Kann bitte endlich jemand „Es reicht!“ rufen?

Es braut sich was zusammen: Von China bis zur EZB in Frankfurt ziehen ziemlich dunkle Konjunkturwolken auf. Die freundlichen Konjunkturprognosen für Österreich sind damit wohl Makulatur – und die Lage verlangt nach Gegensteuern.
Es braut sich was zusammen: Von China bis zur EZB in Frankfurt ziehen ziemlich dunkle Konjunkturwolken auf. Die freundlichen Konjunkturprognosen für Österreich sind damit wohl Makulatur – und die Lage verlangt nach Gegensteuern.(c) AFP (DANIEL ROLAND)
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Von China bis Frankfurt ziehen dunkle Wolken am Konjunkturhimmel auf. Da wäre es wichtig, eine Reformregierung zu haben, die wenigstens die vorhandenen Binnen-Spielräume zur Konjunkturstärkung nützt.

Nein, das neue Jahr fängt nicht gut an. Nicht nur in Köln, Hamburg, Salzburg und anderen Städten, wo seit der Silvesternacht eine neue Form von mutwillig und leichtsinnig importierter Gewalt für Schockzustände sorgt.

Auch in der Wirtschaft häufen sich seit der Neujahrsnacht die Katastrophenmeldungen: Die China-Blase beginnt zu platzen und reißt die Weltbörsen mit; die Weltbank kappt die globale Konjunkturprognose deutlich und prophezeit großen Volkswirtschaften wie Russland und Brasilien nun den Absturz in die Rezession; die kürzlich veröffentlichten Inflationszahlen für den Euroraum zeigen, dass die EZB mit ihrem Versuch, die Investitionen und damit die Konjunktur anzukurbeln, trotz Multimilliarden-Druckerei keinen Millimeter weitergekommen ist; und der Ölpreis, ein wichtiger Indikator für die globale Konjunktur, stürzt gerade in Richtung der 30-Dollar-Marke.

Nicht nur George Soros fühlt sich angesichts solcher Daten an das Jahr 2008 und die darauf folgende Weltkrise erinnert. Wir wollen hier nicht den Spielverderber geben und den Teufel an die Wand malen, aber eines kann man wohl jetzt schon sagen: Auch wenn es, was wir hoffen, nicht so dick kommt, sind die freundlichen Konjunkturprognosen, die uns unsere Wirtschaftsforscher für heuer erst vor knapp drei Wochen geliefert haben, jetzt schon Makulatur.
Realistisch ist eher folgendes Szenario:

► China versucht, das Platzen seiner gewaltig aufgepumpten BIP-Blase mit einer Verschärfung des bereits entbrannten Währungskriegs einzudämmen.
► Das bringt das ohnehin fragile Konjunkturgefüge in den anderen Industrieländern wieder aus dem Lot.
► Im Gegensatz zu 2008 sind Gegenmaßnahmen aber nur noch sehr eingeschränkt möglich, weil das klassische Pulver verschossen ist: Die Zinsen stehen schon überall nahe null, und die extrem hohe Staatsverschuldung in allen Industrieländern einschließlich USA lässt keine großen Spielräume mehr zu.

Dazu kommt, dass über der Eurozone noch als zusätzliches Damoklesschwert die Euro-Fehlkonstruktion schwebt: Es hat sich schon ausreichend gezeigt, dass eine Währungsunion von weitgehend souveränen Staaten schlecht bis gar nicht funktioniert. Die von den Euro-Architekten ursprünglich mitgeplante politische Union ist auf absehbare Zeit aber nicht mehr realistisch.

In dieser Lage wäre es hilfreich, wenn wir so etwas wie eine Regierung hätten, die wenigstens die begrenzten wirtschaftspolitischen Binnenspielräume für Gegenmaßnahmen nützt. Und damit sind nicht Tunnelgraben und andere Baubeschäftigungsprogramme via Staatsverschuldung gemeint, deren Effekt in der Vergangenheit ja jedesmal überschaubar war und am Ende des Tages nur höhere Schulden hinterlassen hat.

