Der total verschüttete Budgetpfad

(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Der Budgetpfad der Regierung war eine glatte Lüge, das Versprechen, die Steuerquote nicht weiter hochzutreiben, wohl auch. Der Sanierungsbedarf ist viel größer, als man uns sagt.

Heute, Freitag, präsentiert die Regierung also das Ergebnis ihres Kassasturzes. Es ist wohl wieder nicht die ungeschminkte Wahrheit. Und Lösungsansätze sind weiter nicht zu sehen.

Der im Vorfeld genannte maximale zusätzliche Finanzierungsbedarf für die Schließung der in den nächsten fünf Jahren drohenden Fiskallücke (zu den ursprünglichen Budgetplänen) lautete zehn bis maximal 30 Mrd. Euro. Das wäre ein Einsparungsvolumen von bis zu sechs Mrd. Euro im Jahr. Oder, anders gesagt, entweder Nulldefizite ab dem kommenden Jahr oder ein gewaltiger Budgetüberschuss in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode.

Hält das irgendjemand, der weiter als bis drei zählen kann, für möglich? Gut: Dann kommen wir zur bitteren, an dieser Stelle im Übrigen (im Gegensatz zur rosafarbenen Regierungspropaganda) schon mehrfach verkündeten traurigen Wahrheit: Mehrere Lawinen haben den Budgetpfad, der bis 2016 zu einem Nulldefizit führen sollte, verschüttet. Und: Die jetzt angeblich aufgetauchte (aber längst absehbare) Finanzlücke ist viel größer, als uns das selbst jetzt noch erklärt wird. Rechnet man auf Basis realistischer Annahmen, dann werden wir wohl eher in die Gegend von zehn Mrd. Euro Einsparungsbedarf pro Jahr kommen. Wenn es gut geht.

Weil das kurzfristig (außer durch brutale Schockmaßnahmen à la „IWF-Vermögenszehent“) nicht erreichbar ist und die Eurowirtschaft eher in Richtung Deflation als in Richtung Wachstum unterwegs ist (worauf auch die gestrige weitere Leitzinssenkung der EZB hindeutet), wird die Staatsschuldenquote also weiter steigen. Sie wird am Ende des derzeit sichtbaren Budgetpfads wohl ziemlich deutlich über 80 Prozent des BIPs liegen.

Und dann, 2017, schlägt der Fiskalpakt zu: Österreich hat sich, wie die anderen Euroländer auch, darin verpflichtet, die Schuldenquote auf 60 Prozent des BIPs zurückzuführen. Von der Summe, die zu diesem Zeitpunkt darüber liegt, muss das Land jährlich fünf Prozent zusätzlich einsparen. So lange, bis die 60 Prozent erreicht sind.

Da gibt es dann zwei Möglichkeiten: Entweder der Fiskalpakt bringt auch ein paar große Eurostaaten in Bedrängnis und erleidet deshalb das Schicksal der alten Maastricht-Schuldenregel (nämlich eiserne Nichtbeachtung). Was die Krise der Eurozone wohl verstärkt. Oder Österreich muss noch ein paar Milliarden Sparpotenzial zusätzlich „aufstellen“.

Zu glauben, man könnte aus einer derartigen Situation schlicht „herauswachsen“, indem man etwa mit ein paar „Incentives“ aus dem Steuertopf (besser gesagt: neuen Schulden) ein bisschen die Bauwirtschaft ankurbelt (wie das einige verkünden), ist in dieser Lage nur noch kindisch.

Wir sehen: Der vor der Wahl verkündete, freundliche Budgetpfad war eine glatte Lüge. Und das Versprechen, Steuererhöhungen weitgehend zu vermeiden (oder gar eine Steuerreform durchzuführen) ebenfalls. Mit den Staatsfinanzen ist also bisher grob fahrlässig umgegangen worden. Was man schon daran sieht, dass (wie an dieser Stelle schon berichtet) das Finanzministerium mangels gesammelter Daten Jahrzehnte nach Beginn der Schuldenversteckorgie durch „Auslagerungen“ noch immer nicht sagen kann, wie hoch die echten Staatsschulden inklusive aller versteckten Verbindlichkeiten tatsächlich sind.

Nachdem im Prinzip die gleichen Leute weitermachen, die uns bisher über den Status der Staatsfinanzen ziemlich viel vorgeflunkert haben, können wir nur hoffen, dass jetzt wirklich Einsicht einkehrt. Die bedingt eine schonungslose Darstellung des Budgetpfads. Im Prinzip zeichnet sich ja ab, wie es weitergeht. Nur drei herausgegriffene Beispiele:
•Die Wachstumsraten der Wirtschaft werden in den nächsten Jahren selbst ohne (nicht auszuschließende) weitere Schocks aus der Eurozone zu gering sein, um die Arbeitslosenrate auch nur zu stabilisieren. Das heißt: Die Steuereinnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück, die Ausgaben für Arbeitslosigkeit und stabilisierende Konjunkturmaßnahmen sind dagegen höher.
•Die Ausgaben für das Pensionssystem steigen deutlich stärker als angenommen. Es hilft gar nichts, zu bemerken, dass allein eine Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters auf 62 Jahre sieben Mrd. Euro im Jahr bringt, wenn man sich nicht drüber traut. Trotz Pensionssicherungsreform ist das Antrittsalter in den vergangenen zehn Jahren jedenfalls nicht wesentlich gestiegen.
•Die Ausgaben für die Pleitebanken werden höher, als man uns bisher sagt. Wenn die Nationalbank das mögliche „Drohpotenzial“ bei der Hypo Alpe Adria allein in internen Papieren bei bis zu 15 Mrd. Euro ortet, dann sind Annahmen von Budgetbelastungen im niedrigen einstelligen Bereich ja ein Witz. Zumal die Hypo-Lösung aus Gründen der Budgetwahrheitsverschleierung vom Finanzministerium und der Banken-Pleiteholding Fimbag in schöner Eintracht zu hohen Kosten für den Steuerzahler sinnlos verschleppt wurde.


Das alles wird, so realistisch muss man sein, nur in einer Kombination aus neuen/höheren Steuern und drastischen Einschnitten halbwegs zu reparieren sein. Steuervorschläge (von einer Vermögensteuer über die Erbschafts- und Schenkungssteuer bis zu einer Mehrwertsteuererhöhung) schwirren ja schon herum, von konkreten Reformen hört man noch wenig.

Wenn die künftige Regierung also auch nur halbwegs vertrauenswürdig starten soll, wird sie uns die Wahrheit jetzt ungeschminkt auf den Tisch legen müssen: Was ist auf der Einnahmenseite genau geplant und welche Reformen gedenkt man wie und wann umzusetzen? Und zwar konkret und detailliert, nicht in substanzlosen Überschriften, die man gleich wieder vergisst, wie das bisher der Fall war.

Schafft die im Entstehen begriffene Koalition das nicht, dann lässt sie es besser bleiben und schreibt Neuwahlen aus. Mit frohsinnigen Schmähs sind wir jetzt lange genug veräppelt worden. Siehe auch S. 4

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2013)

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