Föderalismus: Die Lizenz zum Schuldenmachen

(c) APA (Barbara Gindl)
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Der Hypo-Skandal hat unter anderem auch landesväterlichen Machtrausch als Ursache. Damit so etwas nicht mehr geschieht, sollte der Finanzminister die Refinanzierungsprobleme der Länder als Reformhebel einsetzen.

Der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider habe die Hypo Alpe Adria „ultimativ beeinflusst“, sagte Ex-Hypo-Prüfer Erich Kandler gestern im Hypo-Untersuchungsausschuss. Mit anderen Worten: Aktiengesetz hin, Organverantwortung her: Was der Landeskaiser anschaffte, hatte zu geschehen.
Nicht nur in der Bank: Dem realpolitisch enormen Machtumfang heimischer Landeshauptleute „verdanken“ die Steuerzahler im Falle Kärnten ja nicht nur den zweistelligen Milliardenschaden aus der Landesbank, sondern unter anderem auch ein beeindruckendes Fußballstadion, in das ein Drittel der Klagenfurter Einwohner passt, das aber mangels entsprechender Veranstaltungen nicht einmal die Kosten für den laufenden Betrieb hereinspielen kann.

Oder einen milliardenteuren Prestige-Tunnel unter der Koralm, durch den man nach dessen Fertigstellung wohl täglich die Bevölkerung von Klagenfurt und Graz in die jeweilige Gegenrichtung wird verfrachten müssen, um ihn wirtschaftlich halbwegs sinnvoll zu machen. Bezahlt wird das alles natürlich nicht von den politischen Nachfahren der Geldvernichter oder von deren Wählern, sondern von allen österreichischen Steuerzahlern.

Man sieht: Falsch konstruierter Föderalismus kann ganz schön teuer werden. Und Kärnten kann jederzeit und überall wieder passieren. Denn die Strukturen der Republik haben sich seit dem karantanischen Machtrausch ja nicht geändert. Die Föderalismusreform, die so gut wie alle ernsthaften Experten seit vielen Jahren fordern (und für die es auch vernünftige Vorschläge gibt), ist bisher über den Vorschlagsstatus nicht hinausgekommen.
Das ist nicht nur eine finanzielle Gefahr für die Republik. Das derzeitige Konstrukt lähmt auch deren Handlungsfähigkeit enorm. Man hat das bei der jüngsten Asylkrise gesehen: Verworrene Kompetenzlagen, regionale Eigenbrötlerei, provinzielles Machtgehabe verbunden mit der völligen Absenz jeglichen übergeordneten Konzepts führen dann dazu, dass eine ziemlich klar absehbare und an sich durchaus beherrschbare Situation (nämlich das Ansteigen der Asylantenzahl im Frühsommer) in gegenseitiger Blockade, völligem Chaos, Zeltlagern und parteipolitischer Kleingeldschlagerei endet.

Nicht auszudenken, wenn diese Staatskonstruktion einmal eine wirklich ernste Krise zu bewältigen hat. Hier gehören Kompetenzverteilung und finanzielle Verantwortung eher schnell ordentlich geregelt. Dass das auf dem normalen Reformweg funktioniert, dass sich also Bund und Länder zusammensetzen und auf Basis der zahlreich vorliegenden Vorschläge ein tragfähiges Bundesstaatswesen erarbeiten, das föderale Exzesse wie in Haiders Kärnten zumindest extrem erschweren, ist angesichts der realpolitischen Lage im Lande allerdings nicht zu erwarten. Die Föderalismusdiskussion beschränkt sich zur Zeit auch im Wesentlichen auf die laut vorgebrachte Länderforderung nach mehr Geld vom Bund im Vorfeld der beginnenden Finanzausgleichsverhandlungen.

Allerdings könnte hier ausgerechnet Kärnten ein Modell liefern: Das Land ist wegen der von den Vorgängerregierungen verantworteten Ausgabenexzesse nicht mehr kapitalmarktfähig und muss sich über die Bundesfinanzierungsagentur refinanzieren. Der Finanzminister hat das mit umfangreichen Spar- und Reformvorgaben für die Kärntner verbunden. Nicht lustig, aber möglicherweise ein guter Hebel, um die Reformlust zu steigern.

Kärnten ist aber nicht das einzige Bundesland, das die Bundesfinanzierungsagentur beansprucht. Seit dem Fall Hypo ist ja klar, dass der Staat nicht mehr ohne Wenn und Aber für die Länder haftet. Das hat die Länderratings gedrückt, die Refinanzierung verteuert – und das treibt die Landesfinanzreferenten eben zusehends in die Arme der Bundesfinanzierungsagentur.

Wieso den Hebel nicht auch hier ansetzen? Wieso nicht günstige Bundeskredite generell nur gegen strikte Auflagen weiterreichen?

Es kann natürlich nicht darum gehen, die Länder dauerhaft finanziell zu entmündigen. Das würden sich die zu Recht nicht gefallen lassen. Sehr wohl aber darum, Druck auf ernsthafte Verhandlungen für eine vernünftige Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung zu erzwingen, wie sie so gut wie alle Experten seit Langem fordern.

Am Anfang würde es schon genügen, eine einheitliche Rechnungslegung der Gebietskörperschaften durchzusetzen, die erst einmal einen wirklichen Überblick über die Staatsfinanzen bietet. Und die Länder zu einem echten Stabilitätspakt zu verpflichten, statt zu der offensichtlichen Witz-Vereinbarung, die derzeit diesen Namen trägt.

Wie lächerlich diese „Schuldenbremse“ derzeit wirkt, kann man ja an den in den vergangenen Tagen veröffentlichten Länder-Rechnungsabschlüssen sehen: Da kann etwa, um ein Beispiel zu nennen, Wien seinen offiziellen Schuldenstand innerhalb dieses Stabilitätspakts in sieben Jahren mehr als verdreifachen und gleich noch das geplante „Nulldefizit“ für 2016 absagen, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen. So wird der „Stabilitätspakt“ zur Lizenz zum Schuldenmachen. Irgendwann sollte damit Schluss sein.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2015)

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