Weg mit diesem Gamsbartföderalismus

(c) EPA (BARBARA GINDL)
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Der Streit um die Parteibüchelhoheit über die Schulen wirft wieder einmal ein grelles Schlaglicht auf den gewachsenen Verwaltungsirrsinn im Land. Da gehören jetzt viele gewachsene Austriaka auf den Prüfstand - ohne Tabus.

Die Bildungsreform ist jetzt im Wesentlichen also dort angekommen, wo Reformen in diesem Land immer enden: Es geht primär nicht mehr um Inhalte, sondern hauptsächlich darum, ob die Hoheit über die Parteibüchel-Stellenbesetzungen beim Bund oder bei den Ländern liegen sollen. Die Reform, das kann man ruhig sagen, ist damit schon vor ihrem Inkrafttreten gescheitert.

Dabei hätte gerade das Schulwesen neben der notwendigen bildungspolitischen Weichenstellung eine wirklich radikale Verwaltungsreform dringend nötig. Nirgendwo lässt sich der verwaltungstechnische Irrsinn und die Ineffizienz des alpenländischen Gamsbartföderalismus besser (und erschreckender) darstellen, als in den Schulverwaltungsorganigrammen, die der Rechnungshof regelmäßig veröffentlicht. Kumuliert in der berühmt gewordenen wirren Zeichnung, die die 40 (!) Kompetenzlinien darstellen, entlang der fünf Abteilungen aus zwei Ministerien und jeweils mehrere Abteilungen aus neun Landesregierungen gemeinsam (oder eher gegeneinander) ein paar tausend Schüler der landwirtschaftliche Fachschulen verwalten.

Solche, pardon, verwaltungstechnischen Blödheiten der Sonderklasse kosten eine Menge Geld, das dann in den Klassen fehlt. Ein Umbau ist hier also vordringlich.

Versuchen wir hier einen solchen sinnvollen Umbau, der sich natürlich nicht auf die Schulen beschränken darf, zu skizzieren. In dem Wissen natürlich, dass so etwas keine Chance auf Verwirklichung hat, weil solche Reformen unter Rot und Schwarz nicht möglich sind und Grün und Blau derzeit in Wien auch gerade den überzeugenden Nachweis führen, dass sie den Sinn der Politik vornehmlich in der Jagd nach Beauftragten- sowie Amts- und nicht amtsführenden Stadtrats- und Stadtschulratspräsidentenposten sehen.

Beginnen wir bei der Schulverwaltung. Die Präsidenten des ÖGB und der Industriellenvereinigung, die hier ausnahmsweise einmal einer Meinung sind, haben einfach recht: Die Schulkompetenz gehört uneingeschränkt zum Bund. Es gibt keinen Grund, in einem Kleinstaat neun Bildungssysteme zu unterhalten – außer natürlich den, der Landespolitik Zugriff auf die Postenbesetzungen zu verschaffen.

Und dann gehört das Spinnengeflecht der Kompetenzüberschneidungen zerschlagen. Wenn es tatsächlich darum geht, den einzelnen Schulen mehr Autonomie zu geben, dann muss es auch klare Hierarchieebenen mit klar abgegrenzten Kompetenzen einschließlich klarer Ergebnisverantwortung auf allen Stufen geben. Ein „autonom“ agierender Direktor, der gleichzeitig am Gängelband von Gewerkschaft und Landespolitik hängt, ist nicht autonom. So ein System kann nicht funktionieren. Das bedingt natürlich auch, dass die Bildungsdirektionen, die die derzeitigen, Landesschulrat genannten, Versorgungsstationen für Politgünstlinge ersetzen sollen, mit Experten besetzt werden statt mit Parteisoldaten.

Und wenn wir gerade dabei sind, schauen wir uns die restlichen Merkwürdigkeiten auch noch an. Dank des Rechnungshofes wisse wir beispielsweise, dass die Verwaltung von Flüssen keine ganz einfache Sache ist. Die March etwa entspringt im Kompetenzbereich des Landwirtschaftsministeriums, plätschert etwas später in die Zuständigkeit des Landes hinein, wandert dann als Wasserstraße zum Infrastrukturministerium, um schließlich als Grenzfluss wieder zum Land zurückzurinnen. Versteht das irgendjemand?

Das Ganze hat allerdings zwei Konsequenzen: Es ist erstens unnötig teuer, wenn sich drei bis vier Ämter mit einer Angelegenheit befassen, die eines auch erledigen könnte. Und es führt zu unnötigen Komplikationen: So hat der Rechnungshof vor ein paar Jahren bemängelt, dass Katastrophenschutzmaßnahmen wegen mangelnder Koordination zwischen den zuständigen Stellen verspätet und zu teuer durchgeführt wurden.

Solch kostspielige Kasperliaden findet man an jeder Ecke, an der man in das föderalistische Gefüge hineinleuchtet. Am unsinnigsten: die Landesgesetzgebung. Aus ihr resultieren in einem Land mit knapp neun Millionen Einwohnern (so genau weiß man das in letzter Zeit ja nicht mehr) neun Jagdgesetze, neun Bauordnungen, neun Jugendschutzgesetze und so weiter und so fort. Und bis heute hat noch niemand ein schlüssiges Argument dafür geliefert, wieso Abstände zwischen Geländerstäben und Stufenformen in Wien anders vorgeschrieben sein sollen als etwa in Tirol oder im benachbarten Niederösterreich. Außer Spesen ist da nichts gewesen.

Mit anderen Worten: Die Legislativgewalt der Länder ist auf den Prüfstand zu stellen. Sie ergibt in einem Kleinstaat in dieser Form keinen Sinn. Zumal der größere Teil der Landesgesetze nur Nachvollzug von Bundesgesetzen ist, die wiederum den Nachvollzug von EU-Richtlinien darstellen.

Apropos EU: Mit dem Beitritt zur Gemeinschaft wurde oben eine zusätzliche Verwaltungsebene eingezogen. Im Sinn einer Verwaltungsvereinfachung wäre es sinnvoll, unten eine wegzunehmen. Gemeinden lasen sich nicht ersetzen (obwohl ihre Zahl viel zu hoch ist), Länder sind angeblich Identifikationsobjekte. Bleiben die Bezirkshauptmannschaften. Deren Agenden lassen sich locker auf Land und Gemeinde aufteilen. Zumal dann, wenn man sinnvollerweise größere Gemeinden schafft. Allein mit diesen Maßnahmen wäre wohl schon eine nette Steuerreform finanziert. Und zwar eine echte. Aber das ist eine andere Geschichte.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2015)

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