Man könnte aber beispielsweise probieren, konjunkturbelebende Effekte durch Deregulierung, Entbürokratisierung und Steuersenkung zu schaffen. Die Amerikaner, die vom miesen Ergebnis der Kombination schärfere Regulierung und Gelddrucken langsam frustriert sind, diskutieren derzeit gerade intensiv darüber. Schließlich hat das dort in der Vergangenheit recht gut funktioniert.

Dazu müsste man aber – Stichwort Steuersenkung – das Budget im Griff haben. Um das zu schaffen, müsste man die vielen Löcher, durch die die Steuereuros sinnlos aus dem Säckel rinnen, stopfen. Das hieße beispielsweise Föderalismusreform, Förderreform (beim Geldverschenken an Private und Unternehmen sind wir unterdessen ja Vizeweltmeister, wie wir neulich gehört haben), Verwaltungsreform und so weiter.

Starten könnte man etwa mit einer Transparenzdatenbank, um überhaupt einmal zu sehen, welche Spuren Mehrgleisigkeiten im Budget hinterlassen. Das alles könnte man relativ schnell angehen, die ausgearbeiteten Vorschläge liegen ja vor. Sogar eine Transparenzdatenbank gibt es schon. Nur befüllt wird sie nicht. Da könnte ja ein Landesfürst beim Geschenkeverteilen erwischt werden. Und außerdem: Was geht das die Steuerzahler an?

Ja – und auch die Sozialsysteme könnte man sich bei der Gelegenheit anschauen. Wir sind ja auch beim Umverteilen weltmeisterlich unterwegs. Große Probleme verbergen sich da nicht nur im immer wieder diskutierten Pensionssystem. Früher noch wird uns die Mindestsicherung um die Ohren fliegen, wo die Aufgabe der staatlichen Souveränität an den Grenzen durch die Regierung und die daraus resultierende unkontrollierte Zuwanderung ins Sozialsystem für enorme, nicht bedeckte Milliardenbelastungen in den kommenden Jahren sorgen wird.

All das könnte man zumindest angehen, wenn wir nicht eine Regierung hätten, die sich fast völlig auf die Verwaltung des Stillstandes zurückgezogen hätte. Deren „Reformen“ sich auf reine Machterhaltungsfragen beschränken (wie etwa bei der Bildungsreform, deren Kern sich, wenn man die öffentliche Diskussion verfolgt hat, genau genommen auf die unglaublich wichtige Frage konzentriert hat, wer für die Kontrolle der Parteibücherl bei der Einstellung der Junglehrer zuständig sein soll).

Bei dieser Form der Reformblockade haben die schwarzen Landeshauptleute kräftig mitgemischt. Bei anderen – etwa bei der Pensionsreform oder anderen Sozialreformen – steht die SPÖ heftig auf der Bremse. Es sieht ein bisschen danach aus, als ob wir derzeit eine Koalition hätten, deren Prinzip es zu sein scheint, dass der jeweilige Partner voll in die Eisen tritt, sobald der andere Gas gibt.

Das geht eine Zeit lang gut, wenn rundum alles passt. Beim eingangs geschilderten wirtschaftlichen (und natürlich auch gesellschaftlichen) Szenario ist dieses Verhalten aber schon mehr als fahrlässig.
Sich vorzustellen, dass diese Blockade- und Realitätsverweigerungspolitik noch bis 2018 weitergeht, ist unter diesen Umständen eigentlich der blanke Horror. Zumal bei der Einstellung der größeren Regierungspartei, die etwa eine Kontrolle der Migration an den Grenzen noch immer „pfui“ findet, bis dahin schon ganz andere Probleme als ein bisschen Budgetungleichgewicht da sein könnten.

Jetzt ist ja die Zeit der großen Neujahrsvorsätze – auch bei den Parteien. Man kann nie ausschließen, dass sich die Herrschaften dabei doch noch entscheiden, für das Land zu arbeiten. Sonst möge bitte endlich jemand „Es reicht!“ rufen. Das tut es nämlich wirklich.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)

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