Wir bürgen, ohne gefragt zu werden

PK ZU HYPO-ENTSCHEIDUNG: NOWOTNY
PK ZU HYPO-ENTSCHEIDUNG: NOWOTNYAPA/HERBERT NEUBAUER
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Die Lehre aus der Hypo-Katastrophe kann nur sein, den Finanzausgleich mit den Ländern samt der dahinter stehenden, nur noch kontraproduktiven Realverfassung zu kippen und für klare Verhältnisse zu sorgen.

Mit der jetzt vereinbarten Abbaugesellschaft zur Abwicklung der Hypo Alpe Adria habe der Bund de facto eine „unbegrenzte kostenlose Haftung“ für Bundesländer und deren Landesbanken übernommen, weshalb künftig eine „ganz klare Haftungsbegrenzung“ notwendig sei, sagte Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny neulich.

Einspruch, euer Ehren, sagen wir dazu: Diese nie festgeschriebene, aber implizit bestehende Haftung wurde nicht jetzt übernommen. Diese gibt es längst. Sie ist der Hauptgrund dafür, dass der Hypo-Totalschaden praktisch ausschließlich von unbeteiligten Steuerzahlern getragen werden muss, sie gefährdet in höchstem Maße die Staatsfinanzen, und sie muss, da hat der Notenbank-Chef ganz recht, schleunigst begrenzt, besser noch ganz abgebaut werden.

Derzeit haftet der Staat, obwohl das nirgends festgeschrieben wurde, ungefragt, uneingeschränkt und gratis für:
•systemrelevante Großbanken,
•die finanziellen Volten der Bundesländer und
•für deren Landesbanken, von denen es ja noch einige gibt.

In allen diesen Fällen haben Steuerzahler de facto ein unbegrenztes und unkalkulierbares Risiko übernommen, ohne über den Bund die geringste Einflussmöglichkeit zu haben. Dass die Einflussmöglichkeit gleich null ist, hängt, wie später noch zu erläutern sein wird, mit der dringend reparaturbedürftigen österreichischen Realverfassung zusammen. Eine Teillösung des Problems zeichnet sich nur bei den „Too big to fail“-Banken ab: Da ist die EU dabei, eine vernünftige Bankenunion auf die Beine zu stellen. Und auf nationaler Ebene sind die Banken zu einer Bankenabgabe verdonnert worden, die man ruhig als eine Art Haftungsprovision für die implizite Staatshaftung sehen kann. Dass davon über den Finanzausgleich ein Drittel an die Länder und Gemeinden geht, ist freilich ein schwerer und reichlich absurder Konstruktionsfehler.

Null tut sich dagegen bei den Ländern und deren Banken. Im Gegenteil: Sie haben jetzt einen Präzedenzfall und sind damit sozusagen prämienfrei vollkaskoversichert. Ganz nebenbei eine klare Umgehung der Intentionen des EU-Verbots von Garantien für Landesbanken.

Zu glauben, dass man das jetzt mit einem Spekulationsverbot für Länder (an dem sich die Regierung schon einmal die Zähne ausgebissen hat), mit irgendwelchen gesetzlichen Haftungsbegrenzungen (die gegen die Länder wohl kaum durchsetzbar sind) oder mit anderen Einzelmaßnahmen in den Griff bekommt, ist reichlich naiv. Das packt keine Regierung.

Dafür sorgt schon die österreichische Realverfassung. Ein nirgends niedergeschriebener, aber von allen relevanten Kräften im Land akzeptierter politischer Verhaltenscode, der uns nach dem Krieg eine ausgesprochen wirtschaftsfördernde Konsensdemokratie beschert hat, jetzt aber nur noch ein alle sinnvolle Reformen blockierender Klotz am Bein der Republik ist.

Ein herausragendes Beispiel für die Funktion – oder besser Nichtfunktion – dieser manchmal im Gegensatz zur echten Verfassung stehenden Einrichtung ist die sogenannte Heiligenbluter Vereinbarung, die seit 40 (!) Jahren erfolgreich eine sinnvolle (und, ganz nebenbei, den EU-Mitgliedern via EZ-Finanzrahmenrichtlinie eigentlich vorgeschriebene) einheitliche und transparente Rechnungslegung der Länder und Gemeinden be- und verhindert.

Im Rahmen dieser Vereinbarung haben sich Bund, Länder, Gemeinde- und Städtebund 1974 darauf geeinigt, dass eine Vereinheitlichung der Rechnungslegung nur einstimmig beschlossen werden kann. Fazit: Bis heute gibt es keine einheitliche Bilanzierung, bis heute gibt es mangels Transparenz keinen Überblick über den tatsächlichen Zustand der Staatsfinanzen. Die Kommission, in der die Heiligenbluter zusammensitzen, ist aber nicht wegen erwiesener Untätigkeit aufgelöst worden, sondern verhindert fröhlich weiter jede sinnvolle Vereinheitlichung.

Womit wir bei der Rolle der Realverfassung sind: Laut dem „echten“ Finanzverfassungsgesetz könnte der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Rechnungshof eine einheitliche, transparente Rechnungslegung einfach verordnen. Dass er sich das weiterhin nicht traut, hat einen Grund: Die Realverfassung würde ihn in Gestalt der Landeshauptleute sehr schnell hinwegfegen.

Verfassung und Realverfassung kann man (ausgenommen durch Revolution) wohl nur auf einem Weg wieder zusammenführen: durch eine umfassende und – wenn möglich – rasche Staatsreform. Das heißt, der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern wäre ab 2016 (so lange läuft der bestehende) zu stoppen und durch eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zu ersetzen. Entweder (das wäre die weniger schöne Variante) durch eine finanzielle Entmündigung der Länder oder durch die Gewährung von Steuerhoheit an ebendiese (ohne natürlich die ohnehin schon unanständige Steuerquote weiter hochzutreiben). Nur so ließe sich die implizite Bundeshaftung für Länder (die dann für ihre Ausgaben mit ihren Einnahmen selbst geradestehen müssten) wirkungsvoll begrenzen. Dass das in der derzeitigen politischen Konstellation ein Wunsch an das Christkind ist, ist schon klar. Aber träumen wird man ja wohl noch dürfen.

Was man aber wirklich sofort machen kann: neue Eigentümer für die verbleibenden Landesbanken suchen. Denn dass Länder als Bankeigentümer nicht geeignet sind und ihre Institute in der Regel für politische Zwecke missbrauchen, haben sie – von Kärnten über Tirol bis Niederösterreich – wirklich schon ausreichend bewiesen.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2014)

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