Zypern-Hilfe: Lasst doch die Oligarchen bluten!

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Mit dem anstehenden Zypern-Hilfspaket werden europäische Steuerzahler russischen Oligarchen Vermögensverluste ersparen. Ein wirklich unerträgliches Szenario.

Das Risiko eines Zahlungsausfalls Zyperns ist groß und wächst. Das hat die Ratingagentur Standard&Poor‘s gestern mitgeteilt. Ohne EU-Hilfe werde das Land seine Schulden bald nicht mehr bedienen können.

Gut getimt, kann man da nur sagen: Gerade kocht in Deutschland eine Diskussion über die möglicherweise unmittelbar bevorstehende Rettung des Inselstaats mittels EU-Geldern auf. Und die Eurogruppe bastelt gleichzeitig an einem Rettungskonzept, das noch im März beschlossen werden soll. Bis zu 17 Mrd. Euro aus EU-Kassen könnten Richtung Süden in Bewegung gesetzt werden, knapp neun Milliarden davon werden dann direkt an die Banken des Landes fließen. Falls die vorwahlkämpfenden Deutschen dies nicht noch in letzter Minute verhindern, was wir alle hoffen sollten.

Denn Zypern ist durchaus ein Spezialfall: Das Land hat einen völlig aufgeblähten Finanzsektor, der in den vergangenen sieben Jahren um 240 Prozent gewachsen ist und bereits an die neun Prozent des BIPs „erwirtschaftet“. Zum Vergleich: In Österreich sind es 3,5 Prozent.

Und dieser Finanzsektor hat ein ganz klares Geschäftsmodell: Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur Geldwäsche für ausländische Kunden. Es ist kein Zufall, dass sich im Zuge der Aufarbeitung österreichischer Korruptionsskandale herausstellt, dass jeder kleine Buwog-Beutelschneider und Telekom-Abkassierer (mangels rechtskräftiger Urteile gilt hier natürlich vorerst die Unschuldsvermutung) über einen Zypern-Briefkasten verfügt und dass so manche windige Zahlung aus der Baubranche auf dem Weg in die verschwiegene liechtensteinische Stiftung auf der kleinen Mittelmeerinsel Zwischenstation gemacht hat.

Das sind aber Peanuts. Das wirklich große Zypern-Rad drehen geldwaschende russische Oligarchen, die Insel gilt nämlich als deren „Tresor“. Von den rund 70 Mrd. Euro Einlagen bei zypriotischen Banken werden jedenfalls rund die Hälfte Ausländern zugerechnet. Wie viel davon auf Russen entfällt, ist nicht bekannt, man kann aber von einem hohen Anteil ausgehen. Denn im Vorjahr sind laut „Süddeutscher Zeitung“ 22,4 Mrd. Euro und damit ein Drittel der russischen Kapitalexporte auf die kleine Insel geflossen. Ein ganz schöner Brocken an „Direktinvestitionen“ dafür, dass es dort außer in Banken und Tourismus nicht viel zu investieren gibt.

Wer mit dem Steuergeld europäischer Bürger diese in Schieflage geratenen Banken „heraushaut“, der macht in Wirklichkeit nur eines: Vermögensverluste für zwielichtige russische „Investoren“ verhindern.

Hier mit Steuergeld einzuspringen ist den Europäern wirklich nicht mehr zumutbar. Wenngleich dieses Szenario natürlich droht. Denn außerhalb des Hauptzahlerlandes Deutschland hat die Zypern-Rettung viele Anhänger. Die Banker, die ohne Bail-out ein Ende des risikolosen Spekulierens eingeläutet sehen, sowieso. Aber auch die zaudernden Hinsichtl-Rücksichtl-Politiker der Eurogruppe, die fürchten, dass eine Nichthilfe für die Banken das Vertrauen in das Bankensystem wieder erschüttern und damit die gerade erst halbwegs beruhigte Eurokrise wieder hochkochen lassen könnte.

Dabei hat die EU ja selbst schon das richtige Modell für solche Krisen entwickelt: Das sogenannte Bail-in, bei dem nicht unbeteiligte Steuerzahler die Rechnung übernehmen, sondern, wie es sich in einer kapitalistischen Marktwirtschaft gehört, Investoren und Anleger. 100.000 Euro pro Anleger und Bank sind auch in Zypern durch Einlagensicherung garantiert. Und der Rest muss eben zur Sanierung der Banken herangezogen werden. Die nicht garantierten Einlagen in Zypern machen mehr als 34 Mrd. Euro aus. Das reicht auf alle Fälle, um den Kapitalbedarf der Banken von maximal 8,8 Mrd. Euro zu decken. Damit wäre der Gesamtgeldbedarf für die Zypern-Rettung schon einmal mehr als halbiert.

Zypern ist mit einem BIP-Anteil von 0,2 Prozent an der Eurozone nicht „systemrelevant“, das bisherige Killerargument für Bankenrettungen auf Steuerzahlerkosten zählt hier also nicht. Wenn in diesem Fall nicht gehandelt wird, wann denn dann?

Was jedenfalls gar nicht geht, ist, dass europäische Steuerzahler geldwaschende russische „Investoren“ per Milliardenspende vor Vermögensschäden bewahren. Wenn das durchgeht – dann kann die Eurozone wirklich einpacken.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2013)

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