Staatsreform: Die Verwaltungsreformer und ihr Prellbock

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Der außer Rand und Bank geratene heimische Föderalismus lässt sich nur durch eine Radikalreform einfangen.

Das Rechnungswesen der XYZ Holding AG weist erhebliche Defizite auf, wodurch die Transparenz beeinträchtigt, die Haushaltssteuerung erheblich erschwert und die Vergleichbarkeit der Ergebnisse teilweise verhindert wird. Die wahre finanzielle Lage ist den Abschlüssen nicht zu entnehmen und die Vollständigkeit ist in wesentlichen Bereichen nicht gegeben.“

Jetzt einmal ehrlich: Würden Sie mit einem Unternehmen, dem der Wirtschaftsprüfer solches schriftlich bescheinigt, in Geschäftsbeziehung treten wollen? Eher nicht, oder? Die Gefahr, sich bald auf der Gläubigerliste eines Masseverwalters wiederzufinden, wäre da wohl entschieden zu groß.

So, und jetzt ersetzen Sie bitte „XYZ Holding AG“ durch „Gebietskörperschaften“ und „Wirtschaftsprüfer“ durch „Rechnungshof“ – und Sie haben die wörtliche Einschätzung der Finanzarchitektur dieser Republik durch ein offizielles Kontrollorgan derselben.

Irre, nicht? Noch irrer: Das Zitat stammt aus dem Papier „Positionen zur Verwaltungsreform“ (in dem die berühmt gewordenen 599 Reformvorschläge des Rechnungshofs enthalten sind) aus dem Jahr 2011. Und die Erkenntnis war schon damals, im Jahr sechs nach dem Österreich-Konvent, nicht mehr ganz neu.

Und was ist seither geschehen, außer dass, wie bei diesem vom Rechnungshof georteten organisatorischen Chaos nicht anders zu erwarten, die Staatsschulden weiter explodiert sind? Nun ja: Man hat ein paar Bezirksgerichte zusammengelegt, ein paar Formulare vereinfacht und eine weitere beschäftigungstherapeutische „Aufgabenreform und Deregulierungskommission“ eingesetzt. Aber die großen, die finanzielle Gesundheit der Republik gefährdenden Brocken hat man nicht angerührt.

Das eingangs erwähnte Bilanzierungschaos in der Republik will der Finanzminister nun ja per Vereinheitlichung der Rechnungslegungsvorschriften angehen. Wir werden sehen, was dabei herauskommt, denn es ist nicht anzunehmen, dass die Länder einfach so hinnehmen werden, dass ihnen der Bund transparent in die gezinkten Karten blicken kann. Einen Vorgeschmack hat ja jetzt die erwähnte Reformkommission geliefert, deren Vorschlag, bei den Förderungen mehr Transparenz und eine Abgrenzung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden einzuführen, von Wien gleich einmal abgeschmettert wurde. Auch der Finanzminister wird wohl schnell auf Granit beißen, wenn es wirklich ans Ländereingemachte geht.

Das ist allerdings kein Wunder, sondern systemimmanent. Der unsägliche Murks um die Staatsreform in den letzten zehn Jahren seit dem Österreich-Konvent zeigt ja: Die Republik ist in den herrschenden Strukturen nach der Methode „Schritt für Schritt“ nicht reformierbar. Sie benötigt eine radikale Neukonstruktion von Grund auf per politischem Kraftakt.

Kern der Sache hat – nach der Vereinheitlichung des Rechnungswesens – die (vom Rechnungshof ebenfalls seit Langem geforderte) Zusammenlegung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung zu sein. Dass ein System, bei dem der eine (der Bund) fürs Einnehmen und die anderen (Länder und Gemeinden) fürs Ausgeben zuständig sind, nicht funktioniert, wurde ja schon ausreichend bewiesen.

Das geht auf zwei Arten: Entweder durch eine echte Steuerautonomie der Länder nach Schweizer Muster, wobei diese dann auch für ihre Ausgaben voll verantwortlich wären. Das wäre die zweitbeste Lösung, weil man für das Funktionieren dieses Systems wohl auch Schweizer Mentalität und vor allem Schweizer Politiker benötigte.

Oder, besser, durch eine Konzentration der Finanzkompetenzen beim Bund. Denn das Argument der „Zentralisierung“ ist in einem Kleinstaat mit der Bevölkerungszahl einer mittleren chinesischen Provinzstadt ohnehin lächerlich.

Mit der Entwirrung der Finanzkompetenzen kann man dann gleich das generelle Kompetenzchaos in der Verwaltung beseitigen. Und mit seltsamen Bürokratie-Blödheiten wie etwa der parallelen Verwaltung von gerade einmal 16.000 Landwirtschaftsfachschülern durch Abteilungen aus zwei Ministerien und neun Landesregierungen aufhören. Oder damit, dass 19 Finanzströme in Bewegung gesetzt werden, um ein paar Pflegegeldhunderter auszuzahlen.

Dass mit einer Neukonstruktion Milliardenentlastungen gehoben werden könnten, wissen wir unterdessen. Dass Bund und Landeskaiser das nicht wollen, auch. Vielleicht hilft da wirklich nur ein halblustiger Radikalvorschlag: Regierung und Landeschefs samt Experten mit dem Auftrag einer umfassenden Föderalismusreform so lange in der Hofburg einsperren, bis weißer Rauch aufsteigt.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2015)

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