Firmen fischen in Krisenländern nach Fachkräften

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Die Wirtschaftskammer will die Krise in Spanien, Griechenland und Irland nützen, um den Fachkräftebedarf in Österreich zu decken. Die Gewerkschaft ist brüskiert und fordert mehr Ausbildung in den Betrieben.

Wien/Hie. „Wir konnten in Österreich keine Fachkräfte finden“, sagt Elmar Hartmann, Geschäftsführer des Vorarlberger Elektronikunternehmens Gantner zur „Presse“. Also entschied man sich kurzerhand für einen Ausflug nach Spanien, in das Land mit der höchsten Arbeitslosigkeit in der EU.

Jeder vierte Spanier hat derzeit keinen Job. Unter den Jugendlichen gibt es mehr als 52Prozent Arbeitslose. Warum das nicht nützen, wo doch der Fachkräftemangel den österreichischen Unternehmen zunehmend Kopfzerbrechen bereitet?

Hartmann wurde fündig: Seit März hat er drei Entwickler „zwischen 20 und 30Jahren“ eingestellt. Nach einer Probezeit wurden ihre Verträge unbefristet verlängert. „Das hat sehr gut funktioniert. Die Leute sind sehr offen“, sagt Hartmann. Weil die Zuzügler noch nicht allzu gut Deutsch können, wird derzeit noch hauptsächlich auf Englisch kommuniziert. Deutsch zu lernen war Teil der Vereinbarung, das sei für die drei Spanier aber kein Problem. „Ihr Ziel ist es, länger hierzubleiben.“

Arbeitskräfte-Fischen in Krisenländern – die Wirtschaftskammer macht das nun zum Programm. Auch Gantner Technologies wurde bei der Suche von der Kammer unterstützt. Laut Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl fehlen in Österreich derzeit 30.000Facharbeiter, die nicht aus dem heimischen Nachwuchs besetzt werden könnten. Jedes zweite Unternehmen mit mehr als 20Mitarbeitern beklage, es habe Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. An dem Pilotprojekt in Vorarlberg haben sich fünf Unternehmen beteiligt. Im Juni werden weitere 16Unternehmen aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg nach Madrid reisen und Vorstellungsgespräche führen, sagte Friedrich Steinecker, Marketingleiter der Außenwirtschaftsorganisation der Wirtschaftskammer am gestrigen Mittwoch. Ab Herbst soll auch in Irland, Portugal, Griechenland und eventuell Italien nach Arbeitskräften gesucht werden.

1200Interessenten aus Spanien

Interessenten aus den Krisenländern können sich auf einer Internetseite bewerben. Dann wird anhand der Lebensläufe eine Vorauswahl getroffen. Die Unternehmen treffen dann nur ein paar Kandidaten zum persönlichen Gespräch. Die Firma Gantner habe etwa zehn Bewerber persönlich getroffen, sagt Geschäftsführer Hartmann: „Aber die Auswahl ist groß.“ Im zweiten Durchgang haben sich laut Wirtschaftskammer 1200 spanische Interessenten registriert.

Wenig begeistert zeigte sich die Gewerkschaft: Die Betriebe sollten lieber selbst mehr Fachkräfte ausbilden anstatt sie zu importieren, hieß es von der Österreichischen Gewerkschaftsjugend. Die Gewerkschaft fordert stattdessen eine „Fachkräftemilliarde“. Mit diesem Geld sollen jene Unternehmen unterstützt werden, die Lehrlinge ausbilden. Das Geld soll von den Betrieben selbst kommen.

Im Zuge der Wirtschaftskrise hat sich die Zahl der Zuwanderer aus Portugal, Irland, Griechenland und Spanien nach Österreich verdoppelt. 2011 kamen etwa 1130Spanier nach Österreich, 474 von ihnen blieben auch hier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2012)

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