Die EZB und ihr Billionenversuch

Traders watch ECB news conference during a trading session at Frankfurt stock exchange
Traders watch ECB news conference during a trading session at Frankfurt stock exchange(c) REUTERS (RALPH ORLOWSKI)
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Mit Staatsanleihenkäufen über 1140 Milliarden Euro versucht die Euro-Zentralbank, der Krise gegenzusteuern. Wir sind jetzt Zeuge eines gewagten Experiments – leider als Versuchskaninchen.

Mario Draghi, Chef der Euro-Notenbank EZB, hat geliefert, was die Märkte von ihm seit Tagen erwartet haben: Ab März wird die Europäische Zentralbank jeden Monat 60 Milliarden Euro in Staatsanleihen der Euroländer und in Unternehmensanleihen stecken. 19 Monate lang. Das macht insgesamt 1,14 Billionen Euro, aus, mit denen die schwächelnde Eurozone wirtschaftlich wieder auf Vordermann gebracht werden soll. Ein starkes Signal. Aber auch ein Experiment mit reichlich ungewissem Ausgang.
Tatsächlich hat die EZB ihr sonstiges Pulver schon verschossen. Die Leitzinsen sind nun einmal nahe null angelangt, ohne dass dies die Wirtschaft wesentlich stimuliert hätte. Wir sind also jetzt Zeugen eines groß angelegten Experiments, an dessen Gelingen Experten erhebliche Zweifel haben. Man muss sich nur die Reaktionen der in Davos versammelten globalen Ökonomenelite anschauen: Ja, hieß es, Draghi habe Flagge zeigen müssen, die Ankündigung der Geldschwemme sei richtig. Und: Nein, allein werde das zu wenig sein, um Europa in Schwung zu bringen.

»Ausgerechnet jene Länder, die am lautesten nach dem Aufdrehen des Geldhahns verlangt haben, nämlich Italien und Frankreich, sind auch am säumigsten in Sachen Strukturreform.«

Josef Urschitz

In den USA hat das, zumindest bisher, halbwegs funktioniert. Die Konjunktur zeigt Zeichen der Erholung. In Europa ist die Lage allerdings ein wenig komplizierter. Da steht eine Reihe offener Baustellen einer durchgreifenden Erholung im Weg. Die Staatsschuldenkrise ist keineswegs gelöst, und ein paar Länder haben ihre strukturellen Hausarbeiten noch lang nicht aufgearbeitet. Ausgerechnet jene Länder, die am lautesten nach dem Aufdrehen des Geldhahns verlangt haben, nämlich Italien und Frankreich, sind auch am säumigsten in Sachen Strukturreform.
Die Geldflut von der EZB wirkt da nicht gerade stimulierend: Anleihenkäufe durch die Notenbank werden die Finanzierung der Staatsschuld verbilligen. Und den Staaten damit ermöglichen, längst fällige Reformen weiter vor sich herzuschieben. Damit wird auch die Investitions- und Innovationsschwäche, eine der Hauptbremsen in der Eurozone, eher prolongiert.

Wenn es aber nicht gelingt, die Kreditnachfrage der Wirtschaft deutlich anzukurbeln, dann bleibt das zusätzlich gedruckte Geld, wie schon bisher, im Finanzkreislauf stecken. Und befördert dort nur eine weitere Überhitzung der Aktien- und Immobilienmärkte. In diesem Fall wird es aber weder die von der Europäischen Zentralbank gewünschte Anhebung der Inflation in die Nähe der Zielmarke von zwei Prozent noch einen größeren Konjunkturstimulus geben. Was offenbar funktioniert, ist der Druck auf den Euro.

Ein nicht unwahrscheinliches Szenario sieht also folgendermaßen aus: Der Euro verliert zum Dollar weiter, was einen kleinen Exportboom auslöst – der aber nicht nachhaltig ist. Gleichzeitig erleben die jetzt schon überbewerteten Aktienmärkte noch einen kleinen Aufschwung, und die Immobilienpreise ziehen noch einmal an. Und am Ende der EZB-Aktion im kommenden Herbst stehen wir wieder da, wo wir jetzt starten. Denn dass die bisher reformresistenten Euroländer ausgerechnet Finanzierungserleichterungen für ihre Staatsschuld als Anlass für schmerzhafte Reformen nehmen, ist doch eher sehr unwahrscheinlich.

»Die Notenbanker bewegen sich ja auf äußerst dünnem Eis: Genau genommen ist das, was sie hier machen, verbotene Staatsfinanzierung.«

Josef Urschitz

Wenn das eintritt, hat die EZB – und mit ihr natürlich der Euro – allerdings ein Problem: Dann ist ihre Glaubwürdigkeit endgültig zum Teufel. Die Notenbanker bewegen sich ja schon jetzt auf äußerst dünnem Eis: Genau genommen ist das, was sie hier machen, verbotene Staatsfinanzierung. Wenn der Bruch der eigenen Regeln (in der Eurozone allerdings kein Sonderfall, wie man an den Maastricht-Kriterien sehen kann) auch noch das erwartete Ergebnis verfehlt, dann wird es haarig.

Wir sind jetzt also Zeugen eines sehr interessanten Experiments. Blöd nur, dass wir in diesem Experiment die Versuchskaninchen sind. Die Fragestellung lautet: Kann eine auf Währungspolitik konditionierte Notenbank auch erfolgreich Wirtschaftspolitik betreiben und damit eigentlich die Arbeit von Regierungen, die das nicht schaffen, übernehmen? Und: Soll sie das überhaupt?
Denn so richtig funktioniert das bisher noch nirgends. Fachleute sind da sehr skeptisch. Der frühere Bundesbank-Chef Axel Weber sagte am Donnerstag, egal, wie viele Staatsanleihen Draghi kaufe – die Inflation werde nicht auf das gewünschte Niveau steigen. In diesem Fall hätten wir einen ziemlich kostspieligen Reinfall erlebt.

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