Budget: Schon wieder eine Mogelpackung

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Der Finanzminister kann die Maastricht-Vorgaben nur einhalten, wenn er die Bürger immer stärker belastet. Ohne Eingriff in Strukturen ist eine Sanierung der Staatsfinanzen nicht möglich. Beginnen muss man mit dem Finanzausgleich.

Die Budgetrede steht noch aus, aber zwei Eckpunkte hat der Finanzminister schon verkündet: Die Staatsschuldenquote, die heuer von der Hypo-Bad-Bank recht ordentlich hochgetrieben wird, soll bis 2016 wieder auf 75 Prozent zurückfallen. Und der Staat werde 2016 erstmals mit seinen Einnahmen auskommen.

Abgesehen davon, dass die Absicht, die Staatsschuldenquote rechnerisch in zwei Jahren ungefähr dort zu haben, wo sie jetzt steht, nicht gerade ambitioniert klingt, ist beides so natürlich falsch: Im Herbst wird die offizielle Staatsschuldenquote nämlich durch eine Neukalkulation des BIPs um knapp drei Prozent heruntergerechnet. Allein um den derzeitigen Stand der Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP zu halten, müsste die 2016er-Quote also auf 72 Prozent fallen. Eine Schuldenstabilisierung ist bis 2016 demnach nicht einmal geplant.

Daraus folgt klarerweise, dass der Staat auch in den kommenden Jahren neue Schulden wird machen müssen. Auch 2016, denn wenn der Finanzminister vom Nulldefizit redet, meint er ja das strukturelle, also sozusagen das „operative Ergebnis“ des Bundes ohne Sondereffekte. Der Bund wird demnach auch 2016 mit seinen Einnahmen nicht auskommen. Dabei sind diese Einnahmen auf Rekordniveau: Die Steuer- und Abgabenquote ist unterdessen bei 45,4 Prozent angelangt, mithin also die dritthöchste in Europa. Eine für einen entwickelten Sozialstaat verträgliche Abgabenquote liegt nach Ansicht der meisten Experten irgendwo bei 40 Prozent. In dieser Gegend liegt übrigens auch der EU-Schnitt.

Rechnen wir einmal nach: Eine Differenz von fünfeinhalb Prozentpunkten macht beim österreichischen BIP rund 16,5 Mrd. Euro. Würde der Staat seine Bürger nur im Schnitt der EU-Länder belasten, dann hätten wir beim jetzigen Einnahmenniveau 2014 also nicht drei, sondern 8,5 Prozent Defizit.


Das ist der wahre Zustand der Staatsfinanzen – und das zeigt auch den wahren Handlungsbedarf. Das heißt, der Finanzminister kann die Maastricht-Vorgaben nur einhalten, wenn er die Bürger immer stärker belastet. Dass er dabei bald an Grenzen stoßen wird, kann er nicht nur an den Abwanderungsankündigungen der Wirtschaft, sondern wohl auch an der Stimmungslage der Bevölkerung ablesen. Da reicht das Studium der einschlägigen Leserreaktionen in den Online-Foren.

So wie alle Regierungen zuvor – in den vergangenen 45 Jahren ist der Bund kein einziges Mal mit seinen Einnahmen ausgekommen – hat also auch diese die Staatsfinanzen nicht im Griff. Man sieht es an den sogenannten „Einsparungen“, die den Weg zum strukturellen Nulldefizit ebnen sollen: 500 Millionen Ausgabenkürzung mit dem Rasenmäher und eine gleichzeitige Steuererhöhung um eine Milliarde ergibt netto eben keine Einsparung, sondern schlicht Mehrausgaben von 500 Millionen. „Gespart“ wird also in Form einer Mogelpackung.

Es geht ja auch nicht anders: Die Regierung ist, wie die meisten vor ihr, nicht bereit, in gewachsene „wohlerworbene“ oder gar „ersessene“ Strukturen einzugreifen. Sie ist wohl auch zu schwach dazu. Ohne Eingriff in Strukturen ist eine Sanierung der Staatsfinanzen aber nicht möglich.

Man sieht es anhand der gewohnt schräg verlaufenden aktuellen Diskussion um Einsparungen im Bildungsbereich, wo man jetzt 50 Millionen durch Verzicht auf einen Ausbau der Tagesbetreuung „gefunden“ hat. Sorry, aber dümmer geht es nicht mehr: Österreich hat eines der teuersten Bildungssysteme, das aber nur einen sehr unterdurchschnittlichen „Output“ liefert. Das deutet auf ein strukturelles Effizienzproblem hin. Es muss also sehr viel bürokratisches Fett im System geben, das sich absaugen ließe, ohne an der Front, also der verbesserungswürdigen Qualität der Ausbildung zu knabbern.

Freilich: Da muss man in die Strukturen. Und das heißt in diesem Fall: in den Föderalismus. Das Schulsystem ist ja ein krasses Beispiel für die teure Perversion der hiesigen Ländermacht. Und der Finanzminister kann sich sogar vorstellen, diese noch auszubauen, indem er die Schulen ganz den „Geldvernichtungsmaschinen“ (© Hannes Androsch) überlässt, und sich nur noch aufs unbeschränkte Bezahlen beschränkt.


Das ist ein ausgesprochen schlechtes Omen: 2016 steht ja nicht nur das strukturelle Nulldefizit, sondern auch ein neuer Finanzausgleich an. Das ist jenes komplizierte Vertragsgeflecht, das die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern regelt. Und das in seiner derzeitigen Form eine ganze Reihe von Perversionen enthält. Etwa, um beim Schulsystem zu bleiben, den Umstand, dass die Länder die Pflichtschullehrer anstellen, aber der Bund bezahlt – auch dann, wenn die Länder die Postenpläne einfach überziehen. Oder dass der Bund über eine lohnabhängige Abgabe eingehobene Wohnbauförderungsgelder an die Länder überweist – und die damit dann irgendetwas machen. Bis hin zu schlechten Spekulationen auf internationalen Finanzmärkten.

Und, als besonderes Schmankerl: Dass, weil ja ein Drittel aller Steuereinnahmen an Länder und Gemeinden abgeführt werden muss, ein zweistelliger Millionenbetrag aus der Bankenabgabe, die ja mit erhöhtem Geldbedarf für die Bankenrettung argumentiert wird, an das Land Kärnten und damit einen der Hauptverursacher des Hypo-Debakels geht. Krasser geht es wohl nicht mehr.

Kurzum: Österreich hat noch viele andere Budgetbaustellen, aber ohne massiven Eingriff in diese Struktur ist eine Sanierung der Staatsfinanzen schlicht nicht möglich. Das wird demnächst akut, denn die Verhandlungen über den neuen Finanzausgleich beginnen ja bald. Und man kann beruhigt eine Kiste vom Feinsten darauf wetten, dass diese Regierung diese Reform nicht angehen, sondern nur wie gewohnt um Beträge feilschen (und dabei die Hosen noch stärker runterlassen) wird. So wird das aber leider nichts werden mit dem Nulldefizit. Zumindest nicht mit einem echten.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2014)

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