Eine Beruhigungspille gegen den Bankenstress

Verwaltunggebaeude der europ. Zentralbank in Frankfurt/Main
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Der Bankenstresstest der EZB sollte uns nicht in falscher Sicherheit wiegen: Auch wenn der überwiegende Teil der europäischen Großbanken den Test besteht, sind wir von einem stabilen Bankensystem meilenweit entfernt.

Große Überraschungen wird die Veröffentlichung der Ergebnisse des Bankenstresstests der Europäischen Zentralbank (EZB) am kommenden Sonntag nicht bringen. Zehn oder elf der 124 geprüften Banken, darunter wohl auch die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG), werden durchrasseln, was auch noch kein Beinbruch ist: Sie werden ihre Kapitalbasis in nächster Zeit ausreichend verbessern, oder abgewickelt werden. Es gibt ohnehin zu viele Banken in der Eurozone.

Die entscheidenden Fragen sind: Gibt uns diese angeblich sehr strenge Bankenprüfung Hinweise darauf, ob die Bankenkrise, die seit 2008 die gesamte europäische Wirtschaft lähmt, bald zu Ende ist? Und: Gibt sie uns Sicherheit, dass Dinge, wie sie etwa in Zypern geschehen sind (wo selbst Sparer beim Zusammenbruch zweier Krisenbanken viel Geld verloren haben), in nächster Zeit ausgeschlossen werden können?

Die Antwort ist in beiden Fällen: leider nein. Die Bankenkrise ist (ebenso wie die Eurokrise) weiter stark am Schwelen, zu ihrer Beilegung wurde bisher eindeutig zu wenig getan, die nächste milliardenteure Bankenrettung kann jederzeit wieder über uns hereinbrechen. Das „Bestanden“ beim Stresstest wiegt uns in einer sehr trügerischen Sicherheit.

Da müssen wir nicht erst in die Vergangenheit blicken. In das Jahr 2007 etwa, als der IWF im Rahmen eines Stresstests die mögliche Belastung amerikanischer Banken (darunter Lehman Brothers) durch Asset Backed Securities (ABS) durchspielte und befand: alles paletti. Blöd, dass nur ein Jahr später genau diese ABS Lehman Brothers in Konkurs gingen und das Weltfinanzsystem in die schwerste Krise seit den Dreißigerjahren rissen.

Oder in das Jahr 2001, als die European Banking Authority (EBA) bei einem Stresstest zwar sechs deutschen Banken enormen Kapitalbedarf bescheinigte, den beiden zypriotischen Großbanken Bank of Cyprus und Laiki Bank dagegen eine Art Sehr gut ins Zeugnis schrieb. Jenen beiden Banken also, deren Totalzusammenbruch nur eineinhalb Jahre später unter Inanspruchnahme von Spareinlagen (bis dahin ein Tabu in Europa) ausgebügelt werden musste.

Wir sehen also: Stresstests sagen zwar etwas darüber aus, wie sich das Eigenkapital der geprüften Banken beim Eintreten bestimmter angenommener Stressereignisse verändert. Sie lassen aber keine Aussage über die tatsächliche Belastungsfähigkeit der Bank zu. Anders gesagt: Sie sind so gut wie die zugrunde liegenden Annahmen. Wenn man etwa, wie 2011, Staatsanleihen am Vorabend der griechischen Staatspleite als sicher einstuft und damit das Klumpenrisiko der zypriotischen Banken in diesem Sektor einfach außer Acht lässt – dann kommt eben ein Ergebnis wie im Fall Zypern zustande.

Diesmal ist alles anders, sagt man uns. Man sei strenger und auch die Definition von Eigenkapital sei durch Basel III anspruchsvoller. Bisher konnten Banken ja selbst Verlustvorträge (wegen der daraus resultierenden künftigen Steuerersparnisse) zum harten Kernkapital rechnen.

Das mag schon sein, aber es bleibt eine theoretische Rechnerei. Im Fall einer wirklich heftigen Krise ist der Unterschied zwischen sechs und acht Prozent Kernkapital nicht so spielentscheidend. Der Kern ist viel mehr, dass natürlich auch acht Prozent viel zu wenig sind, um eine Bank stabil zu machen und das immer noch bestehende „Too big to fail“-Problem, das Steuerzahler in Geiselhaft nimmt, zu lösen.

Vor allem aber haben die Banken – trotz stark forcierten Bilanzputzes im Vorfeld des Stresstests – immer noch zu viele dahinfaulende Kreditleichen in den Kellern. Und vor allem eine Reihe solcher Leichen noch immer gut versteckt: Der verbreitete Versuch, die NPL-Krise (NPL steht für Non Performing Loan) auszusitzen, indem man die Darlehen einfach stundet, wird nämlich mangels Wirtschaftsaufschwungs nicht aufgehen. Womit noch viele Kreditleichen überraschend in den Büchern auftauchen werden.

Der Stresstest hat positiv gewirkt, weil er die Banken im Vorfeld zu vermehrten Bilanzputz-Anstrengungen gezwungen hat. Er sollte uns aber nicht zum Glauben verleiten, dass wir jetzt ein stabiles Bankensystem haben. Das vor nunmehr sechs Jahren entgleiste Bankensystem wird uns noch viele Milliarden an Steuergeld kosten. Und die Bilanz der Euro-Notenbank, die jetzt massiv damit beginnt, den Banken ihren Bilanzschrott abzunehmen und damit zu „vergemeinschaften“, verschlechtern. Die Bankenkrise wird uns noch lang beschäftigen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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