Vermögen: Ökonomen mit Enteignungsfantasie

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35 Prozent Erbschaftssteuer? Ökonomen haben noch ganz andere Kaliber zur Geldaufbringung für Pleitestaaten im Köcher. Die Enteignungsfantasie erlebt eine enorme Blüte.

Was würde eigentlich die Verwirklichung der SPÖ-Vermögen-, Erbschafts- und Schenkungsteuerpläne bedeuten? Nehmen wir ein krasses (klarerweise nur grob gerechnetes) Beispiel: Die Familien Porsche/Piëch müssten bei einer Vermögensteuer von einem Prozent und einer (bei Stiftungen alle 30 Jahre anfallenden) Erbschaftssteuer von 35 Prozent für ihre in Österreich gebunkerten Vermögen in drei Jahrzehnten an die 30 Milliarden Euro an vermögensbezogenen Steuern abliefern.

Sie hätten nach 30 Jahren also entweder an die zwei Drittel ihres Vermögens an den Staat abgetreten, oder der VW-Konzern, an dem sie knapp ein Drittel halten, müsste in diesem Zeitraum (einschließlich der deutschen Kapitalertragsteuer) weit über 100 Mrd. Euro ausschütten, nur um seinem Haupteigentümer die Vermögensteuer zu kompensieren. Ein sehr prominenter österreichischer Steuerberater kommentiert das so: „Jetzt knallen alle durch.“

Um die im Porsche/Piëch-Clan versammelten reichsten Familien des Landes muss man sich keine Sorgen machen. Sie würden selbst bei dieser Enteignung nicht der Armenausspeisung anheimfallen. Und sie würden, vor obige Wahl gestellt, wahrscheinlich ohnehin die dritte Variante wählen: Nix wie weg. Für mittelständische österreichische Unternehmen wäre das aber wohl das effizienteste Wirtschaftsvernichtungsprogramm, das man sich vorstellen kann.

Keine Angst: So kommt es, zumindest kurzfristig, ohnehin nicht, außer den Koalitionspartner der hiesigen Sozialdemokraten übermannt der politische Todestrieb. Aber man muss solche Vorstöße durchaus ernst nehmen. Denn nicht nur linke Ökonomen werden zunehmend – und zwar in besorgniserregendem Ausmaß – von umfassenden Enteignungsfantasien geplagt. Und sie finden in Politikern, die ihre Staatsfinanzen nicht im Griff haben – das sind in Europa unterdessen die meisten – dankbare Zuhörer.

Die Argumentationslinie geht, ganz vereinfacht, so: Wir sehen eine starke, gesellschaftlich nicht erwünschte Vermögenskonzentration. Gleichzeitig haben die Staatsschulden ein Niveau erreicht, das sich mit konventionellen Mitteln (einsparen, Effizienz steigern) nicht mehr signifikant abbauen lässt. Zumindest nicht ohne politischen Krampf. Die Lösung: Wir schöpfen Vermögen ab und begleichen damit die Staatsschulden.

Die meisten berufen sich auf den zum Mainstream-Ökonomen avancierten Franzosen Thomas Piketty und dessen 2013 erschienenes Werk „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Aber der damit wissenschaftlich untermauerte Wunsch nach dem Griff in die Privatschatullen hat schon viel früher begonnen: Die Boston Consulting Group hat schon 2011 vorgeschlagen, die Schulden der europäischen Länder mit einer einmaligen Vermögensabgabe von elf bis 30 Prozent wieder in einen Bereich zu bringen, in dem man sie unter Kontrolle hat.

Der Internationale Währungsfonds hat ein Jahr später mit dem Vorschlag einer einmaligen zehnprozentigen Abgabe auf alle Geld- und Immobilienvermögen aufhorchen lassen; das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat kurz darauf den Vorschlag einer „Zwangsanleihe“ ebenfalls im Ausmaß von zehn Prozent des Vermögens (allerdings mit einem Freibetrag von 250.000 Euro) auf den Tisch gelegt.

Die Vorschläge sind allesamt milder als das SPÖ-Modell, aber sie enthalten (wenn das Motiv wirklich die Sanierung der Staatsfinanzen sein soll) alle denselben Denkfehler: Ein Ausgabenproblem lässt sich einnahmenseitig nicht sanieren, sondern nur kurzfristig mildern.

Spielen wir das am österreichischen Beispiel durch: Das IWF-Modell würde hierzulande auf einen Schlag rund 120 Mrd. Euro hereinspielen. Ein schöner Batzen Geld, der die Staatsschuld von derzeit 285 auf 165 Milliarden Euro vermindern würde.

Allerdings: Wir wären damit noch lange nicht entschuldet, sondern könnten die Schuldenquote gerade einen Hauch unter die Maastricht-Grenze von 60 Prozent des BIPs drücken. In absoluten Zahlen wären wir auf den Schuldenstand von 2005 zurückgefallen.

Mit anderen Worten: Selbst wenn man allen Österreichern ohne Freibetrag ein Zehntel ihres Vermögens wegnähme, hätte man die Schuldenuhr nur um ein paar Jahre zurückgedreht. Und man kann sich bei der da zum Vorschein kommenden Schuldendynamik vorstellen, wie schnell wir wieder in der jetzigen, aussichtslosen Situation wären.

Die zunehmende Zahl der Enteignungsfantasten unter den Ökonomen hat da also eine sehr eindimensionale Herangehensweise. Würde man die Staatsfinanzen sanieren wollen, dann gehörten zuerst die Löcher im Budgetfass gestopft. Und erst wenn die beim Schuldenmachen außer Rand und Band geratenen Staaten das geschafft haben, reden wir darüber, wer welchen Beitrag zu der dann wirklich möglichen Schuldenabsenkung leistet. Hat das Fass keinen Boden, ist der Versuch sinnlos.

Davon sind wir aber weit entfernt: Österreich müsste die Staatsausgaben jährlich um zehn bis 15 Milliarden Euro verringern, um die Schuldendynamik wirklich zu stoppen.
In diese Aufgabe Hirnschmalz zu investieren, wäre wohl in der gesamten Eurozone eine etwas konstruktivere Aufgabe für die Ökonomenzunft, als permanent wirtschaftszerstörenden Enteignungsfantasien nachzuhängen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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