Ein verdammt unmoralisches Angebot

(c) Dapd (Tim Schulz)
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Bis zu 500 Mrd. Euro Schwarzgeld aus EU-Ländern liegen unversteuert auf Schweizer Konten, während die „Steuerehrlichen“ überall in Europa mit neuen und höheren Abgaben rechnen müssen. Ein unhaltbarer Zustand.

Wie wir wissen, kommen die EU-Staaten, speziell jene der Eurozone, mit ihren Einnahmen hinten und vorne nicht aus. Es wird also von Paris bis Wien, von Madrid bis Berlin intensiv über Steuererhöhungen oder neue Steuern auf Vermögen, Einkommen, Konsum etc. nachgedacht. Statt über Reformen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Fast überall zeichnet sich also eine zusätzliche Belastung des oberen Mittelbaus ab, also jener Klientel, die jetzt schon den Staat praktisch im Alleingang am Laufen hält.

Dazu passen drei ganz nüchterne Meldungen aus der Vorwoche ganz prächtig:

• Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen hat zum fünften Mal eine von einer Schweizer Großbank illegal „abgesaugte“ Steuerdaten-CD angekauft. Nicht gerade die feine Art, aber sehr ertragreich: Allein die dort aufgelisteten Steuersünder werden mit ihren Nachzahlungen 1,3 Mrd. Euro in die Staatskassen spülen.

• Auf der illegal kopierten Kundenliste einer Genfer Privatbank, die als „Lagarde-Liste“ bekannt geworden ist, weil sie erst den französischen Behörden zugespielt und von dort der griechischen Regierung weitergeleitet wurde, findet sich ein mit 550 Mio. Euro Schwarzgeld gefülltes Konto, das der Mutter des bis 2011 amtierenden griechischen Premiers Papandreou zugerechnet wird.

• Der französische Haushaltsminister Jerome Cahuzac steht unter Druck, weil er (was er dementiert) ein Schwarzgeldkonto bei einer Schweizer Großbank unterhalten haben soll, das 2010, als die Sache zu heiß zu werden drohte, nach Singapur weitertransferiert wurde.

Das zeigt zweierlei: Erstens hat die Schweiz ihr zwielichtiges Geschäftsmodell, ein paar Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts mit weltweiter Beihilfe zum Steuerbetrug zu erwirtschaften, allen Beteuerungen (und tatsächlichen Verbesserungen) zum Trotz noch nicht aufgegeben.

Und zweitens nutzen offenbar zehntausende reiche Europäer dieses unmoralische Angebot ungeniert aus: Bis zu 500 Mrd. Euro Schwarzgeld aus der EU werden auf Schweizer Konten vermutet, 80 Prozent der dort liegenden Gelder aus der EU sind angeblich unversteuert. Dass es sich dabei vielfach um Alt-Guthaben handelt und die Schweizer Banken unter dem massiven Druck Deutschlands, Frankreichs und der USA im Neugeschäft deutlich seriöser geworden sind, macht die Sache nicht besser.

Zehntausende EU-Bürger genießen also ihren steuerlichen „Free Lunch“ in den eidgenössischen Bergen. Spätestens seit Milton Friedman wissen wir aber, dass es diesen „Free Lunch“ nicht gibt: „Someone has to settle the bill“, hat der Nobelpreisträger richtig konstatiert. Wer das ist, muss man jetzt nicht lange raten: Es sind jene EU-Steuerzahler, die gut genug verdienen, um geschröpft werden zu können, aber zu wenig, um bei der UBS in Zürich oder der HSBC Private Bank in Genf, um nur zwei neulich aufgeflogene „Missetäter“ zu nennen, willkommen zu sein.

Und genau da hört sich der Spaß auf. Es ist also höchste Zeit, massive Steuerhinterziehung vom augenzwinkernd akzeptierten „Kavaliersdelikt“ zum echten Verbrechen „upzugraden“, das sowohl für die Hinterzieher als auch für die „Beihelfer“ aus den Banken entsprechende strafrechtliche Konsequenzen haben muss.

Keine Steuernotwehr

Das viel gebrauchte „Notwehr“-Argument (gegen die hohe Steuerlast) zieht nicht: Viele Steuersünder mit Konto in der Schweiz sind einflussreich genug, um die Gesetzgebung in ihren Ländern zu beeinflussen, wenn sie ihnen nicht passt. Ein griechischer Premier oder ein französischer Minister (von unserem geldsackerltragenden Ex-Finanzminister ganz zu schweigen) können sich jedenfalls nicht auf das Joch des Steuerstaates ausreden. Sie haben ihn selbst aktiv mitgestaltet.

Die Lage ist eigentlich sonnenklar: Bei den in den jüngsten Steuerabkommen vereinbarten Abschlagssätzen müssten in der Schweiz bis zu 200 Mrd. Euro (also ein mittleres Euro-Rettungspaket) an Steuernachzahlungen von unehrlichen EU-Bürgern zu holen sein. Die Schweiz wird früher oder später kooperieren müssen, aber der Druck auf die Zuständigen muss stark erhöht werden. Zufallstreffer durch illegal gebrannte und auf dem Wege der Hehlerei von den eigentlich zur Einhaltung von Gesetzen verpflichteten Behörden erworbene Steuer-CDs sind dafür kein Ersatz.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)

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