Reichensteuer: Ein Gesetzespfusch kommt selten allein

(c) Clemens FABRY
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Bundeskanzler Faymann will sich die Konstruktion der viel kritisierten Grundbucheintragungsgebühr als Vorbild für die geplante Vermögenssteuer nehmen. Wir dürfen uns also auf eine Lachnummer einstellen.

Die von Justizministerin Beatrix Karl vorgelegte Neuordnung der Grundbucheintragungsgebühr werde das Grundbuch als „wichtiges Instrument der Rechtssicherheit schwer beeinträchtigen“. Die Konstruktion der zahlreichen Ausnahmen werde verfassungsrechtlich wahrscheinlich nicht halten, auch die Konstruktion dieser „Gebühr“ als versteckte Steuer werde von Verfassungsexperten als bedenklich empfunden, sagt der Industrielle Hannes Androsch, als Ex-Finanzminister in der Materie nicht ganz unbeleckt.

Fazit des prominenten SPÖ-Expolitikers: Es handle sich um eine „unfassbar kurzsichtige Lösung“, bei der sich das Justizministerium in steuerpolitische Grundsatzfragen einmische, „ohne die Zusammenhänge zu kennen oder zu erkennen“.

Kein Wunder, dass Bundeskanzler Werner Faymann hellauf begeistert ist und den Grundbuchpfusch der schwarzen Justizministerin gleich als Vorbild für seine „Reichensteuer“ nehmen will. Offenbar bahnt sich im Hintergrund ja schon ein ziemlich typischer großkoalitionärer Deal an: Weil die schwarzen Kernwählerschichten Bauern und Unternehmer von der SPÖ verschont werden, bekommt der Kanzler sein Lieblingsprojekt für die rote Galerie.

Die datenmäßige Unterfütterung dafür hat er sich von der Nationalbank ja schon mit einer Vermögensverteilungsstudie geben lassen. Dass die Bezeichnung „Studie“ für dieses politische Auftragswerk bei einigen Experten zu seltsamen Frisuren (senkrecht aufgestellten Nackenhaaren) geführt hat, wollen wir hier nur am Rande erwähnen.

Wir dürfen uns also auf Folgendes einstellen: Wir bekommen eine Vermögens- und Erbschaftssteuer von ungefähr einem Prozent für alle Vermögen über einer Million Euro. Ausgenommen sind:
•selbst genutzte Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser bis zu einer gewissen Obergrenze,
•landwirtschaftliche Immobilien,
•Betriebsvermögen und
•Stiftungen, die mittels der Eingangssteuer de facto ja schon vermögensbesteuert sind.

Damit wollen die SPÖ-Steuerstrategen Einnahmen von 2,5 Mrd. Euro im Jahr lukrieren. Womit die Herren Faymann und Schieder zweifellos Sinn für gepflegten Humor beweisen.

Sie gehen offenbar davon aus, dass die großen Vermögen in Form von Sparbüchern in den Tresoren der Villen und Schlösser gebunkert sind. Oder in Geldspeichern, in denen die Dagobert Ducks des Landes abends ein Bad in ihren Golddukaten-Becken nehmen.

Sollte das, wonach es ja aussieht, der Fall sein, dann müssen wir die Vorfreude auf die zusätzlichen 2,5 Milliarden ein wenig stören:
•Deutlich mehr als 80 Prozent des Landes sind „landwirtschaftlich genutzte Fläche“ (einschließlich Wald). Dieses Milliarden-Grundvermögen, in dem selbstverständlich auch die Ländereien und Eigenjagden der Superreichen enthalten sind, fallen für die Vermögenssteuer aus. Landwirtschaftliche Immobilien sind ja tabu.
•Sollte man „Großbauern“ aus der Liga Flick/Mateschitz/Wlaschek doch von der Ausnahme ausnehmen, dann kann man Gift darauf nehmen, dass sich diese Immobilien in Stiftungen finden und damit vor dem Zugriff der Finanz geschützt sind.
•Dort, in den Stiftungen nämlich, findet man, gut geschützt vor der Reichensteuer, wohl auch die Villen an Wörther-, Atter- und sonstigen Seen.
•Die großen Immobilienvermögen in den Städten, die nicht in Stiftungen geparkt sind, stehen im Besitz von Immobiliengesellschaften à la Conwert, Immofinanz & Co., sind also Betriebsvermögen. Wieder nichts!
•Dasselbe gilt wohl auch für die Immobilien der öffentlichen Hand. Denn dass die Gemeinde Wien für ihre 220.000 Gemeindewohnungen Vermögenssteuer „peckt“, ist eher nicht zu erwarten.
•Bleiben die nicht unbeträchtlichen Barvermögen. Die sind – soweit nicht ohnehin in Stiftungen geparkt – schneller weg, als der Bundeskanzler „Reichensteuer“ sagen kann.

Übrig bleiben ein paar Besserverdiener aus der Upper Middle Class, die dumm genug waren, ihr gehobeneres Einkommen nicht zu verblitzen, sondern sich ein Häuschen in einer Stadt (meist noch vor der Explosion der Immobilienpreise) und ein, zwei Vorsorgewohnungen zuzulegen. Leute also, die etwas mehr als der Schnitt geschafft haben. Aber zu wenig, um privilegierte Konstruktionen wie eine Stiftung oder ein Konto in Singapur nutzen zu können. Und die ohnehin gewohnt sind, von der Steuerbehörde ausgenommen zu werden wie die Weihnachtsgänse.

Wir werden also möglicherweise zur Freude der Reichenjäger in der SPÖ und der „Her mit dem Zaster“-Fraktion in der ÖVP (die in prähistorischen Zeiten angeblich einmal Wirtschaftskompetenz besaß) eine zusätzliche Mittelstandssteuer bekommen. Eine, die relativ wenige betrifft und deshalb auch wenig einbringen wird. Die aber der Kanzlerpartei ein wahltechnisch wirksames „mission accomplished“ ermöglicht.

Dabei bräuchte dieses Land wirklich eine umfassende Reform des etwas schief und einseitig gewordenen Steuersystems. Eine, bei der man durchaus die Diskussion führen kann (und auch sollte), ob die Aufteilung der Steuerlast wirklich die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Bevölkerungsgruppen widerspiegelt und damit „gerecht“ ist.

Dieser verhatschte, populistische Murks, der sich jetzt abzeichnet, ist das aber mit Sicherheit nicht.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2012)

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