Pöttinger: Die reiche Ernte des Uhrmachers

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Vor 141 Jahren gründete der Uhrmacher Franz Pöttinger ein Unternehmen, das mittlerweile in vierter Generation besteht, 1300 Mitarbeiter beschäftigt und Landwirtschaftsgeräte in 54 Länder der Welt exportiert.

Grieskirchen/G. h. „Wir sind mittlerweile eine kleine Fremdenverkehrsattraktion“, erzählt Hubert Jungreithmair während er durch die riesigen Werkshallen des Landmaschinenerzeugers Pöttinger im oberösterreichischen Grieskirchen führt. Täglich geht er vorbei an den Maschinen, die millimetergenau Stahlteile für Pflüge oder Ladewägen aus dicken Stahlplatten stanzen oder computergesteuert mittels Laser herausschneiden. Mehr als 900 Menschen arbeiten hier. Es ist laut, heiß und es riecht nach Good Old Economy. Hier wird gefräst, geschraubt, gebohrt und gehämmert. Hubert Jungreithmair, der Leiter der Verkaufsförderung, führt hier oft Menschen durch die Fabrik. Bauern, Schulklassen, Kunden. Und das mit der Fremdenverkehrsattraktion ist wörtlich zu verstehen. „Wir haben jedes Jahr etwa 4000 Nächtigungen von Kunden“, erzählt Heinz Pöttinger. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Klaus leitet er seit 1991 das Familienunternehmen. Mittlerweile ist die vierte Generation am Ruder.

Im vergangenen Jahr feierte man das 140-jährige Bestandsjubiläum. 1871 hat Franz Pöttinger die Firma gegründet. Er war Uhrmacher. „Für Kirchturmuhren natürlich, weil Armbanduhren waren damals noch selten“, scherzt Jungreithmair. Ein Bauer fragte, ob Pöttinger aus all den Zahnrädern nicht auch eine Futterschneidmaschine bauen könne. Franz Pöttinger konnte. Und seine Nachfahren erzielen mit dem Ladewagen noch heute einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes. Futterzerschneiden ist allerdings mittlerweile zu einer Hightech- und Highspeed-Unternehmung geworden. Das Aushängeschild wird gerade von Arbeitern auf der Produktionsstraße zusammengebaut. „Jumbo“, ein „Hochleistungsladewagen“ wie er im Prospekt steht. Mit dem von einem Traktor gezogenen Wagen wird Gras gemäht und automatisch aufgeladen. „Hier drinnen steckt unsere spezielle Technologie“, sagt Jungreithmair und zeigt auf einen kleinen Kasten an der Seite der Maschine. „Autocut“ steht darauf, ein System, das vollautomatisch die Messer schleift. Warum so viel Tamtam um einen überdimensionierten Rasenmäher? „Das Gras wird nicht einfach geschnitten“, erklärt Heinz Pöttinger. Durch einen speziellen quetschenden Schnitt werde die Zellstruktur des Grases aufgeschlossen. Die Kühe verdauen das Gras besser und geben mehr und bessere Milch, leiden unter weniger Krankheiten, weil das Futter kaum verunreinigt wird. „Gras ist ein sehr kompliziertes Gut“, sagt Pöttinger.

Längst sind Ladewagen, Pflug und Sähmaschine zu hochsensiblen Geräten mutiert, bei denen immer mehr Elektronik zur Anwendung kommt. Produziert wird auch an Standorten in Deutschland und Tschechien. Pöttinger beschäftigt mehr als 1300 Mitarbeiter und exportiert in 54 Länder der Welt. Wichtigster Absatzmarkt ist Deutschland. Auf dem Gebiet der Ladewagentechnik ist Pöttinger Weltmarktführer.

Am Rande des Firmenareals liegt die Forschungsabteilung. 90 Experten leisten hier Entwicklungsarbeit. Pioniergeist habe das Unternehmen seit jeher ausgezeichnet, betont Heinz Pöttinger. Sein Urgroßvater habe elf Meistertitel besessen, der Großvater habe noch sechs Meisterprüfungen absolviert, der Vater immerhin drei. „Ich habe keine, ich bin mit Herz und Seele Kaufmann“, betont der Betriebswirt.

Lackieranlage als Herzstück

Ein Herzstück im Pöttinger-Werk ist die hochmoderne Lackieranlage. Hier bekommen nicht nur Pöttinger-Geräte ihren speziellen Anstrich. Auch andere Konzerne wie der Feuerwehrausrüster Rosenbauer, Kranbauer Palfinger oder die Steyr-Traktore setzen auf die von Pöttinger entwickelte Lackiertechnik.

236 Mio. Euro Umsatz erzielte das Unternehmen im Vorjahr, 85 Prozent davon im Ausland. Das Unternehmen prosperiert. Das war nicht immer so. In den 1990er-Jahren stand Pöttinger ganz anders da. Absatzeinbrüche, hervorgerufen unter anderem durch die BSE-Krise, führten dazu, dass ein Werk in Deutschland geschlossen werden und der Mitarbeiterstand halbiert werden musste.

Heute sei Pöttinger in allen Ländern vertreten, in denen „sinnvolle Agrarproduktion möglich ist“, sagt Pöttinger. Vor allem China und Indien, aber auch Südamerika seien interessante Zukunftsmärkte, betont er, während nebenan in der Halle wieder ein „Jumbo“ vom Stapel läuft.

„Früher hatten wir riesige Lagerhallen“, erzählt Hubert Jungreithmair. Mittlerweile werde nur noch auf Bestellung produziert. „Wir gehen eben mit der Zeit“, sagt er. Wie es sich für ein Imperium gehört, das von einem Uhrmacher gegründet wurde.

Nächster Teil: 29. Juni

Auf einen Blick

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2012)

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