen.

Die Erste Group wies beispielsweise für das erste Quartal 2012 einen Nettogewinn von 346,5 Mio. Euro aus. Der Rückkauf von Hybridanleihen brachte vor Steuern einen Erlös von 250,6 Mio. Euro, im zweiten Quartal sollen noch einmal 160 Mio. Euro hinzukommen. Bei der Bank Austria lag der Gewinn zuletzt bei 399 Mio. Euro – die Hybridanleihen schlugen sich brutto mit 124 Mio. Euro zu Buche.

Die Raiffeisen Bank International (RBI) verdoppelte den Nettogewinn auf 541 Mio. Euro. Durch den Verkauf von Wertpapieren und durch die Hybridgeschäfte ergab sich ein Vorsteuergewinn von 270 Mio. Euro. „Selbst unter Abzug der Sondereffekte bleibt unter dem Strich ein Gewinn, mit dem wir sehr zufrieden sein können“, betont RBI-Chef Herbert Stepic.

Sondergewinn auch für die ÖVAG

Auch die marode Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG), die mit der Teilverstaatlichung vor der Pleite gerettet wurde, kauft bis 11.Juni Hybridanleihen von 300 Mio. Euro zurück. Dies könnte einen Sondergewinn von bis zu 180 Mio. Euro bringen.

Solche Geschäfte sind derzeit in Europa gang und gäbe. Die italienische Bank-Austria-Mutter UniCredit machte zuletzt einen Quartalsgewinn von 914 Mio. Euro. Rechnet man die diversen Anleihengeschäfte heraus, schrumpft der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um knapp die Hälfte auf 444 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)

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