Reformstau: Wie man Aufschwung nicht erzeugt

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Das Milliarden-Investitionspaket der EU droht als Strohfeuer zu enden, die Gegenfinanzierung der Steuerreform wird von den Ländern hintertrieben: Ist das „Regierung neu“?

Zur Behandlung der immer dramatischer werdenden Konjunkturschwäche gebe es, sagt man uns, zwei bewährte Methoden: ein forciertes staatliches Investitionsprogramm (die EU will ja bei ihrem Dezember-Gipfel ein vom neuen Kommissionspräsidenten angeregtes 300-Mrd.-Euro-Investitionsprogramm beschließen) und eine Steuerreform, die den Österreichern deutlich mehr Netto vom Brutto lässt und damit den für die Konjunktur nicht ganz unwesentlichen Konsum ankurbelt.

Klingt plausibel. Aber was wir bisher zu sehen bekommen, lässt eher befürchten, dass das kein Startschuss zu neuem Wachstum wird, sondern wie gehabt viele gepumpte Milliarden nach kurzer Zeit wirkungslos verpuffen und nur den Staatsschuldenberg noch ein wenig aufschütten: Die große Investitionsoffensive dürfte, wenn sie überhaupt kommt und nicht durch das Umetikettieren von ohnehin bereits geplanten Vorhaben verwässert wird, wie gehabt die falschen Impulse setzen. Und die große Steuerreform droht durch das gewohnte „Bestemm“ der Landeshauptleute in ernste Gegenfinanzierungsprobleme zu schlittern. Beidem setzt die Regierung bisher keine erkennbaren Maßnahmen entgegen.

In Sachen Investitionen hat uns zu Beginn dieser Woche Österreichs wichtigster Beamter in Brüssel, Thomas Wieser, den Spiegel vorgehalten: Der Chef der Euro-Arbeitsgruppe sagte bei einem Besuch in Wien, die übliche Art, zur Konjunkturankurbelung Tunnel in Berge zu graben, habe nur sehr kurzfristige Effekte. Im Prinzip bringe aber Beton nicht mehr Wachstum. Das Geld wäre besser investiert, wenn man es in Forschung und Bildung stecke und damit neue, dauerhafte Wachstumsimpulse setze. Die geplanten Konjunkturprogramme gehen aber genau in die Gegenrichtung.

Das wird auf Dauer nur die Staatsschuld weiter hochtreiben, ohne dass nachhaltige Effekte entstehen. Wifo-Chef Karl Aiginger hat das diese Woche sehr plastisch beschrieben: Österreich denke zu wenig darüber nach, nicht sinnvolle Ausgaben zu streichen, wodurch das Geld für sinnvolle Investitionen fehle. Eine wirklich schöne Umschreibung für die Reformverweigerung im Lande.

Ein wunderbares Beispiel dafür hat uns ja auch erst vor ein paar Tagen das Staatsreformverhinderungsgremium schlechthin, die Landeshauptleutekonferenz nämlich, geliefert: Die Herrschaften haben kategorisch festgelegt, dass sie zur Finanzierung der Steuerreform absolut nichts beitragen können: Ihre per Finanzausgleich garantierten Einnahmen seien sakrosankt.

Aber hallo: Die Länder und Gemeinden sind per Finanzausgleich zu einem Drittel an allen Bundeseinnahmen beteiligt. Da sagt die Logik ja wohl auch, dass sie ein Drittel der Einnahmenausfälle zu tragen hätten. Sie müssten rein rechnerisch bei einem Steuerreformvolumen von sechs Mrd. Euro also nicht, wie in der Vorwoche kolportiert (und von den Landeschefs empört abgelehnt) eine, sondern zwei Mrd. Euro zur Gegenfinanzierung der Steuerreform beitragen, wenn das Ganze halbwegs ausgewogen sein soll.

Und woher nehmen? Nun: Da könnte beispielsweise eine Nachfrage beim Herrn Aiginger zum Thema „unsinnige Ausgaben streichen, um Geld für sinnvolle zu haben“ helfen. Vorschläge dafür gibt es ja nicht nur beim Wifo zuhauf.

Die Regierung würde sich aber natürlich nie unterstehen, den eigentlichen Herren des Landes mit solch frechen Vorschlägen zu kommen. Sie hat auf den reichlich unverschämten Vorstoß der Landeschefs wie erwartet reagiert: mit einer Verlängerung des bestehenden, für sie suboptimalen Finanzausgleichs. Nicht, dass das überraschend käme. Aber nach der viel zitierten „Regierung neu“ sieht das nicht aus. Und nach einem Ende des Reformstaus auch nicht.

Ein Nachtrag noch zur vorwöchigen „Bilanz“, die sich mit dem simplen marktwirtschaftlichen Faktum befasst hat, dass eine Überproduktion (diesfalls von Milch) zu starkem Druck auf die Preise führt. Der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, August Astl, hat in einem in der gestrigen „Presse“ erschienenen Leserbrief die darin aufgestellte These, dass die heimische Milchwirtschaft im internationalen Vergleich eine sehr niedrige Produktivität aufweise, deshalb zu vergleichsweise sehr hohen Kosten produziere und dass das mit der kleinbetrieblichen Struktur im Land zusammenhänge, als „einfach falsch“ bezeichnet.

Herr Astl darf als leitender Angestellter einer Lobbying-Organisation die Umwelt natürlich selektiv wahrnehmen. In diesem Fall ist das aber recht lustig: Die „einfach falsche“ These samt der dazugehörigen Daten stammt nämlich aus Unterlagen der zum Landwirtschaftsministerium ressortierenden Bundesanstalt für Agrarwirtschaft. Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich dieses an sich renommierte Forschungsinstitut bei der Milch wohl nicht so recht auskennt. Nachhilfebedarf durch Herrn Astl haben offenbar auch die Bauernbündler, denn deren „Bauernzeitung“ hat vor zwei Jahren einen großen Artikel mit „Milchproduktion: Höhere Kosten durch kleinere Strukturen“ überschrieben. Aber natürlich: alles falsch.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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