Bassenastreit um das Wohnbaugeld

Bassenastreit Wohnbaugeld
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In Sachen Wohnbauförderung muss die Politik das Rad gar nicht neu erfinden. Sie brauchte einfach nur ein vorhandenes und kluges Modell wieder reaktivieren.

Der kommende Wahlkampf wird also (auch) ein Wahlkampf um den Wohnbau. Und da müssen wir uns, wiewohl wir auf der nach unten offenen Wahlkampfschmähskala ohnehin schon viel gesehen haben, auf einiges gefasst machen.

Schon der Auftakt hat es in sich gehabt. Sie erinnern sich: die mit Wohnbauförderung errichteten Millionärsvillen, die der Kanzler ortet, und die „Gstopften“, die sein Koalitionspartner reihenweise in den hoch geförderten Wiener Gemeindewohnungen vermutet.

Dabei: Im Kern haben beide ja nicht unrecht: In einigen Bundesländern (Wien gehört da übrigens nicht dazu) ist es weit verbreitete Praxis, ein förderungskompatibles Bauansuchen zu stellen und dann augenzwinkernd auszubauen.

Das Ergebnis ist meist noch nicht das, was man eine glamouröse Villa nennen würde. Aber: Wer ein 250-Quadratmeter-Haus in die Botanik stellen kann, muss nicht unbedingt vom Steuerzahler alimentiert werden. Um diesen Missbrauch abzustellen, braucht man freilich keine Regierungsspitze. Da genügt es, einfach bestehendes Recht (Bauordnung und Wohnbauförderungsbestimmungen) umzusetzen. Das geht sogar ohne zusätzlichen Kontrollaufwand, denn Neubauten stehen ohnehin unter behördlicher Aufsicht.

Auf der anderen Seite stimmt es auch, dass Gemeindebauten und geförderte Genossenschaftswohnungen reihenweise von Leuten bewohnt werden, die einkommensmäßig aus der Förderungswürdigkeit herausgewachsen sind. Und von (überwiegend Gemeinde-)Politikern, deren Einkommen auch nicht nach Steuerzahlerzuschüssen schreit. Der immer wieder genannte 8000-Euro-Verdiener Peter Pilz in seiner 200-Euro-Gemeindewohnung ist da nur ein krasses Beispiel von vielen.

Und natürlich ist es keine Legende, dass zahlreiche ältere (und deshalb billige) Gemeindewohnungen in Wien gehortet oder (von in den Speckgürtel gezogenen Bewohnern) als Zweitwohnungen genutzt werden. Kostet ja fast nichts.

Auch das lässt sich ganz einfach abstellen, ohne dass deshalb gleich die Bundesregierung ausreiten muss: Man verlangt halbwegs marktkonforme Mieten – und stützt diese für jene, die sich das nicht leisten können, aus Steuergeldern herunter. Mission accomplished: Förderung bekommen nur noch die, die es brauchen. Und die „Durchmischung“ im Gemeindebau ist auch nicht gefährdet.

Dass die SPÖ jetzt Parteiapparatschiks – vom Wiener Wohnbaustadtrat bis zum Sozialbau-Chef – ausschickt, um schmalzig zu erklären, man könne Mietern keinen „Gehaltsstriptease“ zumuten, sollte nicht weiter stören: Die Herrschaften heucheln entweder gekonnt, oder sie wissen nicht, was in ihren Bereichen so abgeht.

Denn das oben beschriebene Modell ist im Gemeindebau (in neueren, und deshalb jetzt schon mit marktnäheren Mieten versehenen Wohnungen) und in geförderten Genossenschaftsbauten längst gelebte Realität. Es nennt sich Wohnbeihilfe. Da wird ein „zumutbarer Wohnungsaufwand“ festgelegt (bei 1500 Euro Familieneinkommen sind das in Wien beispielsweise für einen Vierpersonenhaushalt 210 Euro im Monat), den der förderungswürdige Mieter bezahlen muss. Die Differenz auf die tatsächliche Miete (ohne Betriebskosten) wird dann direkt der Genossenschaft oder Wiener Wohnen überwiesen.

Im Vorjahr haben allein in Wien knapp 50.000 Haushalte diese Förderung bezogen, rund die Hälfte davon in Gemeindebauten. Selbstmurmelnd muss das Famlieneinkommen in diesen Fällen schon jetzt per regelmäßigem Gehaltsstriptease nachgewiesen werden. Wo also liegt das Problem, dieses gar nicht so dumme Modell ein bisschen auszuweiten?

Nachdem das geklärt ist, können wir zum wirklichen Problem kommen. Das ist der großflächige Missbrauch der Wohnbauförderung durch Bundesländer, allen voran Niederösterreich, seit die Zweckbindung dieser Mittel aufgehoben wurde. Zur Erklärung: Dieses Geld stammt nicht aus allgemeinen Steuereinnahmen, sondern wird per zusätzlichem „Wohnbauförderungsbeitrag“ von allen Arbeitnehmern eingehoben. Immerhin ein Prozent des Bruttolohns ist das, je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu tragen.

Der Wohnbauförderungsbeitrag erhöht die viel geschmähten Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt – wird aber überwiegend nicht für Wohnbau, sondern fürs allgemeine Landesbudgetlöcherstopfen und für meist grottenschlechte Spekulationen auf internationalen Märkten verwendet. Das gehört umgehend abgestellt: Entweder man benötigt es für den Wohnbau, oder der Wohnbauförderungsbeitrag muss weg. Die Lohnnebenkosten wollen wir doch alle senken, oder etwa nicht?

Auch hier muss man die Welt nicht neu erfinden. Es genügt, wenn die Regierung die Zweckbindung der Wohnbauförderung wieder einführt und die Landespolitiker, die jetzt schon verschiedentlich eine „Kompensation“ dafür verlangen, dass sie Wohnbaugeld nicht mehr missbrauchen dürfen, fragt, ob es ihnen noch gut geht.

Man sieht: Das ganze Wohnbauförderungsproblem benötigt zur Lösung keine Koalitionswickel. Man muss nur bestehende Bestimmungen auch exekutieren und eine leichtsinnig aufgehobene Zweckbindung wieder einführen. Ist das zu viel verlangt?


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

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