Die Steuerzahler und ihr Peitschenverein

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Die geplante Steuerreform ließe sich sehr kurzfristig mit einer vernünftigen Beschneidung des Subventionsniveaus gegenfinanzieren. Dazu müssten die Koalitionsparteien freilich ihre Tabuzonen Bahn und Landwirtschaft aufgeben.

Die Schweiz als Vorbild für SPÖ-Steuerpläne: Wenn man Kanzleramtsminister Josef Ostermayer neulich bei seinem Rettungsversuch nach dem missglückten TV-Auftritt seiner fachlich wirklich von keinerlei Ahnung belasteten Finanzstaatssekretärin Sonja Stessl nur halb zugehört hat, hätte man fast an ein Wunder glauben können. Also: 29,8 Prozent Abgabenquote (oder rund 37, wenn man die unterschiedlichen Pensionsfinanzierungssysteme berücksichtigt), das wäre wirklich was. Da nimmt man doch gern relativ saftige Vermögensteuern nach Schweizer Art in Kauf, wenn die Steuerleistung in Summe um gut 25 Mrd. Euro unter das jetzige österreichische Niveau sinkt!

Ach, so: Mit der Vorbildwirkung war ausschließlich die relativ hohe Schweizer Vermögensteuer gemeint? Und deren Erlös nimmt man dann her, um innerhalb der abartig hohen 45,4-prozentigen heimischen Steuerquote ein bisschen umzuschichten, ohne diese abzusenken? Also doch eine echte österreichische „Steuerreform“.

Bei der liegen die Fronten derzeit so: Die SPÖ versteift sich auf ihre „Millionärssteuer“ zur Gegenfinanzierung einer Lohnsteuerentlastung (die in Wirklichkeit ohnehin nur eine kleine Korrektur der kalten Progression ist). Die ÖVP will dieses (die kleine Korrektur nämlich) durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen erreichen, hat aber außer den seit Langem bekannten Schlagworten keine wirklich konkreten Konzepte. Und wohl auch keine Lust, sich – was für echte Reformen zwingend notwendig wäre – mit den eigenen Landesfürsten anzulegen.

Man kann also ruhig darauf wetten, dass die „Reform“ ungefähr so aussehen wird: Die SPÖ bekommt ein Pseudomillionärssteuerchen, die ÖVP ein paar Mikro-Einsparungen (die man ja schon deshalb benötigt, um das neue geschaffene „Amt für Bürokratieabbau“, pardon, „Amt der Bundesregierung“ natürlich) zu rechtfertigen. Und das „Fleisch“ wird von einer saftigen Erhöhung der Grundsteuer kommen.

Die ist zwar auch eine Vermögensteuer, lässt sich aber besser argumentieren, zumal ja die OECD schon festgestellt hat, dass sie in Österreich vergleichsweise niedrig ist. Sie ist zudem eine echte Massensteuer, bringt also auch entsprechendes Volumen. Und das besonders Pikante daran: Sie wird ausgerechnet jene treffen, die jetzt am lautesten nach der Millionärssteuer schreien: Bei Mietwohnungen ist sie nämlich Teil der Betriebskosten. Jene Hausbesitzer, die ihre Immobilie nicht selbst bewohnen, sondern vermieten, können sie also ganz locker eins zu eins an ihre Mieter weiterreichen.

Die Grundsteuer ist zwar eine Gemeindesteuer, aber das sollte kein unüberwindliches Hindernis sein: Praktischerweise soll die Steuerreform ja einigermaßen gleichzeitig mit dem neuen Finanzausgleich in Kraft treten.

Eine richtige Steuerstrukturreform, wie wir sie dringend benötigen würden, ist das freilich noch nicht. Die ist, schaut man sich die einzementierten Positionen der Koalitionsparteien an, in der derzeitigen Konstellation ohnehin nicht möglich.

Schon gar nicht, wenn es um deren klassische Klientelgruppen geht. Man sieht das besonders schön an den beiden größten politisch festgemachten Brocken, ÖBB und Landwirtschaft. Eine vernünftige Durchforstung dieser beiden größten Steuergeldverschlinger der Republik müsste wohl locker eine Milliarde frei spielen, ohne dass die Eisenbahn stehen bleibt und die Landwirtschaft zum Erliegen kommt.


In der derzeitigen besitzstandswahrenden Klientelpolitik geht das aber nicht. Wenn man wollte, könnte man es natürlich auch so machen: Die SPÖ klopft die völlig aus den Fugen geratene, total intransparente Vierfachförderung in der Landwirtschaft ab. Da fördern EU, Bund, Länder und Gemeinden parallel völlig unkoordiniert ins Blaue hinein. Ohne exakt definierte, überprüfbare Förderziele und, auf den unteren Ebenen, auch ohne jegliche Erfolgskontrolle.

Und die ÖVP schaut sich dafür an, wo die ÖBB budgetäres Fett angesetzt haben. Und am Ende diskutiert man dann darüber und beschließt sinnvolle Maßnahmen. Aber dazu müsste man natürlich bereit sein, ideologische Scheuklappen abzulegen und eigene Kernwählerschichten zu verärgern. Das wird wohl nichts.

Dabei sind die beiden Bereiche der Kern jenes Sektors, der bei sinnvoller Durchforstung locker sehr kurzfristig das gesamte Volumen der geplanten Steuerentlastung kompensieren könnte: des völlig aus den Ufern getretenen heimischen Subventionswesens. Wer wissen will, wohin sein Steuereuro rollt, sollte sich ein paar Stunden Zeit nehmen und die jeweils mehrhundertseitigen jährlichen Subventionsberichte des Bundes und der Länder durchlesen. Die körperliche Konstitution sollte dafür allerdings sehr gut sein, sonst könnte das viele Kopfschütteln zu Nackenproblemen führen.

Man kommt zudem leicht ins Grübeln. Zum Beispiel darüber, ob das Almfest in Kärnten ohne die 300 Euro vom Land weniger lustig gewesen wäre oder ob der Peitschenverein im Salzburgischen ohne die 1650 Landeseuro für den Trachtenankauf seine Tätigkeit eingestellt hätte. Alles monetäres „Kleinvieh“, das aber in tausendfacher Ausfertigung unterm Strich recht deftige dreistellige Millionenbeträge ergibt. Das könnte man alles natürlich hinterfragen, wäre man tatsächlich der Meinung, dass ein Subventionsniveau auf der Höhe des EU-Durchschnitts (also die Hälfte des österreichischen) für ein funktionierendes Gemeinwesen auch noch reichen würde.

Dazu müsste man freilich wieder versuchen, mit guter politischer Arbeit zu punkten statt mit gießkannenverteilten Geldgeschenken, die man den Beschenkten dann mit einer überzogenen Steuerquote gleich wieder aus der Tasche zieht.

Die Steuerreformkommission, die jetzt gerade im Entstehen ist, wird sich wohl auch daran messen lassen müssen, ob sie hier strukturell etwas weiterbringt. Zugegeben: Neue Steuern sind einfacher zu realisieren.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2014)

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