Fehlspekulation: Einer „swapt“, der andere zahlt die Rechnung

Linzer „Schuldenkaiser“ Franz Dobusch: Lokalpolitiker „verswappen“ die Millionärssteuer schon im Voraus.
Linzer „Schuldenkaiser“ Franz Dobusch: Lokalpolitiker „verswappen“ die Millionärssteuer schon im Voraus.(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Fahrlässigkeit und Unfähigkeit von Politikern hinterlassen uns, wenn es dick kommt, Spekulationsverluste von gut zehn Mrd. Euro. Es ist unerträglich, dass so etwas keine rechtlichen Konsequenzen nach sich zieht.

Manchmal kann einem als Steuerzahler, wie der Älpler so schön blumig formuliert, schon der Feitl im Sack aufgehen. Zum Beispiel dann, wenn der Bürgermeister der drittgrößten Stadt des Landes, die gerade eine 400-Mio.-Euro-Wette gegen ihre einstige Hausbank verloren hat, vor Gericht blauäugig verkündet, er habe Wichtigeres zu tun, als sich darum zu kümmern, was in den Papieren steht, die er da täglich unterschreibt. (Nur so zur Anregung: Könnte ihm vielleicht einmal jemand unauffällig eine Rücktrittserklärung in die Unterschriftenmappe schieben?)

Dieser Herr Dobusch, der da von der damaligen Bank seines Parteigenossen Ewald Nowotny so elegant über den Tisch gezogen worden ist (auch unwissentlich, eh klar: Ein Bankengeneral kann sich schließlich nicht um jedes Groscherlgeschäft kümmern), hat sich also selbst als fleischgewordene Inkompetenz hingestellt. Wir wollen dem nicht widersprechen, denn die Fakten sprechen ohnehin für sich: Seit er 1988 das Bürgermeisteramt in Linz übernommen hat, ist der Schuldenstand der Gemeinde von 44 Mio. Euro auf zuletzt mehr als 1100 Mio. Euro (einschließlich der Schulden der seit 2005 zunehmend flott ausgegliederten Gemeindebetriebe) explodiert.

Das ist eine Verfünfundzwanzigfachung der Schulden. Und, jetzt kommt's: In dieser Summe sind die 420 Mio. Euro, die die Stadt aus einer missglückten Zinsspekulation möglicherweise der Bawag schuldet, noch gar nicht enthalten. Wenn es blöd kommt, wird der Linzer Bürgermeister bei seinem Abgang also für jeden Gemeindebürger ein Schuldenpackerl von rund 7700 Euro hinterlassen. Dass solche „Gemeindeväter“ nicht mit nassen Fetzen aus dem Amt gejagt werden, gehört zu den ungelösten Rätseln österreichischer Innenpolitik.

Dem Linzer Gemeindeoberhaupt wird damit der Ehrentitel „Schuldenkaiser der Republik“ nur schwer zu nehmen sein. Aber auch die Kollegen des Linzer Casino-Sozialisten sind im Schnitt, ganz unabhängig von der Parteifarbe, recht flott unterwegs. Insgesamt, so schätzen Experten (einen genauen Überblick gibt es bezeichnenderweise ja nicht), befinden sich die österreichischen Gemeinden mit windigen Zinsspekulationen trotz vieler schon abgeschlossener Vergleiche mit sieben bis acht Mrd. Euro in „Schieflage“.

Das seien, wird beteuert, noch keine „echten“ Verluste. Richtig: Wenn etwa der Schweizer Franken wundersamerweise in sich zusammenfällt, kann daraus durchaus noch ein Gewinn werden. Wenn nicht – tja, dann „brennen“ wir.

In diesen acht Milliarden sind die direkten Währungsverluste aus Franken-Krediten der Länder und Gemeinden (in Wien sind das beispielsweise mehrere hundert Mio. Euro) noch nicht enthalten. Abgesehen von der „normalen“ Schuldenexplosion bei Bund, Ländern und Gemeinden drohen uns also so acht bis zehn Mrd. Euro aus Spekulationsverlusten (haben wir da die Salzburger Spekulationsverluste und den vom Rechnungshof kritisierten Milliarden-„Minderertrag“ bei den niederösterreichischen Zock-Versuchen mit Wohnbaugeldern schon erwähnt?). Von den mindestens sieben Mrd. Euro, die uns die Kärntner Haider-Partie als Flurschaden aus der Hypo-Pleite hinterlässt, einmal ganz abgesehen.

Mit anderen Worten: Fahrlässigkeit, Unfähigkeit und Größenwahn von Lokalpolitikern hinterlassen uns eine Rechnung von fast 20 Milliarden Euro. Mehr als drei Viertel der gesamten Lohnsteuereinnahmen eines Jahres also. Zum Teil zahlen wir daran über in den vergangenen Jahren abenteuerlich erhöhte Gebühren für kommunale Dienstleistungen schon. Zum Teil ist dieses Erbe die Basis für künftige Steuererhöhungen.

Nur so zum Vergleich: Die SPÖ geht bei ihren „Reichensteuer“-Plänen von einem (nebenbei: völlig unrealistischen) Volumen von bis zu drei Mrd. Euro im Jahr aus. Seit der Finanzkrise wurden also mehrere Jahre potenzielle „Reichensteuern“ einfach so verzockt. Dafür zahlen wir Steuern?

Das wirklich Wundersame an der Sache ist aber: Keine einzige dieser Lichtgestalten, die uns in diese Malaise geritten haben, muss auch nur ansatzweise die Verantwortung übernehmen, von der in salbungsvollen Sonntagsreden so oft die Rede ist. Politiker ist offenbar der einzige Beruf, in dem behauptetes oder echtes Unwissen vor rechtlichen Konsequenzen schützt.

Wir wissen das nicht erst, seit sich der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler in Sachen Ortstafelverrückung von einem Klagenfurter Richtersenat sinngemäß bescheinigen ließ, er sei als Nichtjurist zu blöd, um die strafrechtliche Relevanz seines Handelns einzusehen – weshalb ein Verfahren unterbleibe.

Aber es wird Zeit, dass das geändert wird. Natürlich sollte nicht jede politische Fehlentscheidung vor dem Richter landen. Aber solange Leute, die möglicherweise eine halbe Milliarde Euro Schaden angerichtet haben, sich mit einem „Wie soll ich wissen, was ein Swap ist“ und „Ich schau doch nicht, was ich da unterschreib“ in die fette Politikerpension vertschüssen können – so lange werden wir in dieser Republik als Steuerzahler ein ziemlich gravierendes Problem haben.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2013)

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