Auf dem Weg nach Klein-Hellas

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Wie sich die Reformdefizite Griechenlands und Österreichs gleichen und warum wir mit einer thermischen Steuerumschichtung mittels heißer Luft nicht wirklich weiterkommen werden.

Das Dokument beginnt mit dem Satz „Die Regierung verpflichtet sich zu“. Und dann kommt die mehrseitige Liste der Maßnahmen, deren Umsetzung versprochen wird. Ein kleiner Auszug:

► Robuste Maßnahmen zur Vermeidung von Mehrwertsteuerhinterziehung unter Einsatz aller elektronischen Möglichkeiten.
► Beseitigung von Steuerausnahmen.
► Verschärfte Ausgabenkontrolle in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung.
► Drastische Verbesserung der Effizienz der zentralen und regionalen öffentlichen Verwaltung.
► Identifikation von Einsparungsmöglichkeiten in allen Ministerien.
► Administrative Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Pensionssysteme und zum Abbau von Anreizen für die Frühpensionierung speziell bei den Banken und im öffentlichen Sektor.
► Verschärfung der Gesetze zur Parteienfinanzierung.
► Verstärkter Kampf gegen Steuerhinterziehung.
► Maßnahmen zum Bürokratieabbau.
► Weiterführende Anstrengungen, um ungerechtfertigte Restriktionen in regulierten Berufen abzuschaffen.

Kommt Ihnen alles bekannt vor? Nein, ganz falsch geraten: Das ist nicht das Bekenntnis der heimischen Koalition, endlich mit der Umsetzung der 599 Reformvorschläge des Rechnungshofs zu beginnen. Im Originaldokument steht nämlich statt „die Regierung verpflichtet sich“ „Greece commits to“. Und gezeichnet ist es mit „Truly, Yanis Varoufakis“.

Es handelt sich also um jene Versprechensliste, mit deren Übermittlung an die Euro-Gruppe die griechische Regierung in dieser Woche gerade noch die allerletzte Kurve vor der sicheren Staatspleite genommen hat.

Jetzt könnte man wunderbar polemisieren, die Griechen seien schon einen Schritt weiter als wir. Sie versprechen schon Aktivität, während bei uns die vergleichbaren Reformvorschläge noch in diversen Schreibtischladen vergammeln beziehungsweise von immer neuen Kommissionen zu Tode kommissioniert werden. Uns sitzt freilich auch (noch) keine Troika, pardon: Institution im Nacken.

Aber der Vergleich wäre natürlich ungerecht. Erstens sind die griechischen Reformversprechen ja sehr allgemein gehalten und nur auf starken Druck aus der Euro-Gruppe zustande gekommen. Und zweitens müssen sie erst einmal umgesetzt werden, was die eindeutig schwierigere Übung sein dürfte. Zumal für eine links/rechts-populistische Regierung, die ihren Wählern ganz andere Dinge versprochen hatte. Und: In unterschiedlichen Ligen spielen wir auch noch. Im Ernstfall gehen vor uns noch viele andere pleite.

Aber frappierend ist es schon, wie sehr sich die Probleme von Ländern auf dem Weg nach unten gleichen. Dass Griechenland in genau diesen Punkten (neben einem bei uns wirklich unbekannten Ausmaß an Korruption und Nepotismus) großen Verbesserungsbedarf hat, ist ja nicht erst seit dieser Woche bekannt. Geschehen ist allerdings nichts. So lange, bis den Athener Machthabern das Heft von ausländischen Geldgebern aus der Hand genommen wurde.

Dass wir in unserem Land enormen Aufholbedarf in dieser Richtung haben, ist auch nicht erst seit gestern bekannt. Der Österreich-Konvent ist jetzt zehn Jahre her, der Rechnungshof hat seine Reformvorschläge 2007, 2009 und zuletzt 2011 zu Papier gebracht. Die einschlägigen Wifo-Vorschläge mit bis zu drei Mrd. Euro Einsparungspotenzial allein in der unmittelbaren Verwaltung sind auch schon mehr als fünf Jahre schubladisiert. Darauf, dass mit der Umsetzung wenigstens begonnen wird, warten wir allerdings noch immer vergeblich.

Dabei gerät hierzulande vieles ins Rutschen: Die Arbeitslosigkeit steigt, während sie anderswo, auch im angeblich kaputtgesparten Deutschland, schon wieder deutlich sinkt. In Sachen Wirtschaftswachstum fallen wir in der Euro-Gruppe immer weiter zurück. Das Stimmungsbarometer in der Wirtschaft hängt kaum irgendwo in Europa noch so tief wie in der Alpenrepublik.
Das ist der klassisch-griechische Weg, den wir möglichst bald verlassen sollten, wenn wir die vorliegenden Reformvorschläge nicht in ein paar Jahren mit einem „Hochachtungsvoll, Schelling“ an eine Troika schicken wollen.

Ein erster Schritt weg vom griechischen Weg könnte jetzt eine vernünftige Steuerreform sein. Da sieht es aber eher trübe aus: Eine Senkung der Gesamtsteuerbelastung ist offenbar nicht mehr angedacht. Und ein gutes Drittel der Gegenfinanzierung der Steuerumschichtung beruht auf dem Prinzip Hoffnung, nämlich einer verstärkten Steuerhinterziehungsbekämpfung. Diese Form der thermischen Steuerumschichtung durch heiße Luft ist reichlich unseriös. Ein bisschen mehr Ernst beim Reformieren bitte, auf ein Griechen-Schicksal haben wir nämlich keine Lust!

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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