EM: Der Rasen, der die Welt bedeutet, kommt aus Parndorf

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Eine österreichische Firma lieferte den Rasen für die EM, unter anderem fürs Finalspiel. Ein Rasen für ein Fußballstadion ist keine kleine Sache. Die Fußball-Union schreibt eine Rasenhöhe von 30 Millimetern vor.

Podersdorf/Wien. Alexander Richter ist ein höflicher und umgänglicher Mensch. Deswegen sagt er auch nicht, dass er nach dem Spiel Spanien gegen Italien in Danzig vermutlich vor Freude im Wohnzimmer getanzt hat. Nicht wegen des 1:1, sondern wegen des Rasens: Der hat den Spaniern nämlich nicht gefallen, und deswegen haben sie lautstark protestiert. Das ist ungefähr so, als würden sich die Spieler über die Fußballschuhe von Adidas beschweren. Und Richter wäre der Chef von Nike.

In der Realität ist Richter Chef der Firma Richter-Rasen im unscheinbaren Deutsch-Brodersdorf in Niederösterreich. Das kleine Unternehmen mit 40 Mitarbeitern (inklusive einer Niederlassung in der Slowakei) hat die Rasen für drei der vier Fußballstadien in der Ukraine geliefert: Lemberg, Donezk und Kiew (zumindest mit dem Rasen ist Österreich also im Finale der Fußball-EM dabei). Die Polen haben sich für einen Rasen der Konkurrenz entschieden. Und was der nicht kann, haben die Spanier der Welt verkündet. Zur stillen Freude des Niederösterreichers.

Ein Rasen für ein Fußballstadion ist keine kleine Sache. Die Fußball-Union schreibt eine Rasenhöhe von 30 Millimetern vor, es gibt eigene Rasenbeauftragte und eine strenge Liste mit Anforderungen. „Ideal sind 28 Millimeter“, weiß Richter. „Unter 26 Millimeter ist es für den Rasen nicht mehr lustig, weil die Gräser über die Sonne nicht mehr genug Kraft tanken können.“ Und bei mehr als 28 Millimetern wird der Ball zu langsam – vor allem dann, wenn der Rasen zu trocken ist, so wie im Spanien-Spiel.

Bereits bei Euro 2008 im Einsatz

„Der holländische Rasen kann nicht so viel Wasser aufnehmen, sonst wird er sumpfig“, erklärt Richter. Also hat der „Greenkeeper“ der Uefa einige Zeit vor dem Spiel aufgehört, den Rasen zu wässern. Die Folgen waren die Trockenheit und eine Unterlage, die der spanische Spielmacher Xavi als „eine Schande“ bezeichnete.

Ein Rasen aus dem Hause Richter kann dagegen viel Wasser aufnehmen – wie er bei der Europameisterschaft 2008 in Wien bewiesen hat. Während des Halbfinales Deutschland gegen die Türkei (in der Schweiz) gab es ein heftiges Unwetter in Wien. „In Schwechat konnten die Flugzeuge nicht starten, aber im Ernst-Happel-Stadion stand keine einzige Pfütze.“

Zu verdanken hat man das unter anderem dem Boden von Parndorf (Burgenland). Hier und in der Slowakei wachsen auf 300Hektar die Rasen der Firma – riesig, intensiv grün und auf drei Zentimeter getrimmt. Der Boden besteht zu 98 Prozent aus Quarzsand, nur knappe zwei Prozent sind organische Substanzen. „Der Mais wird darauf gerade einmal kniehoch.“ Aber der Rasen ist dank des hohen Quarzanteils sehr wasserdurchlässig und sehr stabil. Auf diesem Boden wird er zum „Stadionrasen SR“, dem Ferrari unter den Richter-Rasen.

Zwei Jahre wächst der SR in Ruhe. Er wird bewässert, gemäht, gedüngt, vertikutiert und dann von großen Maschinen abgetragen und aufgerollt. Wenn Richter ihn wieder in einem Stadion ausrollt, zahlt der Besitzer dafür zwischen sechs und 30Euro pro Quadratmeter. Ein Fußballfeld mit Umrandung benötigt etwa 8000Quadratmeter Rasen. Man kann sich ausrechnen, wie teuer das ist. Den Polen jedenfalls zu teuer, deswegen haben sie sich für den billigeren Rasen entschieden. Mit Folgen.

Rasen in vierter Generation

Alexander Richter ist in vierter Generation im Rasengeschäft. Sein Urgroßvater Heinrich gründete 1906 das Unternehmen. Er erntete Rasenziegel im Burgenland und lieferte sie für die Wiener Stadtgärten und für den Kaiser. Der Großvater führte das Geschäft nach dem Zweiten Weltkrieg weiter und half, die bekannte Rasenmarke Loretta zu kreieren. Der Vater setzte in den 1960er-Jahren auf die industrielle Produktion, seit 15Jahren arbeitet Alexander in der Geschäftsführung mit, seit 2006 führt er das Unternehmen.

Etwa 40Stadien hat er allein in Russland mit seinem Naturrasen ausgestattet, aktuell hat er einen Auftrag in Skopje gewonnen und plant bereits für die Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland.

Die Stadien machen etwa 30Prozent des Umsatzes aus (über die Höhe schweigt Richter, Schätzungen gehen von fünf Millionen Euro aus). Der Rest wird mit Gebrauchs- und Zierrasen für Private gemacht, auch die Stadt Wien kauft Rollrasen bei Richter.

Der größte Konkurrent sind übrigens nicht die etwa 1000 anderen Rasenanbieter in Europa, sondern die chemische Industrie. Die versucht seit Jahren, ihre Kunstrasen durchzusetzen. Doch die haben neben „dem fehlenden Geruch, der einfach zu einem Fußballspiel gehört“, noch einen weiteren Nachteil – der vor allem die österreichische Nationalmannschaft noch mehr in Bedrängnis bringen würde: „Der Ball läuft zu schnell.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2012)

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