Steuerreform: Ein klarer Fall für den Hilflosenzuschuss

(c) Clemens Fabry
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In einer konsumschwachen Zeit die Steuerreform mit einer höheren Mehrwertsteuer gegenzufinanzieren, statt die Effizienz der Verwaltung zu steigern, wäre ein nicht zu überbietender Gipfelpunkt ökonomischer Unintelligenz.

Langsam beginnt sich abzuzeichnen, wie die Regierung ihre Steuer-„Reform“ gegenzufinanzieren gedenkt: mit der Erhöhung anderer Steuern. Hat ohnehin niemand etwas anderes erwartet. An der weltrekordverdächtigen, die Wirtschaft schwer schädigenden Steuer- und Abgabenquote wird sich dadurch zwar nichts ändern. Aber Hauptsache, man hat wieder einmal öffentlichkeitswirksam einen „Erfolg“ herbeigetrickst.

Was bisher von der von der Regierung eingesetzten Steuerreformkommission durchgesickert ist, wirft einen aber doch einigermaßen um: In einer Phase, in der Steuer- und Abgabenorgien zu Reallohnverlusten führen und damit den Konsum schwächeln lassen, ausgerechnet die Mehrwertsteuer erhöhen zu wollen, zeugt schon von enormer ökonomischer Unintelligenz. Die Honorare für die Experten, die so etwas aushecken, werden hoffentlich aus dem Topf „Hilflosenzuschuss“ bezahlt.

Natürlich: Lohnsteuer und Mehrwertsteuer machen mehr als zwei Drittel der Bundes-Steuereinnahmen aus. Das sind also in der Realität die beiden einzigen Stellschrauben, mit denen man Größeres bewirken kann. Die eine Schraube herunter-, die andere dafür hinaufzudrehen ist aber keine Steuerreform, sondern Volksverhöhnung. Möglich, dass einige Mitbürger, wie offenbar beabsichtigt, nicht bemerken werden, dass ihnen das „mehr netto vom Brutto“ dann ein bisschen später wieder aus der Tasche gezogen wird. Möglich aber auch, dass das das Fass zum Überlaufen bringt.

Denn in der Zwischenzeit beginnt es sich ja herumzusprechen, dass man das österreichische Budget auf der Einnahmenseite nicht mehr sanieren kann. Weil wir eben ein gewaltiges Ausgabenproblem haben und nicht ein Einnahmenproblem.

Zur Illustration: Die Steuer- und Abgabenquote ist in Deutschland um fünf und in der Schweiz um sieben BIP-Prozentpunkte niedriger als bei uns. Beide Länder sind aber nicht neoliberale Sozialwüsten, sondern exzellent verwaltete mitteleuropäische Sozialstaaten. Und die Wirtschaftsdaten sind in beiden Ländern besser als in Österreich. Würden wir es schaffen, auf deren Ausgabenniveau zu kommen, dann wären unsere Ausgaben um 16 bis 22 Mrd. Euro niedriger. Jedes Jahr.

Noch plastischer: Würde der Staat hierzulande in Relation zum BIP so viel ausgeben wie die Schweiz, könnten wir die Mehrwertsteuer komplett abschaffen oder die Lohnsteuer um 90 Prozent kürzen. Und da sitzen Experten zusammen, um Steuererhöhungen als „Gegenfinanzierung“ für eine „Steuerreform“, die nicht mehr als eine Korrektur der kalten Progression sein wird, auszuhecken, statt dass endlich über Effizienzpotenziale geredet wird?

Da kann es ja wohl nur eine Konsequenz geben: die Steuererhöhungskommission sofort aufzulösen und stattdessen eine echte Staatsreformkommission einzusetzen. Und die Herrschaften mit dem Auftrag, zumindest einmal ein Effizienzsteigerungspotenzial in Höhe der geplanten Steuerreform zu heben, so lange in der Hofburg in Klausur zu nehmen, bis weißer Rauch aufsteigt.

Natürlich haben auch wir in letzter Zeit gehört, dass eine Verwaltungs- und Staatsreform „nichts bringt“. Das stimmt so auch, wenn man das Feld strukturkonservativen Privilegienbewahrern überlässt und die Strukturen, durch die das Steuerzahlergeld hinausrinnt (etwa die heimische Form des Föderalismus), nicht antastet.

Es gibt allerdings (auch außerhalb von Rechnungshof und Wifo, die ja schon hunderte, umgehend schubladisierte Vorschläge abgeliefert haben) Leute, die sich darüber Gedanken machen und sehr gescheite Ideen präsentieren. Der Mödlinger Steuerberater Reinhold Koch beispielsweise hat ein umfassendes Steuerkonzept ausgearbeitet, dessen Details den Rahmen hier sprengen würden. Es enthält aber zwei Punkte, die höchst interessant sind, weil sie davon ausgehen, dass Einsparungen nur möglich sind, wenn dafür genügend Druck erzeugt wird. Und die daher unbedingt überlegenswert wären.

Der erste betrifft den leidigen Finanzausgleich mit den Ländern, der mit seiner Automatik (ein Drittel der Steuereinnahmen des Bundes geht automatisch an Länder und Gemeinden) dafür sorgt, dass die Landeskaiser stets genug Geld haben, um es mit beiden Händen hinauszuschaufeln.

Mit einer manchmal schon tragikomischen Note: Die Automatik sorgt dafür, dass Länder, deren Misswirtschaft Steuererhöhungen erzwingt, dafür auch noch finanziell belohnt werden. Ein Beispiel: Ein Drittel des Ertrags aus der (hierzulande vergleichsweise sehr hohen) Bankensteuer, die unter anderem durch die Kärntner Hypo-Pleite erzwungen wurde, geht an die Länder (und damit auch an Kärnten), obwohl die Scherben ausschließlich vom Bund weggeräumt werden. Das ist einfach verrückt.

Koch schlägt nun vor, die Lohnsteuer (deren Aufkommen ungefähr den Überweisungen des Bundes an Länder und Gemeinden entspricht) komplett den Ländern (und Gemeinden) zu überlassen. Mit der Auflage, dass sie damit auskommen müssen und keine zusätzlichen Hilfen vom Bund mehr bekommen. Wenn sie wollten, könnten sie natürlich mit niedrigeren Lohnsteuern Steuerwettbewerb spielen, aber mehr gibt's nicht. Eine solche Deckelung könnte die Länder vielleicht ein bisschen weniger sorglos wirtschaften lassen.

Der zweite Vorschlag betrifft die Steuerzahler selbst: Die sollten Bruttobeträge überwiesen bekommen, wobei ihnen dann einzelne Positionen (z. B. zur Landes- und Bundesfinanzierung, für Kammern, Sozialversicherungen, Wohnbau- und sonstige Förderungsbeiträge, je detaillierter, desto besser) vom Bankkonto abgebucht werden. Der Hintergrund: Den Lohnzettel sieht niemand so genau an, den Bankauszug aber schon. Vielleicht würden den Steuerzahlern dann die Augen aufgehen, wofür sie wie viel „abdrücken“. Das würde dann möglicherweise für den nötigen Druck von der Straße zu mehr Sparsamkeit sorgen. Und man könnte ihnen nicht mehr so leicht erzählen, das Problem der Staatsfinanzierung wäre zu lösen, indem man den „Reichen“, den „Spekulanten“ oder einfach nur den Besserverdienern stärker auf die Zehen steigt.

Es wäre einen Versuch wert. Auf Steuerreformkommissionen dagegen, denen bei der dritthöchsten Steuerquote der zivilisierten Welt nicht mehr einfällt als neue Steuern, können wir gern verzichten.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

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